Verkehrte Welt – erst der Aktionär, dann der Anleihegläubiger – Oder: Mit welcher Drohung Anleihegläubiger der MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke AG versuchen sollten, einen drastischeren Schnitt für die Aktionäre durchzusetzen – Kolumne von Christoph Karl, Senior Berater bei der BLÄTTCHEN & PARTNER AG

Dienstag, 27. Mai 2014


Emittenten für Mittelstandsanleihen sind immer für eine Überraschung gut – so auch die MIFA AG, der größte deutsche Fahrradhersteller, ein etablierter Lieferant von Discountern und Baumärkten. Im Sommer 2013, als MIFA eine Anleihe über 25 Mio. Euro bei ausgewählten institutionellen Investoren platzierte, galt das Unternehmen am Kapitalmarkt noch als äußerst seriös. Unterstrichen wurde diese Einschätzung auch vom damaligen Rating, das mit BBB- im Investment Grade Bereich lag. In den Jahren zuvor hatte MIFA ein rasantes Tempo vorgelegt. Der Einstieg des Großaktionärs Carsten Maschmeyer schien da nur noch das fehlende Puzzlestück zu sein. Ein Unternehmen, wie gemacht für den Mittelstandsanleihemarkt; die Emission der MIFA-Anleihe im August 2013 war daher nur ein konsequenter Schritt zur Verbreiterung der Finanzierungsstruktur. Das Verfahren, das MIFA dabei wählte, war gleichzeitig simpel und zielführend: Bereits vor dem Listing der Anleihe am Entry Standard in Frankfurt konnte MIFA ausgewählte institutionelle Investoren im Rahmen einer Privatplatzierung zur Zeichnung der Anleihe bewegen. Bereits in der Strukturierungsphase der Anleihe waren diese offensichtlich eng eingebunden und konnten somit Einfluss auf die Definition der Covenants und des Coupons nehmen. Eine sichere Sache also, verglichen mit der Konkurrenz am Mittelstandsanleihemarkt? Weit gefehlt – wie die Horrornachrichten in diesem Jahr offenbaren.

Verkehrte Welt - erst der Aktionär, dann der Anleihegläubiger – Oder: Mit welcher Drohung Anleihegläubiger der MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke AG versuchen sollten, einen drastischeren Schnitt für die Aktionäre durchzusetzen – Kolumne von Christoph Karl, Senior Berater bei der BLÄTTCHEN & PARTNER AG Wie das MIFA-Drama begann

Begonnen hatte das Drama Ende März. Per Ad-hoc Mitteilung vermeldete MIFA einen Verlust von rund 15 Mio. Euro in 2013. Durch Buchungsfehler, die sich durch Einführung eines neuen Buchungssystems ergeben hätten, wären Vorräte falsch verbucht worden. Zum Hintergrund: Der Verlust wäre damit in 2013 in etwa 2,5 mal so hoch wie sämtliche kumulierten Gewinne in den neun Jahren zuvor. Zusätzlich sei zu befürchten, dass die Covenants der Anleihe „gerissen“ würden. Es drohte also eine Finanzierungslücke von 25 Mio. Euro. Trotz dessen sah man keinerlei Liquiditätsprobleme, lediglich eine Gläubigerversammlung wurde angekündigt, um die Anleihebedingungen entsprechend anzupassen. Um die Anleihegläubiger weiterhin zu beruhigen wurde ein LOI mit der indischen Hero Cycles Ltd. bekanntgegeben, die sich mit 15 Mio. Euro frischem Eigenkapital an MIFA beteiligen wollte. Eine nette Idee – rechtlich jedoch kaum bindend. Juristisch hat ein LOI keinerlei Verbindlichkeit.

Anleihegläubiger der Mifa bleibt voraussichtlich nicht viel übrig

Doch bereits in der nächsten Ad-hoc Mitteilung im April wurde die Liquiditätssituation indirekt revidiert, durch eine Sale-and-Leaseback Transaktion wurde ein Betriebsgrundstück verkauft und damit offensichtlich dringend benötigte Liquidität beschafft. Die Aussagen vom März sind damit wohl nicht mehr haltbar. Positive Nachrichten für die Bondholder sehen zudem anders aus: Geht MIFA pleite fehlt, nun zukünftig das Betriebsgelände zur Deckung der Ansprüche der Bondholder.

Auch im Mai konnte MIFA kaum mit guten neuen Nachrichten aufwarten: Im Zuge der Prüfungen durch den Vorstand und Aufsichtsrat wurde klar, dass auch in den Vorjahren Fehler in den Bilanzen waren – insgesamt gibt es nun Bestandsdifferenzen von 19 Mio. Euro, der Bilanzverlust in 2013 wird nun bei rund 28 Mio. Euro liegen. Doch schlechte Nachrichten kommen selten alleine, auch der indische Investor stellt sich für die Bondholder nun kaum mehr als Rettungsanker dar: In einer Investmentvereinbarung mit den Indern erklären sich diese zwar bereit, tatsächlich 15 Mio. Euro in MIFA zu investieren, jedoch nur unter mehreren Bedingungen, unter anderem einem Schuldenverzicht („Haircut“) der Bondholder um 15-20 Mio. Euro. Den Anleihegläubigern bleiben also nach dem Schuldenschnitt nur noch 20-40% ihres Investments. Der Kurs der Anleihe hat dies bereits mehr als vorweggenommen (aktuell unter 30%).

Aktionäre schneiden im Vergleich zu den Anleihegläubigern besser ab

Die Aktionäre trifft es dagegen weniger hart. Durch Kapitalerhöhungen werden sie zwar verwässert, rechnerisch bleiben ihnen aber nach allen angekündigten Kapitalmaßnahmen 62,5% am Kapital. Zum heutigen Kurs von 1,90 Euro würden die Altaktionäre also einen Wert von 18,6 Mio. Euro behalten, während den Bondholdern lediglich fünf Mio. Euro ihres ursprünglichen Investments blieben. Doch es dürfte eine offene Frage sein, ob diese hier mitspielen. Angesichts der scheibchenweise veröffentlichten Zahlen ist bereits klar, dass die Covenants kaum zu halten sind. Theoretisch könnten die Bondholder daher mit der Fälligstellung der Anleihe drohen. Aus Gläubigersicht stellt sich im Extremfall also die Frage: Was ist besser, 20% nach dem „indischen Haircut“ oder eine reguläre Insolvenz mit einer unkalkulierbaren Insolvenzquote? Klar ist bereits heute, dass sich die Anleiheinvestoren organisieren und in die Opposition zu den Plänen von MIFA gehen werden.

Was also sind die Lehren aus der Fall MIFA? Zunächst einmal ist gegen Bilanzbetrug kein Kraut gewachsen. Selbst beim einem als seriös geltenden Emittenten sind Anleger davor nicht geschützt. Anders sieht es jedoch mit den Konsequenzen einer bevorstehenden Pleite aus: Nur weil ein rettender Investor die Anleger zum Schuldenschnitt zwingen möchte, muss dieser für die Gläubiger noch lange nicht ohne Alternative sein. Die Tatsache, dass Hero Cycle trotz falscher Zahlen an eine Sanierungsfähigkeit der MIFA glaubt zeigt ja, dass das Unternehmen kein hoffnungsloser Fall sein sollte. Nach wie vor gilt im Insolvenzrecht der Grundsatz, dass die Interessen der Gläubiger über den Interessen der Altaktionäre stehen. Mit dieser Drohung sollten Anleihegläubiger versuchen, einen drastischeren Schnitt für die Aktionäre durchzusetzen. Die Gläubiger sollten damit mindestens einen Tausch in Eigenkapital oder einen Besserungsschein durchsetzen können, falls sie schon auf so dramatische Art und Weise zum Schuldenschnitt gezwungen werden. Rechnerisch sollten die Aktien bei einem Haircut von 80% in der Anleihe einen Gegenwert von 0 haben. Dass dem bei MIFA nicht so ist zeigt, dass hier etwas grob in die falsche Richtung zu Laufen droht.

Christoph Karl

Kurzvita
Christoph Karl ist Senior Berater bei der BLÄTTCHEN & PARTNER AG. Seit 2010 berät Herr Karl bei der BLÄTTCHEN & PARTNER AG Kunden bei Anleiheemissionen, Börsengängen, M&A-Transaktionen und Management Equity Programmen. Zuvor war er mehrere Jahre bei der KGAL im Bereich Flugzeugleasing und bei der Buchanan Capital Group im Bereich der Mittelstandsfinanzierung tätig. Der Betriebswirt veröffentlicht regelmäßig in diversen Publikationen zu verschiedensten Themen aus dem Small- und Mid-Cap Bereich sowie zu öffentlichen Übernahmen.

großes Foto:  Thirteen Of Clubs/flickr, kleines Foto: BLÄTTCHEN & PARTNER AG

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