„Fußnote“: Inflation auf Dreißigjahreshoch – KMU-Anleihen als Profiteure?

Donnerstag, 21. Oktober 2021



Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Axel Rose, BankM AG:

Die Preise sind in Deutschland im September so stark gestiegen wie zuletzt 1993. Längst gehen nicht mehr alle Ökonomen und Marktbeobachter von einem vorübergehenden Phänomen aus. Sinkende Rentenkurse sind Ausdruck zunehmender Inflationserwartungen. Doch auf der Suche nach (realer) Rendite könnten KMU-Anleihen an Attraktivität gewinnen. Eine selektive Auswahl auf Basis langfristiger Fundamentaldaten ist entscheidend.

Google Trends misst die relative Häufigkeit, mit der Nutzer wöchentlich bestimmte Suchworte eingeben. Ein Begriff hat dieser Tage sein Allzeithoch im seit 2004 laufenden Erfassungszeitraum geknackt: Inflation. Spätestens seit die EZB vergangene Woche den deutschen Monatswert für September offiziell bestätigte, ist das Thema auf die Titelseiten gerückt. Kein Wunder, +4,1% bedeuten die höchste monatliche Teuerungsrate seit Dezember 1993. Zwar beobachten die Märkte den Anstieg schon länger sorgenvoll, doch überwog bislang die Meinung, es handele sich um ein kurzfristiges Phänomen basierend auf Basis- und Sondereffekten. Befürworter dieser Theorie argumentieren mit niedrigen Vorjahreswerten, dem Auslaufen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung, dem Start der CO2-Bepreisung und einem Wiederanstieg der Produktion mit Ende der globalen Lieferengpässe.

Dies ähnelt der offiziellen Kommunikation der Notenbanken. Kurzfristig sei eine Inflationsrate von bis zu 5% möglich, aber 2022 sinke die Teuerungsrate wieder auf rund 2% analog zur neuen geldpolitischen Strategie der EZB. Seit Juli bildet die 2%-Marke keine feste Obergrenze mehr, sondern ein symmetrisches Inflationsziel mit möglichen Abweichungen nach unten und oben. Entsprechend werden auch Zinsschritte vorerst ausgeschlossen. Wobei ein Ende des expansiven Kurses inmitten einer immer noch herrschenden Pandemie mit anhaltender konjunktureller Unsicherheit und gestiegenen Staatsschulden sowieso wenig glaubwürdig wäre.

Erwartete Inflation zieht an

Entscheidend für den Eintritt des prognostizierten Szenarios dürfte sein, inwieweit es gelingt, die Inflationserwartungen im Zaum zu halten. Bislang waren diese trotz steigender Preise relativ solide verankert. Behalten diejenigen Recht, die von andauernden Lieferengpässen, steigender CO2-Bepreisung und zunehmender Deglobalisierung ausgehen und deshalb auch künftig teurere Preise erwarten, könnte sich das jedoch schnell ändern. Schon jetzt rechnen gemäß letztem Bundesbank-Panel rund 80% der Privatpersonen mit zum Teil deutlich steigender Inflationsrate. Der Mittelwert der Erwartungen für die kommenden zwölf Monate liegt mittlerweile bei knapp 4%. Marktnähere Indikatoren wie die Breakeven-Inflationsrate, die sich aus dem Renditeunterschied zwischen normalen und inflationsindexierten Anleihen mit vergleichbarem Risiko und gleicher Laufzeit berechnet, zeichnen ein ähnliches Bild, auch wenn die eingepreisten Inflationserwartungen für die kommenden Jahre immer noch deutlich unter den aktuellen Teuerungsraten liegen.

Besonders im Auge behalten, dürften Vertreter beider Glaubensrichtungen die kommenden Tarifverhandlungen. Bislang waren die Lohnforderungen vor dem Hintergrund der Pandemie noch vergleichsweise verhalten, doch das muss nicht so bleiben. Die Gewerkschaften bringen sich mit Blick auf die jüngsten Inflationsraten jedenfalls schon einmal in Stellung. Eines ist klar: Sollte sich tatsächlich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, werden wir uns an steigende Preise erst einmal gewöhnen müssen.

KMU-Anleihen vergleichsweise attraktiv

Doch was bedeutet die derzeitige Entwicklung für Anleiheinvestoren? Zunächst einmal ist das eingetreten, was zu erwarten war. Die Kurse sind am gesamten Rentenmarkt unter Druck geraten, resultierend in steigenden Renditen. Langfristig könnte dies die Zinsen in die Höhe treiben und die Attraktivität insbesondere von Investment-Grade-Titeln erhöhen. Doch im Moment überwiegt der reale Wertverlust die ohnehin dünnen Renditen in diesem Bereich. Zwar werfen natürlich auch KMU-Anleihen bei steigender Inflation real weniger ab als vorher, könnten als eines der wenigen Segmente, das unter dem Strich noch auskömmliche Renditen verspricht, aber dennoch profitieren. Zumal sie sich gegenüber Investment-Grade-Anleihen gemessen an der Duration auch durch eine niedrigere Zinssensitivität auszeichnen.

Vorsicht gilt vor allem bei Emittenten, die einem besonders hohen Inflationsdruck ausgesetzt sind. Also Unternehmen, die stark von teuren Vorprodukten abhängen, in Branchen mit Mitarbeiterknappheit tätig sind, über wenig eigenen Preissetzungsspielraum verfügen und auf kein langfristiges Finanzierungsgerüst bauen können. Umgekehrt dürften Mittelständler, die ihre Schuldensituation spätestens während der Pandemie in Ordnung gebracht haben und über stabile und nachhaltige Bilanzen verfügen von einer anziehenden Konjunkturerholung stärker profitieren als Emittenten mit höherer Bonität aus dem Investment-Grade-Spektrum.

Das Zauberwort lautet deshalb Selektion. Gute Fundamentaldaten sind die Basis, ein hoher Inflationsschutz die Kür. Interessant bleiben auch Wandelanleihen (siehe letzte Kolumne). Denn während das Risiko-Rendite-Verhältnis bei inflationsbedingt steigender Volatilität für Hochzinsanleihen spricht, eignen sich Aktien auf lange Sicht häufig gut als inflationsgeschützte Anlage. Grundsätzlich gilt: Wer sich auf die Fundamentaldaten konzentriert und bereit ist über kurzfristige Schwankungen hinwegzusehen, kann mit KMU-Anleihen auch bei steigender Inflation gute Renditen erzielen.

Axel Rose, BankM AG

Axel Rose ist seit 2013 bei der BankM AG im Projektgeschäft tätig und hat in dieser Funktion zahlreiche Eigen- und Fremdkapitaltransaktionen begleitet. Als Hausbank für den Kapitalmarkt unterstützt BankM mittelständische Unternehmen mit einem breiten Dienstleistungsspektrum und gehört zu den führenden Banken im Bereich KMU-Anleihen.

Hinweis: Diese Kolumne erschien zunächst in der neuen Ausgabe des Anleihen Finder Newsletters (Oktober-2-2021). Registrieren sie sich kostenlos für unseren Newsletter und seien Sie stets informiert.

Titelfoto: pixabay.com

Portraitfoto: Axel Rose, BankM AG

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