Emotionen am Anleihenmarkt: top oder flop? – Kolumne von Britta Hosters, SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG

Dienstag, 29. Oktober 2013

Um es direkt klarzustellen: ich werde den Teufel tun und in irgendeiner Form Bewertungen vornehmen, die mit dem Thema Fußball zu tun haben. Das hat (ausnahmsweise) auch mal keine aufsichtsrechtlichen  Gründe, sondern wäre gerade als Frau in einer Männerwelt schlicht Harakiri! Ich kann zwar ein Abseits erklären, aber beim passiven Abseits hört’s auch schon wieder auf.

Deshalb sei vorausgeschickt, dass ich mich im Folgenden an Fakten halten werde, mich vorsorglich für mögliche Interpretationsspielräume entschuldige und inständig hoffe, keine Beschwerdebriefe von Fußballfans des einen oder anderen Vereins zu erhalten.

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.Emotionen pur. Am Rande des Spielfelds tobt und wütet er, fühlt sichtbar unsäglichen Schmerz und unbändige Freude, legt Gestik sowie Mimik an den Tag, von denen sich so mancher Hollywood-Schauspieler ein Scheibchen abschneiden könnte. Natürlich spreche ich von Jürgen Klopp (Foto oben). Seine Mannschaft kennt er in- und auswendig, er hat jeden Spieler fest im Blick (und im Griff) und steuert seine Jungs (meist) zum Sieg. Er ist mit Leib und Seele dabei – soviel müssen selbst Nicht-BVB-Fans festhalten.

„Echte Liebe“ – auch das Motto des Vereins verheißt Emotionalität und spiegelt nicht nur die „Überzeichnung“ der Dauerkarten-Ausgabe wider.  Unumstritten ist Jürgen Klopps Taktik erfolgreich – der BVB spielt national sowie international ganz oben mit.

Emotionen sind also eine gute Sache, befinden wir einhellig – wäre da nicht ein kleines Stimmchen im Hinterkopf, das uns kurz daran erinnert, dass er bei zwei nicht ganz unwichtigen Spielen auf der Tribüne sitzen musste. Eine Strafe dafür, dass seine Emotionen mit ihm durchgegangen sind und er nicht mehr rational denken konnte.  Der betroffene Schiedsrichter träumt sicher nachts noch von dem Pulverfass, das wutentbrannt direkt vor seiner Nase explodierte.

Für uns „Normalos“ im Alltag kann Emotion eine positive Besetzung haben: Empathie, Fürsorge, Wohlwollen – wo wären wir wohl ohne sie?  Geteilte positive Emotionen (in Fanblocks beispielsweise, um beim Thema zu bleiben) haben unglaubliche Wirkung;  man wird mitgerissen, ist fasziniert und begeistert.

Unbewusst schon halb überzeugt

Diese Emotionsteilung kann aber auch abstruse Auswirkungen haben. So klatscht man am Ende eines Konzertes vielleicht auch dann, wenn man es eigentlich nicht gut fand – nur weil alle klatschen.Massen-Emotionen führen dazu, dass sich ein Individuum von der Meinung der Masse beeinflussen lässt. Ergo: die individuelle Rationalität wird ausgeschaltet, die Emotionen gewinnen die Oberhand und wir tun plötzlich Dinge, die wir allein so nicht getan hätten. Das Prinzip der sozialen Bewährtheit ist allgegenwärtig: in der Werbung (wir kaufen das Produkt mit den besten Bewertungen), im Restaurant (niemand nimmt eine Vorspeise, dann nehme ich auch keine, obwohl ich großen Hunger habe) und auf der Autobahn (alle fahren hier 120 anstatt 100, dann mach ich das auch).

Am Anleihenmarkt trägt die Emotionalität zu ganz ähnlichen Szenarien bei. Wenn uns ein Experte hinter vorgehaltener Hand von DER exklusiven Gelegenheit des Jahres berichtet, sind wir oftmals unbewusst schon halb überzeugt. Markennamen rufen bei uns unweigerlich und völlig unfreiwillig eine gewisse Emotion auf, gegen die wir uns nur schwerlich wehren können und gegen den ein „No-Name“-Emittent erstmal lahm ausschaut.  Wenn eine Anleihe schon vor Zeichnungsstart als hoffnungslos überzeichnet „verkauft“ wird, füllen wir hastig einen Zeichnungsschein aus, um „auch dabei zu sein!“.

Darf man sich also gar nicht mehr auf sein Bauchgefühl verlassen? Ich denke, dass weder das eine noch das andere Extrem zum richtigen Schluss führt. Mit 100%iger Ratio vergibt man sich eventuell die Chance, eine Faszination zu entdecken, die dem Einzelnen vielleicht verborgen geblieben wäre. Schalten Sie aber Ihre Ratio niemals völlig aus, es könnten Ihnen wichtige Details entgehen.

Ja, wettern Sie mit erhobenem Zeigefinger, der BVB hat beide Spiele trotz Trainerverbannung auf die Tribüne gewonnen. Stimmt, aber war es nicht unglaublich anstrengend für ihn? Ein Aufpasser an seiner Seite, gegen seine Natur zum Schweigen verdammt, die Fäuste wahrscheinlich in den Jackentaschen geballt und die Nerven zum Zerreißen gespannt.

Als Anleiheninvestor kann Ihnen im Zweifel schon ein Remis echte Schwierigkeiten bereiten. Lassen Sie sich deshalb zwar weiterhin unbedingt von einer Idee begeistern, kaufen sie sie aber nicht, wenn Sie nicht die Zeit und die Ruhe hatten, sie emotionslos zu prüfen. Im Zweifel gönnen Sie sich, zuerst den Kopf frei zu bekommen – vielleicht im Stadion?

Alles Gute,

Britta Hosters


Kurzvita von Britta Hosters (Foto)

Britta Hosters begleitet als Expertin auf dem Gebiet Business Development, Strategie und Vertrieb den gesamten Prozess eines Mandates bei der SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG mit dem Schwerpunkt Platzierung und Produktmanagement.

Als ausgebildete Bankkauffrau und internationale Diplom-Betriebswirtin ist sie seit über acht Jahren im Investmentbanking, u.a. für HSBC Trinkaus und Deutsche Bank AG, sowie im Verkaufstrainingsbereich tätig.

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