Gläubigerversammlungen – ein Trauerspiel! – Kolumne von Manuela Tränkel
In der Praxis der Anleiherestrukturierung hat sich eine aus Sicht vieler Kapitalmarktteilnehmer bedenkliche Entwicklung herauskristallisiert:
Mit gerade einmal 18,75 % des ausstehenden Nominalkapitals – bei ruhenden Stimmrechten durch Anleiherückkaufe der Schuldnerin auch darunter – werden die in dem von der BaFin (Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen) gebilligten Wertpapieremissionsprospekt festgeschriebene Anleihebedingungen, Sicherheiten und sonstige Rechte der Gläubiger geändert. Dies bietet ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum, der durchaus den Gläubigerinteressen zuwider laufen kann.
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1. Schuldverschreibungsgesetz
Generell hat das Schuldverschreibungsgesetz in der Fassung von 31. Juli 2009 die Intention eine finanzielle Restrukturierung zu ermöglichen. Allerdings kann die Restrukturierung der Passivseite auch zu einer weiteren Verschlechterung des Schuldnervermögens führen, wenn eine nachteilige Unternehmensführung nicht zugleich behoben wird.
Wie wenig Erfolge erzielt wurden, ist schon daran erkennbar, dass sich die Kurse der Anleihen und im Falle von Swaps ins Equity die Aktienkurse kaum nachhaltig positiv entwickeln und der Unternehmenswert der Restrukturierungskandidaten nicht gesteigert wird.
Mit der Maßnahme einer Anleiherestrukturierung gelingt es nicht, ein nicht mehr zukunftsfähiges Geschäftsmodell zum Leben zu erwecken, geschweige denn einem wenig vorausschauendes Management, welches keine Wege aus der Krise kennt, zu helfen.
Bei Gläubigerversammlungen drängt sich in jüngster Zeit der Eindruck auf, dass das Schuldverschreibungsgesetz in der Form vom 31. Juli 2009 dazu genutzt wird, von den Anleihegläubigern ganz selbstverständlich Sanierungsbeiträge zu erwarten. Für den einen oder anderen Emittenten scheint es verlockend zu sein, lieber die Passivseite zu restrukturieren, anstatt das Unternehmen operativ voranzubringen.
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2. Präsenz und Beschlüsse
Die erste Gläubigerversammlung ist in fast allen Gläubigerversammlungen nicht beschlussfähig, da die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten müssen.
In jüngster Zeit haben einige Emittenten die einberufenen Gläubigerversammlungen aufgrund des fehlenden Quorums bereits nach einer Viertelstunde wieder beendet.
Das Management fordert in Gutsherrenmentalität des 19. Jahrhunderts hohe Zugeständnisse und Vermögensverzichte von seinen Gläubigern, verweigert aber eine Aussprache oder speist die Gläubiger despektierlich mit leeren Worthülsen ab. Informations- oder gar Kommunikationsrechte werden nicht anerkannt und die Gläubiger werden als lästiges Übel abserviert.
Dabei werden diese oft vor vollendete Tatschen gestellt und es wird bei Nicht-Zustimmung zu Vorschlägen mit der Insolvenz-Anmeldung gedroht. Dem größten Gläubiger eines Unternehmens wird in vielen Fällen noch nicht einmal zugestanden, die in einem Emissionsprospekt vorgesehenen Rechte geltend zu machen. Oftmals wird dem Gläubiger auch der Einblick in das Sanierungsgutachten der Wirtschaftsprüfer verwehrt und er muss kommentarlos die Vorschläge des Schuldners hinnehmen. Mit Banken als Gläubiger würden diese Spielchen zumindest nicht so funktionieren.
Die zweite Versammlung ist beschlussfähig.
Für Beschlüsse, zu deren Wirksamkeit eine qualifizierte Mehrheit (75 %) erforderlich ist – wie die Änderung von Anleihebedingungen oder die Freigabe von Sicherheiten – müssen die Anwesenden mindestens 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Folglich können weitreichende Beschlüsse mit gerade einmal 18,75 % der ausstehenden Anleihen abzüglich der Rückkäufe vom Nominalkapital durchgeboxt werden.
Schuldverschreibungen, deren Stimmrechte ruhen, zählen nicht zu den ausstehenden Schuldverschreibungen. Dies bedeutet, dass bei Emittenten mit Anleiherückkäufen mit einer Präsenz von faktisch unter 18,75 % bezogen auf das Nominalkapital die im Wertpapieremissionsprospekt festgelegten Anleihebedingungen geändert werden können.
Für die Wahl eines gemeinsamen Vertreters ist kein Quorum mehr erforderlich.
Wie wenig sorgsam mit dem Vermögensschutz von Gläubigern umgegangen wird, zeigt sich aus Sicht von Beobachtern auch daran, dass Versammlungsleiter übersehen, eine Präsenz festzustellen oder es schlichtweg versäumen, die ruhenden Anleihebestände von der Präsenz und der Stimmberechtigung auszuschließen.
Dass eine falschen Präsenzfeststellung wegen ruhender Stimmrechte folglich die für eine Beschussfassung erforderlichen Abstimmungsergebnisse beeinflusst, lässt diese Versammlungsleiter ebenso unbeeindruckt wie die weitreichenden Folgen von Änderungen der Anleihebedingungen des durch die BaFin (untersteht direkt dem Bundesfinanzministerium) gebilligten Wertpapierprospektes.
Anleihebedingungen und Sicherheiten sind eben im Emissionsprospekt zum Schutz der Gläubiger verankert und sollten in Krisensituationen nicht ohne entsprechende Gegenleistung für den Verzicht ausgehebelt werden.
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3. Auskunftspflicht der Schuldnerin bei Gläubigerversammlungen
Gegen die in § 16 des Schuldverschreibungsgesetztes geregelte Auskunftspflicht, wird zumindest bei der ersten Gläubigerversammlung konsequent verstoßen. Vergleichsweise kann § 400 Aktiengesetz als Benchmark herangezogen werden.
Der Schuldner hat jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. Skurril ist schon der Sachverhalt, dass das Management bereits zu einem Zeitpunkt einen konkreten Swap ins Equity vorschlägt, wenn ganz offensichtlich noch nicht einmal das zur Beurteilung erforderlich Sanierungsgutachten vorliegt.
Wie dreist die Emittenten und deren Berater sind, zeigt sich immer wieder daran, dass diese die Forderungen stellen und die Gläubigerrechte ignorieren. Dass sie sich teilweise noch nicht einmal zu einer Aussprache herablassen oder teuer in Auftrag gegebene Gutachten nicht zur Einsichtnahme vorlegen oder auf der jeweiligen Homepage veröffentlichen. Von den Gläubigern hingegen wird erwartet, dass diese ohne Vorlage eines Sanierungsgutachtens oder der Vorlage zur Beurteilung relevanter Informationen einer Änderung der durchschnittlich 200 – seitigen Emissionsprospekte zustimmen.
Immer wieder gerne wird mit Insolvenzen gedroht. Es mag Fälle geben, in denen eine Insolvenz sogar die bessere Option darstellt und das Unternehmen von der Erleichterung der Unternehmenssanierung Gebrauch machen kann. Dies kann aber auch ein böses Erwachen geben, wenn etwa der falsche Insolvenzverwalter bestellt wird, der sich mit komplexen Kapitalmarktthemen überfordert fühlt und nur die alte Welt der Insolvenzordnung kennt.
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4. Gemeinsamer Vertreter
Gewinner der Gläubigerversammlungen sind die gemeinsamen Vertreter mit lukrativen Mandaten und die Berater der Emittenten. Aus Kapitalmarktsicht hat das Instrument des gemeinsamen Vertreters genau dann seinen Sinn und Zweck erfüllt, wenn die Anleihegläubiger dadurch einen Mehrwert haben.
Der gemeinsame Vertreter hat die Aufgaben und Befugnisse, welche ihm durch Gesetz oder von den Gläubigern durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurden. Er hat die Weisungen der Gläubiger zu befolgen. Soweit er zur Geltendmachung von Rechten der Gläubiger ermächtigt ist, sind die einzelnen Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung dieser Rechte nicht mehr befugt.
Prominentester Mandatesammler als gemeinsamer Vertreter ist die Münchner One Square Advisory mit Frank Günther und seinem elfköpfigen Team, die nach Unternehmensangaben bereits ein Volumen im Milliardenbereich restrukturiert haben.
Damit hat zumindest One Square Advisory ein einträgliches Geschäftsmodell entdeckt und es bleibt zu hoffen, dass One Square bei der Vielzahl von Mandaten als gemeinsamer Vertreter und Mitglied in Gläubigerausschüssen nicht den Überblick verliert.
Der Verband der gemeinsamen Vertreter – gegründet durch Rechtsanwalt Christian Glöckner – konnte bislang gegen die Vorherrschaft von One Square nicht ernsthaft punkten.
Das Schuldverschreibungsgesetz ist an das Aktiengesetz angelehnt. Insofern wäre daher auch zu hinterfragen, ob die Anzahl von Mandanten in Gläubigerausschüssen im Insolvenzfall nicht wie bei Aufsichtsratsmandanten des Aktienrechts zu handhaben und die Zahl auf 10 zu begrenzen ist – bei Doppelzählung eines Vorsitzes.
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5. Anleiherestrukturierung als Allheilmittel
Sicherlich liegen die Wurzeln des Desasters im Segment der Mittelstandsanleihen tiefer. Nach der Finanzkrise war die Kreditvergabe der Banken äußerst restriktiv und so nutzten die Unternehmen den Kapitalmarkt. Cash Flows konnten die Coupons nicht erwirtschaften, Geschäftsmodelle waren nicht zukunftsfähig und es wurde auf das Prinzip Hoffnung gesetzt.
Viele Emittenten sind nicht kapitalmarktfähig und haben keinerlei Kapitalmarktkommunikation oder einem Corporate Governance Kodex nachzukommen. Trotz Quasi-Ad-Hoc-Pflicht haben viele Emittenten Gewinnwarnungen, hälftiger Verlust des Grundkapitals, ein negatives Eigenkapital oder die Bewertung des Firmenvermögens nicht so kommuniziert, wie dies der Kapitalmarkt fordert. Die dürftige Kommunikationspolitik geht bei Gläubigerversammlungen weiter und Debt-to-Equity-Swaps sollten ohne Kenntnis zugrunde gelegten Werte abgesegnet oder Verzichte erklärt werden, die gerne zulasten der Gläubiger gehen können. Das Management – vielfach auch Gesellschafter – kommt mit einem blauen Auge davon.
Sicherheiten und Rechte der Gläubiger werden diesen aus der Hand genommen und durch Forderungsverzichte und Schuldenschnitte ersetzt.
Fazit
– Bottom up läßt sich festhalten, dass eine finanzielle Restrukturierung als einzige Maßnahme ohne entsprechende Sanierungsbemühungen und operativer Restrukturierung des Unternehmens nicht zum Ziel führt und das Leiden nur verlängert.
– Die Gläubigerversammlungen sind eher ein Trauerspiel und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Emittenten ihre Gläubiger bei der ersten Versammlung als lästiges Übel ansehen und bei der zweiten Versammlung die eigenen Interessen über die der Gläubiger stellen und diese auch geschickt durchsetzen.
– Bei den Gläubigerversammlungen ist nun deutlich geworden, wie schnell sich im Nachhinein ein durch die BaFin gebilligter Wertpapieremissionsprosepkt, der durchschnittlich über 200 Seiten umfasst, in einem Hauruck-Verfahren ändern lässt und mit einem marginalen Nominalkapital von 18,75% (oder darunter) Beschlüsse der Verwaltung oder guter Strategen durchgesetzt werden können.
Manuela Tränkel,
Mandura Asset Management AG
Foto: Markus Grossalber / flickr
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