„Fußnote“: Wirtschaftsstabilisierungsfonds – Garantierte Anleihen als neue Assetklasse für Mittelständler?

Dienstag, 9. Juni 2020


Ein Blick auf den KMU-Anleihen-Markt von Thomas Stewens, BankM AG:

Der Markt für KMU-Anleihen erwacht langsam wieder aus dem Corona-Koma. Transaktionen wie Pentracor zeigen, dass Emissionen zumindest für von der Krise nicht negativ betroffene Unternehmen wieder möglich sind. Für alle anderen könnte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) Chancen eröffnen. Das 600 Milliarden Euro Programm des Bundes soll in Kürze starten und setzt vor allem auf staatsgarantierte Anleihen.

Allein im April emittierten Konzerne quer durch Europa Anleihen in einem Volumen von 67 Milliarden Euro, um in der Krise ihren Liquiditätsbedarf zu decken. Doch Zugang zum Markt hatten überwiegend Firmen mit guter Bonität, einem Investmentgrade-Rating. Am KMU-Anleihemarkt stand das Emissionsgeschehen für mehrere Wochen hingegen mehr oder weniger still. Das beginnt sich jetzt langsam wieder zu ändern. Das zeigen aktuelle Transaktionen wie Pentracor. Das Medizintechnikunternehmen aus Brandenburg vermarktet u.a. einen Therapieansatz für Corona-Patienten und gehört damit im aktuellen Umfeld zu den Gewinnern.

Denn wie in jeder Krise, lassen sich die Unternehmen aktuell sehr grob in drei Gruppen einteilen. Einige wenige Marktteilnehmer profitieren von der Krise, ein Teil ist kaum oder nur indirekt betroffen und dann gibt es noch die Unternehmen, die starke Auswirkungen verspüren. Zu Beginn der Krise war nicht sofort ersichtlich wer zu welcher Gruppe gehört. Entsprechend traf die Vorsicht der Anleger zunächst alle Werte gleichermaßen, einhergehend mit deutlichen Kurseinbußen. Wenn die erste Panik nachlässt, versuchen mutige Investoren die Markt-Ineffizienz auszunutzen und unterbewertete Titel zu finden. Die Bewertungen differenzieren sich in dieser zweiten Phase dadurch wieder stärker aus. In der dritten Phase normalisieren sich die Kurse weiter, offensichtliche Schnäppchen gibt es nicht mehr.

Wenig durch die Krise betroffene Unternehmen können jetzt durch aktive und transparente Kommunikation wieder an ihre alten Niveaus anknüpfen und die Gewinner der Krise erzielen Höchstkurse. Unternehmen, die unter Umsatz- und Ertragseinbußen leiden, bleibt der Markt für KMU-Anleihen hingegen auch in der aktuellen Phase und einer nicht zu unterschätzenden Folgezeit voraussichtlich verschlossen. Die Furcht, dass zunächst noch verborgene Zusammenhänge erst im späteren Verlauf deutlich werden könnten, lässt Investoren grundsätzlich vorsichtig agieren.

Was also tun, wenn wie beim Bierbrauer Karlsberg weniger als ein Jahr vor Auslauf der 40-Millionen-Anleihe zwischenzeitlich 20 Prozent der Erlöse wegbrechen, weil der Fassbierumsatz mit Gastronomie und Veranstaltungen komplett stillsteht? Die SeniVita Social Estate AG, ein Entwickler hochwertiger Pflegewohnimmobilien, musste sogar eine ausstehende Zinszahlung auf die Anleihe 2015/2025 stunden, weil sich geplante Immobilientransaktionen Corona-bedingt verzögert haben. Alternative Optionen zur kurzfristigen Generierung zusätzlicher Finanzmittel, auch unter weiterer Nutzung des Anleihemarktes, werden derzeit geprüft.

Hilfe verspricht der geplante Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes. 600 Milliarden Euro sollen über den WSF bereitgestellt werden, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu ermöglichen. Der größte Teil über Staatsgarantien für Schuldtitel wie Anleihen. Der Staat steht also für die Rückzahlung der unter dem WSF begebenen Anleihen ein. Dadurch wird aus teilweise hochspekulativen Mittelstandsbonds auf einmal so etwas wie Staatsanleihen light. Das öffnet das KMU-Segment für ganz neue Investorenklassen. Schließlich hat ein niedriges Risikoprofil gerade in der Krise für viele private und auch institutionelle Investoren oberste Priorität. Die Anleger erhalten eine kleine Verzinsung und der Staat eine angemessene Vergütung für die Garantie.

Für die Emittenten bleiben die Zinskosten in Summe voraussichtlich ähnlich wie vor Corona. Und wenn die unterstützten Unternehmen gut wirtschaften, ihre Zinszahlungen einhalten und ihre Investoren transparent informieren, wird der spätere Rückzug des Staates lediglich zu einer anderen Verteilung der Zinserträge führen. Statt einer Risikoprämie für den Bund fließen die Zinsen dann allein an die Investoren.

Dieser Ansatz wird entscheidend dazu beitragen, die aktuelle Phase der Unsicherheit am KMU-Anleihemarkt zu überbrücken und attraktive Geschäftsmodelle und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu schützen. Ein Rechtsanspruch besteht aber nicht, die Mittel sollen auf Antrag u.a. nach Dringlichkeit sowie Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb gewährt werden. Details zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Konditionen des WSF werden in einer gesonderten Rechtsverordnung geregelt, die in Kürze erscheinen soll.

Die Etablierung des bankenunabhängigen WSF ist auch langfristig betrachtet ein richtiger und konsequenter Schritt in der Krisenbewältigung und könnte sich zu einer ganz wesentlichen Säule zur langfristigen Stabilisierung des deutschen Kapitalmarktes entwickeln. Der Start des Programms wird in Kürze erwartet. Dann sind eine schnelle Antragstellung und eine hohe Antragsqualität aus Unternehmenssicht entscheidend. Denn die Inanspruchnahme dürfte hoch sein. Spezialisierte Kapitalmarktdienstleister wie BankM können dabei wertvolle Unterstützung leisten und durch Antragstellung und Platzierung aus einer Hand eine schnelle Umsetzung sicherstellen. Damit nicht nur das Fassbier bei Karlsberg nach der schrittweisen Öffnung der Gastronomie wieder fließt, sondern auch dringend benötigte Liquidität für den Mittelstand.

Thomas Stewens, BankM AG

Titelfoto: pixabay.com

Autor: Thomas Stewens

Thomas Stewens ist Vorstand und Gründungspartner der BankM AG mit über zwanzig Jahren Erfahrung in der Begleitung mittelständischer Unternehmen am Kapitalmarkt. Als Spezialist für Small- und Mid-Caps ist BankM eine der führenden Banken am Markt für KMU-Anleihen.

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