Der Fall Nabaltec – oder: Kündigungsrechte von Anleihen – Kolumne von Peter Thilo Hasler, Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG und Gründer sowie Analyst der Sphene Capital

Dienstag, 22. Oktober 2013


Die in den Anleihebedingungen angegebene Laufzeit einer Anleihe muss nicht in Stein gemeißelt sein. So können bestimmte Sonderkündigungsrechte vorgesehen sein, mit denen die Anleihe vorzeitig fällig gestellt werden kann.

Ist die Ausübung des Sonderkündigungsrechts dem Emittenten vorbehalten, sprechen wir von einem Call, kann dagegen der Gläubiger über die vorzeitige Kündigung entscheiden, von einem Put. Während die Ausübung des Puts für den Anleger freiwillig ist, gilt bei der Ausübung des Calls das Gleichheitsgebot: Wird der Call gezogen, müssen alle im Umlauf befindlichen Anleihen an einem bestimmten Datum – dem Ausübungstag – zu einem vorher festgelegten Ausübungspreis eingezogen werden. Dass dies mit erheblichen Kursverlusten verbunden sein kann, mussten jüngst die Anleger der Nabaltec-Mittelstandsanleihe erfahren, bei der die Emittentin das Sonderkündigungsrecht fristgerecht ausübte und der Kurs binnen Tagesfrist von über 105% auf unter 101% einbrach.

Für die Emittentin sind einseitige Kündigungsklauseln durchaus wertvoll, da sie deren Finanzierung wesentlich flexibler machen. Für den Anleger stellen sie dagegen einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor, da die Laufzeit der Kapitalanlage a priori nicht mehr definiert ist und er im ungünstigsten Fall gegen seinen Willen vorzeitig getilgt wird. Um die Anleger für die kürzere Zinsperiode zu entschädigen, sehen die Anleihebedingungen daher häufig Rückkäufe zu im Prospekt fest definierten Kursen über pari vor. Aus nachstehender Abbildung wird deutlich, dass die höchsten Aufschläge fällig werden, wenn der Emittent eine Anleihe nach 36 oder 48 Monaten tilgen will. Kurz nach der Emission bzw. kurz vor Ende der Laufzeit sind dagegen deutlich geringere Aufschläge zu zahlen.

Rückzahlungskurse in Abhängigkeit von der Laufzeit der Mittelstandsanleihe

Trotz dieses Aufgelds kann das Recht des Emittenten, seine Anleihe vorzeitig kündigen zu können, negative Auswirkungen auf den Anleihekurs haben: Hat ein Emittent zwei, in ihren Anleihebedingungen identische Anleihen begeben, die sich nur darin unterscheiden, dass eine der beiden Anleihen mit einem Call ausgestattet ist, so wird die unkündbare Anleihe mit einer Prämie gegenüber der kündbaren Anleihe gehandelt werden, wenn das allgemeine Zinsniveau seit der Begebung der Anleihe gesunken ist. Denn dann steht der Gläubiger vor dem Problem, sein Vermögen just zu einem Zeitpunkt wiederanlegen zu müssen, zu dem wegen der gesunkenen Marktzinsen eine adäquate Wiederanlage nicht möglich ist. Folglich wird in Zeiten fallender Zinsen die kündbare Anleihe zu einem niedrigeren Kurs und damit zu einer höheren Effektivverzinsung gehandelt als eine ansonsten gleichwertige Anleihe desselben Emittenten ohne Kündigungsrecht.

Nachdem zwischenzeitlich die meisten Emittenten von Mittelstandsanleihen auf Sonderkündigungsrechte verzichtet haben bzw. diese nur noch für den Fall einer Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen in ihre Prospekte implementiert haben, sind Kündigungsmöglichkeiten seit einigen Monaten wieder en vogue. So wurden im ersten Halbjahr acht von 19 Anleiheemissionen mit einem einseitigen Kündigungsrecht ausgestattet, genauso viel wie im gesamten Vorjahr. Aufgrund der Vorteile für den Emittenten sollte dieser Trend anhalten.

Peter Thilo Hasler

Peter Thilo Hasler ist Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG und Gründer sowie Analyst der Sphene Capital

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