„Fußnote“: KMU-Anleihemarkt braucht Schulterschluss mit allen Marktteilnehmern

Donnerstag, 23. April 2020


Ein Blick auf den KMU-Anleihen-Markt von Markus Knoss:

Angesichts der Corona-Pandemie muss sich der Markt für KMU-Anleihen wieder einmal neu erfinden. Dafür bedarf es einer kritischen Analyse samt eines Schulterschlusses aller Marktteilnehmer. Wir haben sieben Maßnahmen identifiziert, damit das Segment gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgeht. Denn alternative Finanzierungen werden künftig noch wichtiger.

Seit der Debütanleihe des Anlagenbauers Dürr im Jahr 2008, hat der Markt für KMU-Anleihen einiges durchgemacht. Nach großem Anfangserfolg zwischenzeitlich schon für tot erklärt, folgte die erfolgreiche Neuerfindung. Anders als in den Kinderjahren stellten selbst prominente Insolvenzen wie von Alno, Air Berlin oder zuletzt Golfino das Segment als solches nicht mehr in Frage – gestiegenen Qualitätsanforderungen der begleitenden Banken, verbesserter Kommunikation der Emittenten und einer stärkeren Sektor-Differenzierung sei Dank.

Mit der Corona-Pandemie steht diese hart erkämpfte Stabilität aktuell jedoch wieder einmal auf dem Prüfstand. Um das zu sehen genügt ein Blick auf die Spreads zwischen Non-rated-Bonds – dazu zählen die allermeisten KMU-Anleihen – und den vermeintlich sicheren Häfen der Investmentgrade Government Bonds. So stieg der ICE BofA Euro High Yield Index Effective Yield von rund 2,8% Ende Februar auf in der Spitze 7,8% Ende März. Derzeit notiert der Spreadaufschlag bei rund 6%. Im KMU-Segment kommt noch das Liquiditätsrisiko aufgrund geringerer Emissionsvolumina hinzu. Quote-Maschinen algorithmisch-orientierter Wertpapierhandelshäuser vervollständigten das Bild und erklären die enormen Kursverluste und Renditeanstiege – oft ohne nennenswerte Volumina.

Kreditverknappung im Mittelstand

Wer jetzt aber erneut das Ende des KMU-Anleihemarktes ausruft, macht einen Fehler. Schon heute steht fest, dass Basel IV massive negative Einflüsse für die Mittelstandsfinanzierung haben wird wenn der sogenannte Mittelstandsfaktor – Banken müssen Kredite für kleine und mittlere Unternehmen bislang mit weniger Eigenkapital unterlegen – entfällt. Die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat berechnet, dass europäische Banken bis 2027 rund 135 Milliarden Euro mehr Eigenkapital aufbringen müssen, nur um die Mindestanfordernisse umzusetzen. Copenhagen Economics geht sogar von 400-500 Milliarden Euro aus. Eine Folge hieraus sind deutlich erhöhte Kreditpreisangebote für Mittelständler bis hin zur Kündigung/Nichtverlängerung von Finanzierungen. Zwar beginnt die fünfjährige Einführungsphase voraussichtlich erst Anfang 2022, aber die Kreditverknappung wird kommen. Zumal die Corona-Hilfskredite schon heute einen unerwünschten Nebeneffekt haben. Warum sollen Hausbanken aktuell risikobehaftete Unternehmenskredite ausreichen, wenn sie Geld mit Programmen verdienen können, deren Risiko teilweise komplett vom Staat  getragen wird?

In dieser Situation können Mittelständler auf eine alternative Finanzierung über Anleihen nicht verzichten. Im Gegenteil: Der KMU Markt hat die Chance den nächsten großen Schritt zu gehen und endgültig im Erwachsenenalter anzukommen. Wenn nur 3-5 Prozent der berechneten Lücke durch den Anleihemarkt abgedeckt werden sollte, sprechen wir von einer Zunahme der Emissionsvolumina um mehr als 2 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sollte unter normalen Bedingungen mindestens zu einer  Verdopplung, wenn nicht gar zu einer Verdreifachung des öffentlich zugänglichen KMU-Marktes führen. Das wird aber nur gelingen, wenn sich auch der KMU-Anleihemarkt in der derzeitigen Krise kritisch hinterfragt.  Unter den aktuellen Bedingungen ist der Eintritt neuer, bislang am öffentlichen Kapitalmarkt nicht aktiver, Unternehmen schwer umsetzbar. Damit neue Bond-Emittenten den Weg an den KMU-Markt finden, bedarf es schnell eines wirklichen Schulterschlusses aller mittelstandsorientierten Marktteilnehmer.

Entwicklungsstufen für Neustart

Wie könnte solch ein Schulterschluss aussehen und welche Rolle können die jetzt schon aktiven Stakeholder übernehmen und forcieren? Wir haben die folgenden sieben Entwicklungsstufen für einen erfolgreichen Neustart des KMU-Anleihemarktes im Post-Corona-Zeitalter identifiziert:  

1. Bestehende Mittelstandsfonds müssen ihre Kräfte bündeln. Ein höherer Anteil an Clubdeals als Ankerinvestoren wäre zu wünschen. Weitere (Privat)Investoren fühlen sich angesprochen. Dies erhöht die Exekutionswahrscheinlichkeit erheblich.

2. Privatinvestoren müssen stringent von den verantwortlichen Fondsberatern und/oder Fondsmanagern auf dem Laufenden gehalten werden. Dies wird in großen Teilen bereits vorbildlich in Monats-, ja sogar Wochenupdates exerziert.

3. Interessenverbände müssen ihre Kompetenzen koordinieren und verzahnen, um sich ein besseres Gehör bei der gesetzgebenden Legislative zu verschaffen.

4. Aufbau eines Market-Maker-Modells, analog der Designated Sponsor Tätigkeit bei Aktien. Hier sind die begleitenden Banken und die Börsenträger gefragt.

5. Strengere Überwachung und Sanktionierung von ungedeckten Leihverkauf-Positionen oder dubiosen Anleihekaufangeboten. An dieser Stelle sind die Aufsichtsbehörden deutlich stärker gefordert.

6. Kommunikationsagenturen sind schon länger auf den fahrenden Fremdkapitalzug aufgesprungen. Die Abgrenzung von der Gruppe der Eigenkapitalgeber ist aber noch nicht immer scharf genug.

7. Die bestehenden Emittenten müssen die Chance der Öffentlichkeit konsequent nutzen und sich den Investoren noch stärker als bislang öffnen. Dies ist gerade in Phasen, in denen keine Refinanzierung ansteht, enorm wichtig und bereitet das Feld für zukünftige Transaktionen. 

Die skizzierten Einzelmaßnahmen können dazu beitragen, die eingangs beschriebenen Spread-Ausweitungen einzugrenzen, Volatilitäten abzubauen, die Handelsliquidität zu erhöhen und das bestehende Reputationsrisiko des Marktsegments einzudämmen. Solchermaßen verbesserte Bedingungen könnten den ein oder anderen bislang noch zögernden Hidden Champion sicherlich von der Alternative Fremdkapitalfinanzierung über den KMU-Markt überzeugen. Derzeit steht die Ampel kurzfristig auf Gelb. Wird der generelle Weltuntergang hoffentlich bald abgesagt, könnte das Licht aber schnell wieder auf Grün umspringen.

Markus Knoss, BankM AG


Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.      

Weitere „Fußnoten“-Kolumnen:

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Ruhe bewahren und Chancen nutzen

„Fußnote“: Finale furioso – Wie das Börsenjahr 2019 am KMU-Anleihemarkt verlief?

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Ein heißer Herbst

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Erkenntnisse der Herbstkonferenz 2019

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Kommunikation als Bringschuld

„Fußnote“: KMU-Anleihen – All summer long

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Aus Kindern werden Leute

„Fußnote“: Einfacher Rating-Indikator für KMU-Anleihen

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Frühlingserwachen

„Fußnote“: Immobilienanleihen – Lackmustest steht noch bevor

„Fußnote“: KMU-Anleihen – Chancen suchen und finden

„Fußnote“: KMU-Anleihen 2019 – Fels in der Brandung?

Anleihen Finder News auf Twitter und Facebook abonnieren

Twitter
Facebook

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü