„Fußnote“: Alles PRIIPs, oder was?

Dienstag, 13. Juni 2023


Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:

Seit Jahresbeginn ist die Verordnung für PRIIPs (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products) verbindlich. Eingeführt 2018 mit dem Ziel den Verbraucherschutz zu stärken, sind die bisherigen Erfahrungen gemischt. Insbesondere im KMU-Segment. Unkenntnis kann Aufwand und Kosten einer Emission aber deutlich erhöhen.

Achtung, heute kann es kompliziert werden. Es geht um das Thema PRIIPs-Verordnung in Verbindung mit dem Basisinformationsblatt (BIB). Und das sind nur die zwei wichtigsten von unzähligen Begriffen, Institutionen und Abkürzungen in diesem Kontext. Zugegeben, ein relativ abstraktes banktechnisches Thema. Aber eines, das mir am Herzen liegt. Nicht nur, weil BankM ein ausgewiesener Spezialist für Wertpapiertechnik ist, sondern, weil es für aktive Emittenten und Marktteilnehmer eine hohe Relevanz hat. Denn aus Unkenntnis werden seit dem Inkrafttreten der PRIIPs-Verordnung im Jahr 2018 immer weniger strukturierte Unternehmensanleihen und Wandelschuldverschreibungen gehandelt. Grund genug also, dieses Thema einmal ins Rampenlicht zu stellen.

Wie gerade geschrieben, ist die Verordnung für PRIIPs (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products), also Verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte, die einem Anlagerisiko unterliegen, bereits seit dem 1. Januar 2018 in Kraft. Ausgangspunkt war der Verbraucherschutz mit dem konkreten Ziel, Privatanleger besser zu schützen und über komplexe Finanzprodukte aufzuklären. Auf maximal 3 DIN A4 Seiten sollten Risiken, Performance-Szenarien und Kosten standardisiert und europaweit vergleichbar dargestellt werden. Zuständig für den Entwurf der Key Information Documents (KIDs), auf Deutsch den einheitlichen Basisinformationsblättern (BIB) waren die drei europäischen Aufsichtsbehörden EIOPA, EBA und ESMA (zusammen European Supervisory Authorities kurz ESAs). Einige wichtige Kennzahlen sind dabei der Gesamtrisikoindikator und die Renditeszenarien. Auch auf das maximale Verlustpotential ist einzugehen. Dies alles bildet dann ein Risikorating mit einer Spanne von 1 bis 7 ab. Wobei 1 sehr sicher ist und das Risiko im Rang 7 am höchsten zu bewerten ist.

Kein BIB, kein Handel

Was hat das nun alles im Klein- und Mittelstands Segment mit unseren Wandelschuldverschreibungen und Anleihen zu tun? Nun zunächst einmal, muss das KID/BIB vom Emittenten verantwortet und veröffentlicht werden. Und schließlich ist die PRIIPs-Verordnung nach Ablauf der Übergangsfrist seit dem 1. Januar 2023 für alle „komplexeren und variablen“ Kapitalanlagevehikel verpflichtend. In Kurzform: Alle Finanzprodukte, die öffentlich vertrieben werden, also für Privatanleger und semi-professionelle Anleger an der Börse erwerbbar sind, und deren Rückzahlung an die Wertentwicklung eines Basisproduktes oder bestimmter Papiere gekoppelt ist, müssen mit einem BIB unterlegt sein. Das können u.a. Wandelschuldverschreibungen, Anleihen mit variablen Kupons oder Rückzahlungsmodalitäten, Zertifikate (mit Derivaten), aber auch fondsgebundene Versicherungen und Fonds sein.

Bislang wurden die PRIIPs in der gelebten Praxis bei der Begebung eines Finanzierungsinstrumentes, oft schlicht außer Acht gelassen, bzw. deren Notwendigkeit nicht (ausreichend) geprüft und diskutiert. Existiert jedoch kein PRIIP, wird auch kein BIB erstellt und folglich ist kaum ein sinnvoller Handel an der Börse im Zweitmarkt gegeben. Warum? Die regulierende Behörde möchte ja mit diesen Informationen sicherstellen, dass Privatanleger sich VOR dem Kauf ein Bild vom Risiko-Chancen Profil machen und dieses mit dem persönlichen Investitionsprofil abgleichen können. Fehlt nun das BIB, lassen die Banken einen Kaufauftrag für die Börse technisch nicht zu.

Heilung zeit- und kostenintensiv

Das funktioniert wie folgt: Auf Grundlage eines Datenabgleiches bei einem einheitlichen Datenanbieter wird die Existenz der PRIIPs geprüft. Anschließend wird das BIB automatisiert mit dem Risikoprofil des Anlegers verglichen. Fällt das Produkt nicht unter die Risikoklasse des Anlegers, ist ihm der Kauf über die Börse verwehrt. All dies ist für die Depotbank verpflichtend. Privatinvestoren, die Interesse an Wandelschuldverschreibungen haben, sollten deshalb unbedingt ihre persönliche Risikoeingruppierung in Erfahrung bringen und gegebenenfalls im Rahmen eines „Risikogesprächs“ mit ihrer Depotbank anpassen.

Aus unserer Erfahrung heraus ist klar, dass die Mehrheit der Emittenten einen ganz normal funktionierenden Zweitmarkt an einer deutschen Börse wünscht. Umso wichtiger ist es, das Thema PRIIP bereits bei der Strukturierung einzubeziehen. Eine Feststellung der „Nichtzulassung“ für Privatanleger resultiert in vielen Gespräche zwischen Emittenten, Investoren, Rechtanwälten und vor allem der Börse. Zwar ist eine Heilung, also die nachträgliche Erstellung des PRIIPs und des Basisinformationsblattes, möglich, aber in der Regel deutlich kosten- und zeitintensiver. Dieser Prozess muss über viele Tische gehen, die Daten in zwei Datenbanken größtenteils händisch eingespielt werden und zuletzt müssen manche Direktbroker /Banken direkt über die Handelszulassung informiert werden. Das können schnell mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate ins Land gehen und nicht immer fällt den beteiligten Parteien das Problem sofort auf.

Umdenken notwendig

Emittenten sollten deshalb auf die Expertise der begleitenden Bank achten und auch bei einer Privatplatzierung auf professionelles Strukturierungs-Know-how zurückgreifen. Die Aufgabe der Erstellung der notwendigen Dokumente übernimmt die mandatierte Rechtsanwaltskanzlei. Denn klar ist, dass eine „Nichthandelbarkeit“ für bestimmte Anlegergruppen nicht gerade zur Reputation am Kapitalmarkt beiträgt. Zumal Emittenten aus dem KMU-Segment ja sowieso schon mit einem Liquiditätsabschlag umgehen müssen.

Dass die grundsätzlich gut gemeinte Verbraucherschutzverordnung auch negative Begleiterscheinungen hat, zeigen nicht nur unsere Beobachtungen und Gespräche mit Emittenten und Investoren. Auch den Behörden ist dies nicht entgangen. Eine Studie der BaFin aus dem Jahre 2021 belegt, dass Anleger seit dem Inkrafttreten der PRIIP Verordnung 2018 immer weniger strukturierte Unternehmensanleihen und Wandelschuldverschreibungen handeln. Viele Unternehmen erstellen kein Basisinformationsblatt, meist schlicht aus Unkenntnis der Verordnung in Kombination mit möglichen Haftungsrisiken. Im Sinne der Angebotsvielfallt werden einige Strukturierungsformen von BaFin und Finanzministerium in der Auslegung deshalb nicht mehr als PRIIP-notwendig eingestuft. Denn noch eines hat die BaFin-Studie gezeigt: Eigentlich könnten strukturierte Unternehmensanleihen das Portfolio von Kleinanlegern und semi-professionellen Anlegern positiv ergänzen.        

Markus Knoss, BankM AG

Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.

Portraitfoto: BankM AG

Titelfoto: pixabay.com

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