„Fußnote“: Fußballanleihen – (K)ein Fall für den Kapitalmarkt
Ein Blick auf den KMU-Anleihen-Markt von Markus Knoss, BankM AG:
Wie viele andere Branchen leidet der Profifußball unter Corona. Leere Stadien führen zu erheblichen Einnahmeausfällen und viele Vereine benötigen dringend frische Liquidität. Mit Werder Bremen liebäugelt jetzt der erste Club offen mit einem KMU-Bond. Emotional besetzte Themen bereichern den Kapitalmarkt, doch ein stabiles Geschäftsmodell sollte Grundvoraussetzung für Anleiheemittenten bleiben.
Erinnern Sie sich noch welche Emittenten sich hinter den Slogans „Treue fest verzinst“, „Unsere Bank für die Zukunft“, „Herz zeichnen“ oder „Das regeln wir unter uns“ verbergen? Richtig, es handelt sich um die Fußballvereine 1. FC Köln, 1. FC Kaiserslautern, FC Hansa Rostock und FC St. Pauli. Ähnlich wie zahlreiche andere Profifußballclubs haben die vier genannten in der Vergangenheit Millionen über die Ausgabe von Fananleihen eingeworben.
Im Gegensatz zu typischen KMU-Anleihen richten sich Fananleihen in Form von Nachrangdarlehen primär an Privatinvestoren, sind in der Regel an keiner Börse notiert und zumeist mit einer vergleichsweise kleinen Stückelung und relativ einfachen Anleihebedingungen ausgestaltet. Auch Schmuckurkunden waren bei vielen Vereinen ein beliebtes Ausstattungsmerkmal. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich so der eine oder andere Euro einsparen ließ, weil nicht alle Fans die Urkunden am Ende wieder einlösten.
Mit seiner Anleihe an die Börse getraut, hat sich bislang nur der FC Schalke 04. Dafür sind die Knappen im Frankfurter Freiverkehr seit 2016 gleich doppelt vertreten: Mit fünf Jahren Laufzeit und 4,25% Kupon im Basic Board sowie mit sieben Jahren Laufzeit und 5,00% Kupon im Qualitätssegment Scale. Das kumulierte Emissionsvolumen beträgt 50 Millionen Euro. Doch schon bald könnte das „königsblaue Wertpapier“ Gesellschaft bekommen. „Es ist unsere Sorgfaltspflicht, unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen“, ließ Klaus Filbry, Finanzgeschäftsführer des finanziell angeschlagenen Traditionsvereins Werder Bremen kürzlich verlauten. Im Raum steht eine Mittelstandsanleihe von 15 bis 20 Millionen Euro.
Eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen
Als allerletzte Option wird aber auch eine Fananleihe nicht komplett ausgeschlossen. Dabei galt dies in Bremen bislang als Tabu. Kein Wunder, ist die Geschichte der Fananleihen doch von zahlreichen Misserfolgen geprägt. Arminia Bielefeld, 2006 einer der Vorreiter, bekam 2011 einen Teil der für den Stadionumbau aufgenommenen Mittel von den Fans gestundet. Bei Alemannia Aachen musste die Stadt mit einer 5,5-Millionen-Euro-Bürgschaft einspringen, um die Rückzahlung der 2008 herausgegebenen „Tivoli-Anleihe“ zu sichern. Beim 1. FC Kaiserslautern und dem HSV flossen die Mittel nicht wie beworben in das jeweilige Nachwuchszentrum, sondern versickerten im laufenden Betrieb. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, aber das würde den Rahmen der Kolumne sprengen.
Die Logik dahinter ist einfach. In aller Regel ist es die pure wirtschaftliche Not, die aus Fußballvereinen Anleiheemittenten macht. Es gehen eben nicht Bayern München, Borussia Mönchengladbach oder der SC Freiburg an den Anleihemarkt, sondern Vereine wie Duisburg, Kaiserslautern oder Rostock, denen das Wasser zum Emissionszeitpunkt teils bis zum Hals stand. So wie jetzt bei Werder Bremen. Für das Geschäftsjahr 2019/20 wird ein Rekord-Minus von 23,7 Millionen Euro kolportiert, das Eigenkapital steht dem Vernehmen nach mit fast -16 Millionen Euro auf der falschen Seite.
Sportliche Ergebnisse sind kaum planbar
Um in eine Anleihe mit diesen Zahlen zu investieren, muss die Liebe schon sehr groß sein. Sieht man Fananleihen als verzinste Spende mit der leidenschaftliche Fans ihrem Herzensverein helfen und von besseren Zeiten träumen können, ist das auch vollkommen in Ordnung. Der KMU-Anleihemarkt hat die Zeiten, in denen die Strahlkraft eines Markennamens für eine erfolgreiche Platzierung ausgereicht hat, aber lange hinter sich gelassen. Heute überwiegen professionelle Investoren, die jede Anlageentscheidung einer intensiven Due Diligence unterziehen. Emittenten müssen überzeugende Zahlen vorlegen und über ein stabiles Geschäftsmodell verfügen.
Genau hier hakt es aber bei den meisten Fußballvereinen. Nur ganz wenige Clubs verfügen über die für einen Anleiheemittenten notwendige Planungssicherheit. Denn ob Fernsehgelder, Sponsoring, Merchandising oder Zuschauererlöse – alle Einnahmen sind in hohem Maße vom sportlichen Erfolg abhängig. Dieser steht aber oft auf tönernen Füßen. Der Faktor Glück spielt eine wichtige Rolle, sei es mit Blick auf Verletzungen, Transfers oder Schiedsrichterentscheidungen. Manchmal hängen Auf- und Abstieg oder die Teilnahme am internationalen Geschäft am Ende an einer einzelnen Aktion. Stellt sich der Erfolg aber nicht wie gewünscht ein, können die Finanzen schnell in Schieflage geraten.
Wie hoch das Risiko ist, zeigt ein Blick auf die fünfjährige Schalke-Anleihe, die im Juli fällig wird. Mitte Dezember fiel der Kurs bis auf 85 Prozent, gleichbedeutend mit einer Rendite von etwa 35 Prozent. Mittlerweile notiert das Papier zwar wieder bei rund 95 Prozent, mehr als 17 Prozent Rendite sind aber immer noch ein deutliches Zeichen dafür, dass Fußballanleihen in der Regel nicht risikoadäquat verzinst werden.
Der Kapitalmarkt wird vielfältiger
Doch nicht nur für Fußballfans steht die Rendite nicht immer an erster Stelle. Auch anderswo hat ein Umdenken eingesetzt. Motive wie Nachhaltigkeit, Verantwortungsbewusstsein oder Partizipation gewinnen bei Anlageüberlegungen allgemein an Bedeutung. Corona beschleunigt diese Entwicklung und die digitalen Medien tragen ein Übriges bei. Von Klimaschutz über gesunde Ernährung bis zu gerechter Bildung entstehen „Fanclubs“ für alle möglichen Bedürfnisse. So begleiten wir bei BankM derzeit die Internationale Schule Augsburg (ISA) beim Börsengang der ersten gemeinnützigen Deutschen Bildungsaktie. Mit dem Börsengang und dem damit verbundenen Ausbau ihres Schulangebots, möchte die ISA ihre Rolle als wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region Augsburg/München weiter ausbauen und zur Gewinnung von stark nachgefragten Experten beitragen.
Das positive Echo bestätigt, dass auch gemeinnützige Gesellschaften einen Platz am Kapitalmarkt finden können. Wie der Kapitalmarkt insgesamt an Facettenreichtum gewonnen hat – und das bei Unternehmen und Investoren gleichermaßen. Gerade Privatanleger sind aktuell auf dem Vormarsch. Das ist eine tolle Entwicklung, die nicht durch vermeidbare Pleitefälle aufs Spiel gesetzt werden darf. Alle Akteure am KMU-Anleihemarkt sollten deshalb umso mehr darauf achten, den Professionalisierungsprozess der vergangenen Jahre fortzusetzen und die Anforderungen an Emittenten und deren Geschäftsmodelle hochzuhalten. Auch wenn dies bedeutet, dass Fußballvereine weiterhin Fananleihen statt Unternehmensanleihen begeben müssen.
Markus Knoss, BankM AG
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.
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