„Fußnote“: Viele hell klingende Töne und ein Ende in Moll

Dienstag, 30. November 2021


Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:

Der Advent ist nicht nur die Zeit für Kerzenschein und Plätzchenduft, sondern auch für Jahresrückblicke und Zukunftsprognosen. Da darf der Markt für KMU-Anleihen natürlich nicht fehlen. Auch wenn der Schlussakkord in Moll erklingt, präsentierte sich das Segment 2021 allen Widrigkeiten zum Trotz lange Zeit sehr stabil. Wesentliche Trends werden uns voraussichtlich auch 2022 begleiten.

Am Black-Friday purzelten nicht nur bei Einzelhändlern und E-Commerce-Plattformen die Preise. Auch am Kapitalmarkt ging es kräftig bergab.  Auslöser war mit B.1.1.529 kein Rabattcode, sondern  eine neue, als besorgniserregend eingestufte Corona-Variante.  Angesichts der bereits zuvor angespannten Pandemielage, steigt die Angst vor einem neuen Lockdown mit drastischen Einschränkungen auch für die Wirtschaft und lässt Investoren die Risiken für ihre Depots deutlich reduzieren. Das bekamen auch die KMU-Anleihen zu spüren. Einzelne Werte verloren in der Spitze 20 bis 30 Prozentpunkte, der GBC-Mittelstandsanleihenindex fiel auf den niedrigsten Stand im gesamten Jahr.

Dabei zeigte sich das Segment lange Zeit überraschend immun gegenüber der Pandemie. Entgegen der Befürchtungen vieler Kritiker gingen die zweite und dritte Welle mehr oder weniger spurlos vorüber, eine neue Normalität stellte sich ein. Segmententwicklungen wurden analysiert und Risiken neu adjustiert. Klare Hinweise für den Reifeprozess, den der KMU-Markt in den vergangenen Jahren durchlaufen hat. Alte Bekannte und spannende Neulinge nutzten das Sentiment für erfolgreiche Emissionen und während die Infektionszahlen munter schwankten, präsentierten sich die Kurse erfreulich stabil.

Erstes Halbjahr hui

Insbesondere das erste Halbjahr übertraf die Erwartungen. Mehr Emissionen, deutliche Zuwächse bei Platzierungsvolumen und Platzierungsquote, verbesserte Transparenz und keine Ausfälle. Natürlich spielten im Vorjahresvergleich gewisse Aufholeffekte eine Rolle, aber unter dem Strich bestätigte sich, dass Anleihen aus dem Finanzierungsbaukasten des Mittelstandes nicht mehr wegzudenken sind und gerade in unsicheren Zeiten eine wichtige Ergänzung zur Bankenfinanzierung darstellen. Ungeachtet von Kontaktbeschränkungen, Lieferengpässen und steigenden Materialpreisen gingen die durchschnittlichen Kupons anders als zu Jahresbeginn prognostiziert sogar leicht zurück.

Auch auf der Investorenseite ist das Feld breiter geworden. Neue SME-Fonds verbreitern den Kern der langjährigen, hochprofessionellen Community. Und im privaten Spektrum wächst eine neue Anlegergeneration mit einer stärkerer Risikoneigung und hoher Technologieaffinität heran. Schade ist nur, dass sich die Hoffnung auf eine zusätzliche Belebung durch WSF-Bonds – Unternehmensanleihen mit Staatsgarantie – nicht erfüllt hat. Dass der Bund selbst bei entsprechenden Anträgen trotz höherer Kosten für die Kreditnehmer und höherer Risiken für den Steuerzahlen lieber Nachrangdarlehen vergibt, verrät viel über die Stellung des Kapitalmarkts in Deutschland. Ob sich dies unter der kommenden Regierung ändert bleibt abzuwarten, zumindest gibt es Bestrebungen für mehr private Investitionen und eine kapitalmarktbasierte Altersvorsorge.

In der zweiten Jahreshälfte trübte sich dann das gesamte Wirtschaftsumfeld immer mehr ein. Die Lieferengpässe weiteten sich aus, Produktion und Investitionstätigkeit gingen deutlich zurück und die steigenden Material- und Rohstoffpreise resultierten zuletzt in der höchsten Teuerungsrate seit 30 Jahren. Das ifo Institut spricht von einer „Flaschenhals-Rezession“ und schätzt die bislang durch Lieferengpässe ausgelösten Wertschöpfungsverluste in der deutschen Industrie auf knapp 40 Milliarden Euro. Wenig verwunderlich wurde die Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2021 von 3,7 Prozent im Frühjahr auf 2,4 Prozent im Herbst reduziert.

Zweites Halbjahr durchwachsen

Das Szenario einer drohenden Stagflation ging auch am KMU-Markt nicht spurlos vorbei. Die Transaktionstätigkeit war im zweiten Halbjahr sichtbar rückläufig. Gerade einmal sechs Emissionen gab es bis Ende November – rund ein Drittel dessen, was in den ersten sechs Monaten gezählt wurde.  Dennoch haben Emittenten wie Photon Energy oder Neue ZWL gezeigt, dass erfolgreiche Transaktionen weiterhin möglich sind. Selbst die parallel bekannt gewordene Eyemaxx-Insolvenz konnte daran nichts ändern. Gleichwohl hat die Pleite den Markt spürbar getroffen. Zumal die VST Building zwischenzeitlich folgte.

Dass beide Gesellschaften ein Sanierungsverfahren nach österreichischem Recht beantragt haben, trägt nicht zur Glättung der Wogen bei. Ein Jahresendspurt, ähnlich wie wir ihn 2020 erlebt haben, ist unter diesen Umständen schwer vorstellbar. 2022, wenn die Infektionszahlen hoffentlich wieder sinken und die Märkte sich beruhigt haben, dürfte das Emissionsfenster aber wieder aufgehen. Wir erwarten dabei eine Fortsetzung der wesentlichen Trends des laufenden Jahres:

  • Folgeemissionen bekannter Emittenten mit transparenter Mittelverwendung werden gut aufgenommen.
  • Klimaschutz und Energiewende sind auf mittelständische Technologien und private Investitionen angewiesen; die Nachfrage nach Green Bonds bleibt deshalb hoch, allerdings werden die ESG-Kriterien stärker auf den Prüfstand gestellt als in der Vergangenheit.
  • Immobilienanleihen haben einen schweren Stand und werden je nach Subsektor nur sehr selektiv nachgefragt.
  • Wandelanleihen erfreuen sich aufgrund ihrer flexiblen Gestaltung und ihres hybriden Charakters im aktuellen Umfeld hoher Beliebtheit.
  • Das Sicherheitsbedürfnis der Investoren ist in der Pandemie gewachsen; Bilanz, Cashflow und Handelsliquidität müssen den gestiegenen Anforderungen genügen.

Spannend ist die Frage, wie sich die Kupons entwickeln werden. Hohe konjunkturelle Unsicherheit, bleibende Inflation und der jüngste Kursverfall sprechen grundsätzlich für einen Anstieg des Zinsniveaus. Dagegen spricht, dass die Notenbanken sich in eine Lage manövriert haben, die eine Leitzinserhöhung selbst bei anhaltend hoher Teuerung quasi ausschließt.  Zudem müssen die Unternehmen die Zinsen auch erwirtschaften können. Bei steigenden Kuponerwartungen werden sich gerade etablierte Emittenten jedoch anderen Finanzierungsarten zuwenden. So hat die FCR Immobilien AG gerade ein erstes Schuldscheindarlehen  platziert. Verzinst wird das Ganze mit 3,4 Prozent.

Refinanzierungsbedarf rechtzeitig strukturieren

Wahrscheinlich ist, dass in Zukunft noch stärker als schon heute die Qualität des Emittenten ausschlaggebend für den Kupon ist. Die Bandbreite nimmt dabei tendenziell zu, darauf deuten zumindest die jüngsten Vergütungen für die Bonds von IuteCredit und Eleving hin. Eine Möglichkeit, das gestiegene Sicherheitsbedürfnis der Investoren auch ohne ausgeklügeltes Sicherheitenkonzept mit den Bilanzrestriktionen der Emittenten in Einklang zu bringen, sind Wandelanleihen. Schon dieses Jahr hat die Zahl der hybriden Finanzierungen deutlich zugenommen.

Weniger Plain-Vanilla-Bonds bedeuten auch weniger Eigenemissionen. Strukturierungs- und Platzierungs-Know-how ist im aktuellen Marktumfeld unverzichtbar. Gerade mit Blick auf die Refinanzierung der in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres auslaufenden Debütanleihen ist es wichtig, frühzeitig intelligente Konzepte zu entwickeln. Damit der Black Friday 2022 wieder dem Warenhandel vorbehalten bleibt.

Markus Knoss, BankM AG

Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.

Titelfoto: pixabay.com

Portraitfoto: Markus Knoss, BankM AG

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