Mittelstandsanleihen: „Schneller, Höher, Weiter, Mehr!“ – Kolumne von Dr. Konrad Bösl, Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG
Die Kritik an Mittelstandsanleihen wird zunehmend lauter, deutlicher und bisweilen aggressiv. Der Kreis der Kritiker ist vielschichtig und reicht von jenen, die sich seit langem fundiert mit dem Markt für Mittelstandsanleihen, den Emittenten und Emissionspartnern wie Banken, Berater oder Ratingagenturen auseinandersetzen, bis hin zu jenen, die schon lange geahnt haben, dass es mit dem noch jungen Marktsegment nicht gut enden wird. Wären Unternehmensanleihen ein Abbild des deutschen Mittelstands, dann wäre es schlecht um ihn bestellt, so lautet ein Fazit. Es verwundert daher nicht, wenn der Markt für Mittelstandsanleihen totgesagt wird. Ein jüngst in der FAZ.net erschienener Artikel macht dies besonders deutlich. Gleichzeitig beginnen die Emissionspartner mit ihrer inszenierten Selbstgeißelung und geloben Besserung bei der zukünftigen Auswahl und Vorbereitung der Emittenten. Die Parallelen zum Zeitpunkt des Niedergangs des Neuen Marktes sind hierbei unverkennbar.
Nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße kreditwürdig
Es steht außer Frage, dass am Markt für Mittelstandsanleihen vieles nicht so gelaufen ist, wie man es sich bei der Gründung der Mittelstandsanleihen-Segmente vorgenommen hat. Anfänglich waren es überwiegend Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien, die an den Markt für Mittelstandsanleihen drängten. Allerdings haben sich in diesem Bereich aus vielerlei Gründen bereits 2010 und insbesondere ab 2011 die wirtschaftlichen Vorzeichen massiv verschlechtert. Mittlerweile sind nahezu alle Unternehmen aus diesem Sektor insolvent oder in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Markt für Mittelstandsanleihen spiegelt somit Probleme einzelner Branchen wider. Hieraus resultiert die Frage: Warum konnten und können im gesamtwirtschaftlichen Vergleich überproportional viele Unternehmen eine Mittelstandsanleihe emittieren, obgleich sie nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße kreditwürdig sind? Offensichtlich können der Kapitalmarkt und seine Akteure auch nicht besser mit Risiken umgehen als andere Fremdkapitalgeber.
Konstruktionsschwächen im Bauplan von Bondm
Ist die Ursache allen Übels vielleicht in der unausgesprochenen Prämisse „Schneller, Höher, Weiter, Mehr!“ zu finden? Bereits dem Träger von Bondm musste zum Zeitpunkt der Gründung bewusst gewesen sein, dass er im Erfolgsfalle nur einen begrenzten zeitlichen Vorsprung hat, bevor andere Börsen – insbesondere die Frankfurter Wertpapierbörse – mit vergleichbaren Marktsegmenten nachziehen. So startete am Bondm zu Beginn nahezu jede Woche eine neue Mittelstandsanleihe. Der Schwerpunkt lag auf Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien. Die anderen Börsen zogen schnell nach und übernahmen zum Großteil die Konstruktionsschwächen im Bauplan von Bondm in ihre Regularien. Hierzu zählen beispielsweise das einmalige, jährliche Rating, der Verzicht auf ein Mindestrating, keine klar definierten Konsequenzen bei Verstoß gegen Folgepflichten oder das Outsourcing der Qualitätssicherung an externe Berater mit provisionsgetriebenem Geschäftsmodell. Das schnelle Geld vor Augen akquirierten Banken und Berater eine Reihe von Unternehmen, denen es bis heute an Anleihereife und Anleihefähigkeit fehlt. Die Due Diligence beschränkte und beschränkt sich vielfach auf den Legal Part. Die Financial Due Diligence wird überhaupt nicht oder überwiegend durch die begleitende Bank vorgenommen. Die bei Börsengängen übliche Einschaltung eines erfahrenen Wirtschaftsprüfers ist bei der Emission einer Mittelstandsanleihe selten der Fall. Die Medien lobten die Mittelstandsanleihe als einen wichtigen Beitrag zur bankenunabhängigen Finanzierung des Mittelstands. Nicht wenige Emittenten wurden unreflektiert zur Zeichnung empfohlen. Ein Journalist antwortete auf die Frage, warum er einen insolventen Emittenten mehrfach zur Zeichnung empfohlen hatte, dass ihn die begleitende Bank und der Berater über die Vorzüge des Unternehmens schwindlig geredet haben. Und schließlich befeuerten veröffentlichte Ranglisten der wichtigsten Emissionspartner den Akquisitionsdruck auf potentielle Emittenten. Schlussendlich überforderte die immer wieder angetriebene Welle an Mittelstandsanleihen die verfügbaren qualifizierten Kapazitäten der Emissionspartner.
Die Stunde der Wahrheit kommt noch
Deutlich wird, dass es in dem skizzierten Umfeld für qualitativ schlechte Emittenten vielfach leicht war, eine Anleihe zu begeben. Die in letzter Zeit sichtbar gewordenen Konsequenzen in Form von Insolvenzen, Verschiebungen von Zinszahlungen, zum Teil erheblichen Verschlechterungen der Ratingnotation sowie massiven Kurseinbrüchen als Vorwegnahme zukünftiger wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellen erst die Spitze des Eisbergs dar. Die Stunde der Wahrheit kommt spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Anleihe. Dann wird sich auch zeigen, ob Sicherheiten tatsächlich den Anleihegläubigern zur Verfügung stehen bzw. das wert sind, was sie Wert sein sollten.
Was ist zu tun? Es bedarf einer fundierten Analyse dessen, was am Markt für Mittelstandsanleihen in den letzten Jahren generell falsch gelaufen ist. Dazu sind grundsätzlich alle Marktteilnehmer aufgefordert und nur gemeinsam können sie für die zweifellos dringend notwendige Neuausrichtung des Marktes für Mittelstandsanleihen sorgen. Die Initiative hierfür muss von den Börsen, allen voran der Frankfurter Wertpapierbörse, ausgehen. Was wir jetzt nicht brauchen ist eine Rund-um-Kritik und Besserwisser. „Schneller, Höher, Weiter, Mehr!“ muss ein Ende haben. Deshalb am Schluss ein Zitat von Lichtenberg: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Dr. Konrad Bösl
großes Foto: Erich Ferdinand/flickr, kleines Foto: Dr. Konrad Bösl, BLÄTTCHEN & PARTNER AG
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