„Fußnote“: KMU-Anleihen – Ruhe bewahren und Chancen nutzen (Update: 18.03.2020)

Mittwoch, 18. März 2020


Ein Blick auf den KMU-Anleihen-Markt von Angela Leser:

Covid-19 beherrschte in den vergangenen Tagen und Wochen die Märkte. Während die Preise für Schutzmasken und Desinfektionsmittel auf einigen Online-Plattformen in schwindelerregende Höhen schossen, ging es an den Wertpapierbörsen in die umgekehrte Richtung. Auch der Markt für KMU-Anleihen konnte sich der negativen Stimmung nicht entziehen. Dennoch gab es auch kleine Lichtblicke und für Bonds mit solider Bilanz könnten sich interessante Einstiegsniveaus ergeben.

Ging es letzte Woche noch vorrangig um Messen, Fußballspiele oder den wöchentlichen Familieneinkauf, hat das neuartige Coronavirus mittlerweile auf alle Lebensbereiche übergegriffen. Kitas und Schulen sind landesweit geschlossen, Grenzen werden zugemacht, teilweise gelten Ausgangssperren. Die Börse macht da keine Ausnahme. Der US Leitindex Dow Jones und der S&P 500 wurden infolge massiver Kursverluste mehrfach ausgesetzt. Trotz zwischenzeitlicher Erholungsversuche zeigt die Tendenz weiter abwärts.

Selbst sogenannte „Quarantäne-Aktien“ können sich der allgemeinen Entwicklung längst nicht mehr entziehen. Vor wenigen Tagen sah das noch ganz anders aus. Papiere von Unternehmen, die von Schutzmaßnahmen profitieren könnten, wie z.B. Amazon, Hellofresh oder Teamviewer, gewannen vorübergehend deutlich an Wert.  Teamviewer-Großaktionär Permira, nutzte den Kurssprung dann auch direkt, um Kasse zu machen. Der Finanzinvestor verkaufte über Nacht 22 Millionen Aktien des schwäbischen Fernsoftware-Herstellers zu je 32 Euro bei institutionellen Investoren. Anfang dieser Woche wurden die Papiere zeitweise zu weniger als 23 Euro gehandelt.

Die „Vola“ am Aktienmarkt geht auch am Anleihemarkt nicht spurlos vorbei.  Die Entwicklung ist dabei zweigeteilt: Langlaufende Staatsanleihen gehören aufgrund der Nachfrage nach sicheren Häfen zu den Kursgewinnern. Die Renditen gingen entsprechend in den Keller.  Mit zwischenzeitlich minus 0,83 Prozent markierte die zehnjährige Bundesanleihe ein Rekordtief. Anfang des Jahres waren es noch „lediglich“ minus 0,18 Prozent gewesen. Dass sonst bereits Tagesveränderungen von 0,05 Prozentpunkten als deutlich gelten, zeigt wie nervös die Märkte aktuell sind.

Anders als bei vermeintlich sicheren Staatsanleihen, machen die meisten Investoren um Unternehmensanleihen dieser Tage einen großen Bogen. KMU-Emissionen, die im vergangenen Herbst noch stark nachgefragt waren, bescheren den Anlegern jetzt  Kursverluste, zumeist im zweistelligen Bereich. So wurde etwa der Automobilzulieferer Schlote trotz gut gefüllter Auftragspipeline abgestraft und auch bei Advisor-Tech-Spezialist Jung DMS & CIE verpufften die guten vorläufigen Zahlen der Konzernmutter JDC. Dabei ist das Geschäftsmodell der Wiesbadener von der Corona-Krise nicht unmittelbar betroffen. Es besteht keine wesentliche Abhängigkeit von Lieferketten oder externen Dienstleistern. Der Ausblick ist unverändert positiv und mit Great-West – einem führenden kanadischen Investor in Finanzdienstleistungen und einem der 20 größten Versicherungskonzerne der Welt – hat JDC zudem ausreichend Kapital im Rücken.

Neuemissionen sind in diesem Umfeld nahezu ausgeschlossen. Aktuell versucht sich die FCR Immobilien AG der herrschenden Unsicherheit zu widersetzen. Die Zeichnungsfrist für die mittlerweile fünfte Anleihe der auf Einkaufs- und Fachmarktzentren spezialisierten Gesellschaft läuft noch bis zum 25. März. Dass ein guter Track-Rekord in der gegenwärtigen Situation nur bedingt weiterhilft, musste zuletzt aber schon die VERIANOS Real Estate AG bei der Emission der ersten Tranche ihrer dritten Unternehmensanleihe feststellen. Schlussendlich konnte die börsennotierte und am Kapitalmarkt bereits erfahrene Gesellschaft trotz heftigem Gegenwind immerhin 4,25 Millionen Euro einsammeln. Auch der NZWL gelang es Ende Februar, den überwiegenden Teil ihrer Aufstockung bei den Investoren zu platzieren. Andere Gesellschaften hatten weniger Vertrauen in die eigene Stärke und sagten ihre Emissionsvorhaben gleich ganz ab.

Dass in unsicheren Zeiten die Taschen zugemacht werden, ist allgemein bekannt. Warum die Reaktion aber auch am KMU-Anleihemarkt so heftig ausfällt, erschließt sich hingegen nicht sofort. Schließlich reden wir hier überwiegend von Buy-and-Hold-Anleihegläubigern, denen es im Gegensatz zu Aktionären primär um regelmäßige Zinserträge und eine pünktliche Rückzahlung am Laufzeitende geht. Geldströme, die insbesondere bei Neuemissionen von der längerfristigen Entwicklung abhängig sind. Ist ein Emittent also nicht gerade in Bereichen wie dem Messebau oder der Tourismusbranche tätig und darüber hinaus bilanziell stabil genug aufgestellt, um vorübergehende Einbußen abzufedern, dürfte solch ein negativer externer Effekt wie das Coronavirus eigentlich keine derart große Rolle spielen.

Doch vielerorts überwiegt aktuell die Panik über die Vernunft. Assetmanager haben keine Chance, wenn ihre Kunden im derzeitigen Marktumfeld „auf Teufel komm raus“ verkaufen wollen. Eine gute Unternehmensbilanz hält vorübergehende Schwankungen aber aus, so dass sich bei der ein- oder anderen KMU-Anleihe interessante Einstiegsniveaus ergeben könnten. Es gilt jetzt umso mehr das, was wir schon immer gesagt haben: Wer bereit ist, sich tiefer mit den einzelnen Geschäftsmodellen, Liquiditätskennzahlen und Bilanzrelationen auseinanderzusetzen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, kann durch eine kluge Auswahl attraktive Renditen erzielen. Neben dem Zinskupon winkt derzeit am Ende auch noch ein satter Kursgewinn.

Zumal die Märkte auf die Unterstützung von Politik und Notenbanken zählen können. Die US-Notenbank FED senkte ihren wichtigsten Leitzins drastisch auf knapp über null Prozent, die EZB verkündete ein Maßnahmenpaket aus höheren Anleihekäufen und Notkrediten für Banken und geht es nach der Bundesregierung, soll kein gesundes Unternehmen durch Corona in Existenznot geraten. Dafür wird die Kurzarbeiter-Regelung angepasst, steuerpolitischen Maßnahmen sollen helfen die Liquiditätssituation zu verbessern und über die KfW werden Milliardenmittel bereitgestellt. „Wir legen alle Waffen auf den Tisch, es gibt keine Grenze nach oben bei der Kreditsumme, die die KfW vergeben kann“, verspricht Finanzminister Olaf Scholz ganz im Stile von Mario Draghis legendärem „whatever it takes…“.

Eine Anleihe können aber alle Finanzhilfen der Welt nicht mehr retten: Die Pandemie-Anleihe der Weltbank. Das 2017 als Reaktion auf die Ebola-Krise erstmals aufgelegte und noch bis Juli 2021 laufende hochverzinste Wertpapier, muss im Falle des Ausbruchs eines sich über ganze Weltregionen ausbreitenden Virus nicht zurückgezahlt werden. Indem die Weltgesundheitsorganisation Corona am 11. März zur Pandemie erklärte, wurde der Ausfall Realität. Die Weltbank kann mit den 320 Millionen Dollar jetzt ärmere Länder im Kampf gegen die Seuche unterstützen.

Angela Leser, BankM AG

Angela Leser verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Kapitalmarkt als zugelassene Händlerin für europäische Aktien und Renten und begleitete im Bereich Institutional Sales mehr als 50 Kapitalmarkttransaktionen. Seit 2017 ist sie bei der BankM AG im Fremdkapitalbereich tätig.

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