„Fußnote“: KMU-Anleihen – Maßanzug statt Konfektionsware

Ein Blick auf den KMU-Anleihen-Markt von Angela Leser, BankM AG:
Zahlreiche Emittenten sind aktuell am Markt unterwegs und versuchen inmitten der Turbulenzen um US-Wahl, Corona-Impfstoff und Brexit-Ausgang Investoren für ihre Anleihen zu gewinnen. Auffällig dabei: Zwei von drei Unternehmen setzen auf eine Eigenemission. Ein zweischneidiges Schwert. Was für alte Hasen funktionieren kann, endet in anderen Fällen in langen Platzierungsphasen und schwächelnden Kursen. Ein stimmiges Gesamtkonzept ist entscheidend.
Der November ist traditionell eine geschäftige Zeit am Anleihemarkt. Bevor die meisten Investoren im Dezember ihre Bücher zumachen, versuchen viele Unternehmen noch einmal frische Mittel einzuwerben. Da macht auch dieses in vielerlei Hinsicht sehr spezielle Corona-Jahr keine Ausnahme. Eines fällt beim Blick auf die laufenden Emissionen aber doch ins Auge: Die Mehrzahl der Bonds werden in Eigenemission herausgegeben. Ganze zehn Unternehmen vertreiben ihre Wertpapiere ohne Unterstützung einer Emissionsbank, demgegenüber stehen lediglich eine Handvoll begleiteter Transaktionen.
In der Anfangszeit des Marktes für KMU-Anleihen wäre das undenkbar gewesen. Aber früher war es auch üblich, mit großen Teilen des Emissionserlöses Bankdarlehen abzulösen und den Rest in Wachstum zu investieren. In dieser Gewichtung heute unvorstellbar! Ähnliches gilt für die bei Projektierern, vor allem aus dem Sektor Real-Estate, beliebte Übung, Fremdkapital als eigenkapitalersetzendes Instrument heranzuziehen. Der Erfolg dieser Praxis ist heute sehr viel stärker als früher von der Größe, der Bonität und der Kapitaldienstfähigkeit der Unternehmen abhängig.
Der Markt unterliegt also einem stetigen Wandel. So weit so gut, das ist jetzt ja auch nichts wirklich Neues. Aber nicht jeder neue Trend ist auch ein Fortschritt – ich bin seit über acht Jahren als Fixed Income Sales im Bereich KMU-Anleihen tätig und weiß wovon ich spreche. Grund genug, den Trend zur Eigenemission einmal kritisch zu hinterfragen. Warum verzichten denn immer mehr Unternehmen auf die Begleitung einer spezialisierten und erfahrenen Emissionsbank? Klar, ganz ohne Bank geht es sowieso nicht. Mindestens für die banktechnische Abwicklung, die Antragstellung (Börseneinführung) sowie für die Zahlstellenfunktion wird ein entsprechend lizensierter Begleiter benötigt. Aber die Anleihe in ein rechtlich sauberes Kleidchen zu stecken, trauen sich viele selbst zu und das Universum der KMU-Investoren ist ja vergleichsweise klein, jeder kennt jeden. Wozu also eine teure Platzierungsfee zahlen?
Investorentypen
Bei alten Emissions-Hasen wie zum Beispiel Ekosem-Agrar mag das sogar funktionieren. Aber in den meisten Fällen braucht es doch etwas mehr zu einer erfolgreichen Transaktion. Denn ganz so einfach ist es eben doch nicht. Auch am verhältnismäßig überschaubaren Markt für KMU-Anleihen gibt es unterschiedlichste Investorentypen. Angefangen bei den klassischen institutionellen Investoren, gefolgt von kleineren Vermögensverwaltern und Family Offices über die sogenannten High-Net-Worth-Individuals bis hin zur breiten Masse der Retailinvestoren. Und alle haben ganz eigene Dokumentationsanforderungen, Prüfungsansätze und Entscheidungsprozesse.
Nicht jede Transaktion passt zu jedem Investor und umgekehrt. Die richtigen Investoren europaweit zu identifizieren ist eine der Kernaufgaben einer Emissionsbank. Aber damit ist es nicht getan. Im Gegenteil, das ist nicht mehr als der erste Schritt. Kennt die Bank die Investoren aus zahlreichen Transaktionen und unzähligen Gesprächen, kann sie jetzt die gesamte Emission passgenau modellieren. Das Kleid maßschneidern, um im Bild zu bleiben. Welche Strukturierung benötigt der Investor, um überhaupt zeichnen zu dürfen, wie könnte ein marktgängiges Sicherheitenkonzept aussehen, ist eine ESG-Klassifizierung möglich, was wird an Dokumentation benötigt und wie lässt sich die Debt-Story stringent kommunizieren?
All diese Fragen kommen bei vielen Eigenemissionen gefühlt oftmals etwas zu kurz. Ist aber erstmal eine „uninspirierte Erstansprache“ erfolgt, lässt sich der eingeschlagene Weg kaum mehr korrigieren und kann völlig unnötigerweise zu einem Misserfolg der Emission führen. Dadurch ist der Markt verstärkt geprägt von langen Platzierungs- und Zeichnungsfristen, Emissionen werden herumgereicht, wabern im Markt und schaden der positiven Entwicklung des Segments.
Von Anfang an ein konsistentes Gesamtkonzept zu entwickeln, das gleichermaßen auf die Befindlichkeiten von Emittent und Investor abgestimmt ist, verbessert die Erfolgschancen enorm. Das zeigen Beispiele wie JDC, momox oder Schlote. Auch eine positive Kursentwicklung, ausreichend Liquidität und geringe Abschläge bei Abverkäufen lassen sich so leichter realisieren. Davon profitiert am Ende der gesamte Markt für KMU-Anleihen.
Angela Leser, BankM AG

Angela Leser verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Kapitalmarkt als zugelassene Händlerin für europäische Aktien und Renten und begleitete im Bereich Institutional Sales mehr als 50 Kapitalmarkttransaktionen. Seit 2017 ist sie bei der BankM AG im Fremdkapitalbereich tätig.
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