Fluchtburg Schweiz für Mittelstandsanleihen? Oder warum die Konsequenz der Schweizer Banken einen Best Practice Guide à la Deutsche Börse AG in der Schweiz überflüssig macht – Kolumne von Dr. Konrad Bösl, Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG

Dienstag, 29. April 2014


Der Markt für Mittelstandsanleihen liegt in Deutschland zweifelsohne am Boden. Die Zahl der Insolvenzen liegt weit über dem Durchschnitt der deutschen Gesamtwirtschaft, für viele Emittenten war die Emission einer Mittelstandsanleihe der letzte Strohhalm für die Unternehmensfinanzierung.

Angesichts dieser Entwicklung verwundert es nicht, dass bonitätsstarke Unternehmen Mittelstandsanleihen auch aus Imagegründen auf den Prüfstand stellen. Sie haben es schlichtweg nicht nötig, sich derzeit über den in der Kritik stehenden Markt für Mittelstandsanleihen zu finanzieren und dabei Zinssätze zu akzeptieren, die deutlich über dem Durchschnitt eines klassischen Bankkredits liegen.

Anleihe bleibt für Unternehmen wichtiges Instrument

Dennoch gibt es bei einer Vielzahl von Unternehmen eine Reihe von Vorbehalten, die Fremdfinanzierung ausschließlich über Bankkredite abzudecken. Andere Fremdfinanzierungsalternativen wie beispielsweise Schuldscheindarlehen sind für viele mittelständische Unternehmen hinsichtlich Mindestvolumen, Ratingerwartung oder Covenants (noch) nicht geeignet. So ist und bleibt die Anleihe gerade für diese Unternehmen ein wichtiges Instrument, auch hinsichtlich der Flexibilität und Diversifikation der Finanzierungsquellen.

„Angesichts der Zahlen müsste die Schweiz bereits heute die Fluchtburg für deutsche Mittelstandsemittenten sein“

Stimmt man dieser Einschätzung und der Sichtweise zu, richtet sich der Blick schnell auf den alternativen Finanzplatz Schweiz. Gerade in der jüngeren Vergangenheit werben kleinere Schweizer Banken intensiv um attraktive Mittelstandsunternehmen aus Deutschland, den Schweizer Kapitalmarkt für die Emission einer Anleihe zu nutzen. Ihre Argumente dafür scheinen auf den ersten Blick überzeugend. Der Markt für Mittelstandsanleihen in der Schweiz ist von Unternehmensinsolvenzen unbelastet. In der Schweiz als Sammelbecken für internationales Kapital herrscht ein hoher Anlagedruck. Es wird sogar von Anlagenotstand gesprochen, der sich unmittelbar in einer Boesl1_großhohen Platzierungssicherheit und einem spürbar niedrigeren Zinssatz niederschlägt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die in diesem Markt tätigen Schweizer Banken eine Platzierungsgarantie geben und die Verzinsung im Vergleich zu in Deutschland emittierten Mittelstandsanleihen 2,5 % bis 3,0 % niedriger liegt. Schließlich liegen die von den Banken geforderte Vergütung mit rund 1,5 % und die Gesamtkosten der Emission mit 2,0 % in einer Größenordnung, von der Emittenten in Deutschland nur träumen können. Hierzulande verlangen Banken typischerweise eine auf das Emissionsvolumen bezogene Provision, die zwischen 2,75 % und 3,50 % liegt. Die Gesamtkosten der Emission liegen damit kaum unter 4,0 %, regelmäßig sogar in der Nähe von 5,0 %. Angesichts dieser Zahlen müsste die Schweiz bereits heute die Fluchtburg für deutsche Mittelstandsemittenten sein.

Barrieren, um bonitätsschwache bzw. nicht anleihefähige Unternehmen vom Markt fernzuhalten

Die Unternehmenspraxis zeigt aber, dass dem so nicht ist. In den letzten vier Jahren haben keine zehn Unternehmen eine Mittelstandsanleihe in der Schweiz begeben. Darunter ist mit der Gutburg Immobilien S.A. gerade mal ein Emittent mit deutschem Hintergrund. Was ist es, das deutsche Unternehmen davon abhält, trotz bester Marktbedingungen den Schweizer Finanzplatz für eine Anleiheemission zu nutzen? Sicherlich liegt es nicht daran, dass im Unterschied zu Deutschland der Markt für Mittelstandsanleihen in der Schweiz noch am Anfang steht. Institutionalisierte Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten seitens der Börse in Zürich fehlen weitgehend. Stattdessen legen die – zugegebenermaßen sehr wenigen – in diesem Markt tätigen Schweizer Banken strenge Auswahlkriterien an. Ein externes Rating ist vielfach nicht verpflichtend, wird jedoch häufig von der Lead Bank im Rahmen einer Due Diligence intern vorgenommen. Auch ohne Veröffentlichung des Ratings können die Investoren davon ausgehen, dass eine Bank nur Unternehmen mit Investment Grade oder leicht darunter liegendem Rating begleitet. Damit wird bereits eine Barriere gesetzt, um bonitätsschwache bzw. nicht anleihefähige Unternehmen vom Markt fernzuhalten. Die vom Unternehmen zu erfüllenden Transparenzpflichten nach der Emission sind Teil der Anleihebedingungen des Wertpapierprospekts, weshalb Verstöße dagegen wesentlich schwerer wiegen, als wenn diese lediglich in einer Börsenordnung wie in Deutschland verankert sind.

Eine völlig andere Baustelle bei einer Emission in der Schweiz stellt die Tatsache dar, dass die Anleihen üblicherweise in Schweizer Franken begeben werden. Eine deutsche Emittentin trägt also grundsätzlich ein Währungsrisiko. Die Kosten für eine Kurssicherung gegenüber dem Euro mittels Derivaten sind derzeit allerdings mit bis zu 0,6 % pro Jahr überschaubar, insbesondere angesichts des Zinsvorteils. Für viele mittelständische Unternehmen dürfte die Verpflichtung zur Rechnungslegung nach IFRS ein wesentlich größeres Hindernis für den Gang in die Schweiz darstellen. Häufig ist damit ein enormer Umstellungsaufwand im Rechnungswesen verbunden. Der Mehraufwand fällt außerdem nicht nur für die rückwirkende Erstellung und Testierung der letzten drei Jahresabschlüsse an, sondern bleibt zumindest über die Laufzeit der Anleihe erhalten.

Da international tätige Unternehmen heutzutage sowieso immer häufiger dazu gezwungen sind, ihren Geschäftspartnern international übliche Jahresabschlussinformationen offenzulegen, sollte der Zwang zur Rechnungslegung in IFRS bei der Anleiheemission in der Schweiz aber nicht den Ausschlag geben.

„Klasse das Masse“

Trotz geringerer Regulierung – vor allem im Vergleich mit den deutschen Handelsplätzen – ist es der Konsequenz der Banken zu verdanken, dass bislang ausschließlich bonitätsstarke Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt bekommen haben. Im Unterschied zur Entwicklung in Deutschland gilt der Grundsatz „Klasse statt Masse“. Die strikte Orientierung an diesem Prinzip und die Disziplin aller Marktteilnehmer machen einen Best Practice Guide, wie ihn die Deutsche Börse AG gerade veröffentlicht hat, in der Schweiz überflüssig.

Dr. Konrad Bösl, Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG

großes Foto: Martin Abegglen/flickr, kleines Foto: Dr. Konrad Bösl, BLÄTTCHEN & PARTNER AG

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