„Fußnote“: Die Suche nach dem richtigen Zins

Dienstag, 24. Mai 2022


Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:

Wo liegt der faire Kupon und was sind die Alternativen? Das ist aktuell die große Preisfrage am Markt für KMU-Anleihen. Herrscht an der Oberfläche noch verdächtige Ruhe, ist der Anpassungsprozess unterschwellig in vollem Gange.

„Emittenten und Investoren müssen der neuen Komplexität Rechnung tragen.“ Was ich in meiner letzten Kolumne so einfach in den Raum gestellt habe, erfordert in der Praxis einen längeren Anpassungsprozess. Im Mittelpunkt steht dabei die Preisfindung. Während Investoren seit geraumer Zeit auf höhere Kupons pochen, sind Emittenten vielfach noch nicht bereit, diese auch zu bezahlen. Im Ergebnis fällt das Transaktionsgeschehen im bisherigen Jahresverlauf doch sehr überschaubar aus. Statt Anschlussfinanzierungen dominieren Restrukturierungsmaßnahmen und gelegentliche kleinere Eigenemissionen. Einzige Ausnahme sind Green-Bonds, die angesichts der Dringlichkeit zu mehr Energieeffizienz sowie einer möglichst unabhängigen und dezentralen Energieversorgung eine Sonderstellung einnehmen. Aber auch hier bleibt abzuwarten, ob die Investoren Kupons zwischen 4% und 7% weiterhin akzeptieren. Die laufenden Emissionen von Actaqua, Eusolag oder reconcept dürften nähere Hinweise liefern.

Denn aktuell sind wir historische Zeugen eines in dieser Rasanz nie dagewesenen Zinsanstiegs. Kommend von +1,50% Ende 2021, notiert die zehnjährige US Treasury Anleihe derzeit bei rund +3,0%. Doch die Entwicklung beschränkt sich längst nicht mehr auf den Dollar-Raum. In Deutschland ist der Trend ähnlich, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau: Lag die zehnjährige Bundesanleihe noch Ende 2021 bei -0,20% Rendite, so notiert sie am 6. Mai bei +1,14%. Dies markiert den höchsten Renditestand seit 2014. Noch extremer sieht es in anderen Ländern des Euroraums aus. Die zehnjährigen Frankreich OATs liegen aktuell bei +1,65% (Ende 2021 knapp +0,20%) und die zehnjährige Italienische Staatsanleihe liegt bereits wieder bei +3,0% (Ende 2021 +1,15%).

Spreads weiten sich aus

Was für außenstehende Betrachter des Finanzmarktes harmlos erscheinen mag, ist für die Anleiheprofis eine Zinswende in bislang historischem Ausmaß. Die positive Seite der Medaille ist, dass mit der lang erwarteten und zwischenzeitlich kaum noch für möglich gehaltenen „Zeitenwende“ am Zinsmarkt eine Entlastung und Stabilisierung der Banken- und (Renten-)Versicherungsbilanzen einhergeht. Die negative Seite ist die Refinanzierungsseite der privaten Haushalte und der Unternehmen. Diese müssen sich auf deutlich teurere Kredite einstellen, was eine Margenverschlechterung bedeutet und weiteren Inflationsdruck auslösen kann. Institutionelle Investoren hingegen, haben erstmals seit vielen Jahren wieder die Möglichkeit ohne „EZB-Druck“ in staatsgarantierte Anleihen mit einer positiven Zinsmarge zu investieren. Banken und Versicherungen im Euroraum müssen dies nicht einmal mit haftendem Eigenkapital unterlegen (SolVa 0), somit sollte deutlich mehr Kapital in Staatsanleihen allokiert werden.

Den negativen Ausfluss bekommen mittelständische Emittenten quer durch das Spektrum am KMU-Markt gerade deutlich zu spüren. Verstärkend hinzu kommt noch die in Zeiten von großer Unsicherheit und Krisen übliche überproportionale Spread-Ausweitung. Dies lässt sich derzeit in einer Verschiebung des Zinsspreads zwischen risikolosen Staatspapieren und risikobehafteten liquiden Unternehmensanleihen im Ratingbereich A-BBB schön ablesen. Der Markit iTraxx Europe 10 Jahres Index notiert aktuell bei knapp 1,30% Spread-Aufschlag auf die zehnjährige Bundesanleihe. Im Dezember 2021 notierte der Index noch bei 0,80%.

Finanzierungskosten in 6 Monaten um 1,5% bis 2,5% gestiegen

Darüber hinaus kommen bei KMU-Anleihen noch zwei weitere Faktoren erschwerend hinzu: Erstens das gestiegene Kreditrisiko und zweitens das Liquiditätsrisiko (Handelbarkeit der Anleihe). Die für die üblichen Unternehmensanleihen im KMU-Segment als Referenz wichtige fünfjährige Bundesobligation stieg seit Jahresanfang um einen vollen Prozentpunkt. Zusammen mit der beschriebenen Spread-Ausweitung verteuerte sich der Finanzierungsaufwand im 5-Jahres-Bereich innerhalb von weniger als 6 Monaten damit um mehr als 1,50 Prozentpunkte. Realistischer ist unter Hinzuziehung des höheren Kredit- und Liquiditätsrisikos bei KMU Anleihen ein Anstieg um 2,50%. Gemäß dieser Ableitung müsste also ein Kupon für die idealtypische, unbesicherte 5-Jahres-Unternehmensanleihe im Emissionsbereich bis EUR 100 Mio. zwischen 8,0% und 9,5% liegen.

Wer nicht über ausgeprägte Alleinstellungsmerkmale oder handfeste Sicherheiten verfügt, benötigt also ein Geschäftsmodell, das diese Zinsen bedienen kann. Dies dürfte das Universum am KMU-Markt in den kommenden Wochen und Monaten deutlich einschränken. Zumal wie eingangs beschrieben auch diejenigen, die ausreichend Cashflows erwirtschaften, vielfach noch nicht bereit sind, sich auf die veränderten Bedingungen einzulassen. Dies geschieht meist erst, wenn der Finanzierungsdruck zu hoch wird, was eine erfolgreiche Platzierung in der Regel nicht einfacher macht. Ein Blick auf die (jüngere) Vergangenheit zeigt, dass Veränderungen im Wettbewerbs- oder Finanzumfeld für endfällige Anleihen ein hohes Liquiditätsrisiko bedingen, weil sich Pläne jederzeit zerschlagen oder zumindest verzögern können.

Flexibilität ist gefragt

Doch welche Handelsoptionen ergeben sich aus der veränderten Ausgangslage? Unbestritten ist und bleibt der Kapitalmarkt für den Mittelstand eine attraktive und sinnvolle Finanzierungsoption, gerade unter Einbezug von Publicity-Gesichtspunkten. Sich eingleisig auf eine Plain-Vanilla-Emission festzulegen, halten wir aktuell jedoch nur dann für sinnvoll, wenn das Sicherheitenkonzept stimmig ist, das fundamentale bilanzielle Rahmenwerk passt und die operativen Margen mindestens konstant kalkulierbar, besser noch ausbaubar sind. Eine interessante Option ist sicherlich die Wandelanleihe, am besten als Pflichtwandler. Dies hat den Vorteil, dass die Bilanzkennziffern weniger belastet werden und das anfängliche Fremdkapital in Eigenkapital gewandelt wird. Die sehr flexiblen Strukturierungsmöglichkeiten dieses Vehikels sind ebenfalls von Vorteil.

Auch der klassische IPO (oder weniger kompliziert und kostensparender das reine Listing) an einer deutschen Börse sollte zumindest in Betracht gezogen werden. Insbesondere von Unternehmen mit klarer Expansionsstrategie. Die Vorteile liegen hier durch die volle Eigenkapitalfinanzierung auf der Hand. Im Einzelfall können auch spezielle Kreditfinanzierungen über Banken oder alternative Fremdkapitalgeber in Frage kommen. Flexibilität und Strukturierungs-Know-how sind mehr denn je erfolgskritische Parameter. Mittelständler benötigen Partner, die nicht auf bestimmte Transaktionen fixiert sind, sondern mit Überzeugung hinter dem Geschäftsmodell ihrer Mandanten stehen und dafür unvoreingenommen die beste Finanzierungslösung suchen und finden.

Eines gilt jedoch auch in diesen unsicheren Zeiten, ganz gleich welches Kapitalmarktvehikel am Ende gewählt wird: Die Liquiditätssituation der Investoren ist unverändert sehr hoch. Allerdings hat sich das Chancen-Risiko-Profil bei Neuemissionen deutlich zugunsten des Investors verbessert und dazu ist der Druck in Real Assets zu investieren sichtbar höher als noch im letzten Jahr.

Markus Knoss, BankM AG

Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.

Titelfoto: pixabay.com

Portraitfoto: Markus Knoss, BankM AG

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