„Fußnote“: Anleiherückkauf – Schuldenmanagement und mehr

Dienstag, 13. Dezember 2022


Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:

Demire, Vonovia, K+S. Gleich drei Emittenten kauften Ende November eigene Anleihen zurück. Gerade wenn die Kurse, wie aktuell immer noch vielfach der Fall, unter pari liegen, kann das eine interessante Option sein. Je näher der Fälligkeitstermin der bestehenden Anleihe und je unsicherer die Refinanzierung, sollte aber auch eine Restrukturierung geprüft werden.

„Der Morgen stirbt nie“, schrieb ich in meiner letzten Kolumne „Ein Quantum Trost“. Und tatsächlich: Die Inflationsrate war im November erstmals in diesem Jahr leicht rückläufig und die Jahresendrally hat auch den Markt für KMU-Anleihen erfasst. Für Entwarnung ist es allerdings noch zu früh. Diese Woche stehen weitere Zinsentscheidungen an, Investoren sind nervös und Emittenten bangen um ihre Reputation. Sich einfach bis zur Endfälligkeit in den Winterschlaf zu verabschieden, ist in den meisten Fällen nicht die Lösung. Wenn überhaupt funktioniert das sowieso nur mit ausreichend Winterspeck in Form solider Bilanz- und Finanzkennzahlen. Und selbst dann lohnt es sich, alle Handlungsoptionen sorgfältig zu prüfen.

Das müssen längst nicht nur Abwehrstrategien sein, vielmehr können sich auch Chancen eröffnen. So bieten Kurse unter pari eine günstige Gelegenheit, einen Teil der ausstehenden Anleihe(n) zurückzukaufen. Erst kürzlich gab die Demire Deutsche Mittelstand Real Estate AG den Rückkauf von EUR 50 Mio. ihrer Anleihe 2019/2024 bekannt. Der ausstehende Nominalwert verringerte sich dadurch auf EUR 550 Mio. Der Preis wurde unter Berücksichtigung der Marktbedingungen festgelegt und belief sich im Durchschnitt auf einen Kurswert von 72. Vor einem Jahr noch annähernd zu pari notiert, war der Bond bis Mitte November auf 62 gefallen. Begründet wurde die Transaktion als Teil der fortlaufenden Liquiditätssteuerung.

Kurz zuvor hatte bereits die Bochumer Vonovia ihr Rückkaufprogramm abgewickelt. Der Immobilienkonzern nutzte vorhandene Barmittel sowie den Erlös aus einer aktuellen Neuemission, um im Rahmen seines Schuldenmanagements Anleihen mit Fälligkeit 2023 und 2024 im Gesamtvolumen von EUR 1 Mrd. zurückzukaufen. Bei Düngemittelhersteller K+S dienten die Inhaber der ausstehenden Schuldverschreibungen mit Fälligkeit im Jahr 2024 bis zum Ende der Angebotsfrist am 29. November Anleihen im Nennwert von EUR 116,4 Mio. zum Rückkauf an. Die Kasseler wollten so die vorhandenen Barmittel proaktiv nutzen, um die Bilanzstruktur zu optimieren.  Durch die Reduzierung der Bruttoverschuldung spart K+S Zinskosten in Höhe von mehr als fünf Mio. Euro, Standard & Poor’s hob im Zuge der Transaktion das Rating von BB auf BB+ an.

Signal der Stärke

Obwohl Schuldenmanagement wahrscheinlich der am häufigsten genannte Grund für einen Anleiherückkauf ist, können auch andere Überlegungen eine Rolle spielen. Anleihen zurück zu erwerben ist ein Signal der Stärke und kann dazu beitragen Vertrauen wiederzuerlangen.

Dies dürfte zum Beispiel die Credit Suisse im Sinn gehabt haben, als die skandalgeplagte Schweizer Großbank Anfang Oktober bekanntgab, Schuldpapiere im Wert von bis zu drei Milliarden Franken zurückkaufen zu wollen. Zuvor hat eine Ratingagentur von zunehmenden Risiken gesprochen was zu Spekulationen um die Liquidität der Bank und fallenden Kursen auch der Aktie geführt hatte. Zumindest kurzfristig war der Schritt erfolgreich, die Kurse zogen zwischenzeitlich deutlich an.

Das Vorgehen erinnerte viele Beobachter an die Situation der Deutsche Bank vor einigen Jahren. Auch dort waren Sorgen um die Ertragskraft 2016 der Auslöser für ein großangelegtes Anleiherückkaufprogramm zu Kursen unter Nennwert. Obwohl sich die Resonanz in Grenzen hielt, war ein Ergebnisbeitrag von über EUR 55 Mio. die Folge. Zusammen mit der Verringerung der Verschuldung stärkte dies die wichtige Eigenkapitalquote und resultierte unter anderem in einer Verbilligung der Kreditausfallversicherungen. Marktbedingungen auszunutzen, um Schulden zu attraktiven Preisen zurückzukaufen, kann also durchaus sinnvoll sein.

Viele Varianten möglich

Investoren in einem schwierigen Markt Liquidität zur Verfügung stellen zu wollen, war damals übrigens ein weiterer angeführter Grund, der für den KMU-Markt sicherlich mindestens genauso relevant ist. Auch BankM befindet sich derzeit mit Emittenten über die Möglichkeit eines Anleiherückkaufs im Austausch. Dabei sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar. Gängigster Weg ist die Durchführung eines öffentlichen Rückkaufangebots. Ein einfaches Rückkaufprogramm über die Börse schließt sich in der Realität hingegen praktisch aus. Erstens ist der Kursmanipulation Tür und Tor geöffnet und zweitens könnte die aufgrund ihrer Kleinteiligkeit – erlaubt sind maximal 25% des täglichen Volumens – speziell im KMU-Segment zeitraubende Safe-Harbour-Regelung (Verordnung EG 2273/2003) Anwendung finden.

Alternativ können Emittenten mit einzelnen verkaufswilligen Investoren auch bilaterale Rechtsgeschäfte eingehen. Ebenfalls denkbar ist ein Erwerb von Anleihen durch einen Dritten, meist aus dem Friends&Family-Umfeld. Selbstverständlich sind dabei die Themen Gleichbehandlungsgebot und Insiderregulatorik entsprechend zu beachten. Wirtschaftlich Berechtigter ist und bleibt in diesem Fall jedoch der Käufer mit allen (steuer)rechtlichen Folgen. Weil keine Konfusion, also keine Vereinigung von Schuldner und Gläubiger stattfindet, erlischt die Forderung anders als bei den zuvor aufgeführten Optionen nicht. Ein Teil der zuvor aufgeführten positiven Effekte fällt dadurch weg. Sofern die Anleihebedingungen dies vorsehen, kann auch eine vorzeitige Kündigung praktikabel sein. Nachteil: Die Abwicklung erfolgt üblicherweise zu einem Aufschlag auf den Nennwert. Dafür ist der Emittent nicht auf die Andienung der Investoren angewiesen.

Faust- und Bauernregeln

Königsdisziplin ist die komplette Restrukturierung der Anleihe. Von der Laufzeitverlängerung über eine Zinssatzanpassung bis hin zu einer Teilrückzahlung oder einer Bedienung in Tranchen ist hier mit der notwendigen Unterstützung durch eine Gläubigerversammlung vieles möglich. Dabei sollten Emittenten rechtzeitig alle Optionen sorgfältig durchspielen und dabei auch die Sichtweise der Gläubiger einbeziehen. Vorbild ist hier die Restrukturierung der VEDES Anleihe 2017/2022. Klar ist aber auch, dass es den einen Weg nicht gibt, sondern es immer auf den Einzelfall ankommt. Umso wichtiger ist ein erfahrener Bankpartner an der Seite.

Als Faustregel ist aus unserer Sicht bei einer Restlaufzeit von mehr als 1,5 Jahren das öffentliche Rückkaufangebot zumeist Mittel der Wahl. Ist der Fälligkeitstermin näher, sollte über eine Restrukturierung nachgedacht werden. Und vielleicht sprechen wir ja auch schon bald wieder über Neuemissionen. Die folgende Bauernregel könnte schließlich auch für den Kapitalmarkt gelten: „Wenn der November blitzt und kracht, im nächsten Jahr der Bauer lacht.“

Markus Knoss, BankM AG

Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.

Portraitfoto: BankM AG

Titelfoto: pixabay.com

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