„Let’s go shopping“ oder „Mittelstandsanleihen auf dem Grill“ – Kolumne von Britta Hosters, SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG

Dienstag, 23. Juli 2013
Kolumne von Britta Hosters, SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG

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Eilig stürmt er zwischen Meeting und der nächsten Telefonkonferenz den Supermarkt. Bitter nötig, hungrig ist er! Zwar hat er noch unheimlich viel zu tun, aber der Einkauf muss jetzt sein. In der Hektik hat er natürlich keinen Einkaufszettel, aber hey, das klappt schon so!

Keine Zeit für die Schlange an der Fleischtheke, manövriert er sich unentschlossen durch das schier unüberblickbare Sortiment der Kühlung und orientiert sich schließlich am Supersonderpreiszeichen für das Grillfleisch. In der Warteschlange an der Kasse greift er nach zwei Schokoriegeln für die Nerven, bezahlt und wirft die Quittung ungesehen weg. Das Unwohlsein nach dem späteren Verzehr des Sonderpreisfleisches auf den Stress (und die Schokolade) schiebend, wird er schon bald fluchen, wenn ihm schließlich schlimme Bauchschmerzen die Nacht zur Hölle machen.

Aber: wer hat schon Zeit, gemütlich durch die Regalreihen zu wandern und sich im Detail über Herkunft, Qualität und Haltbarkeit der Produkte zu informieren?  Welcher Konsument studiert schon die Zutatenliste auf jedem Produkt, das er kauft (und versteht, was da steht)? Wer schafft es schon, alle Verkaufstricks der Supermarkt-Designer zu durchschauen?

So viele Neuemissionen und Aufstockungen gab es schon lange nicht mehr

Am Anleihenmarkt ist es ganz ähnlich. Auch hier ist das Angebot gerade überwältigend! So viele Neuemissionen und Aufstockungen gab es schon lange nicht mehr. Sie knubbeln sich, dicht gedrängt und um Aufmerksamkeit heischend, direkt vor der Sommerpause – ein bisschen wie die Sonderpreis-Würste im Kühlregal.

Dem Investor wird, vor allem in den letzten Wochen, urplötzlich eine atemberaubende Vielzahl von Produkten unter die Nase gehalten. Von überall her reichen emsige Hände Mittelstandsanleihen an, wedeln mit bunten Broschüren und flüstern leise etwas von Rabatten – und der Investor, überwältigt und ohne die Zeit, die Masse sämtlicher Angebote zu prüfen, greift kurzentschlossen zu dem, was ihm günstig erscheint.

So manches Produkt erinnert an den Gammelfleisch-Skandal

Nach der Notierungsaufnahme treten leichte Bauchschmerzen auf und man fragt sich leise, ob die Qualitätskontrolle wohl ausreichend war. Ständig tauchen neue „Lieferanten“ auf (und wieder ab), die Zutatenliste wird länger. Es erinnert sogar so manches Produkt bei genauerem Hinsehen an den Gammelfleisch-Skandal: abgelaufene Ware, mit neuem Etikett versehen, wird fröhlich ein zweites Mal angeboten.

Besonders ärgerlich: die Ware ist am nächsten Tag günstiger in den Regalen!! Noch vor der Emission wird die Anleihe unter der Ladentheke mit deutlichem Abschlag „vertickt“ – es gibt einfach zu viele zur gleichen Zeit; da greifen einige Anbieter eben zu neuen „Tricks“.  Preisfrage: was tun dann die Rabatt-Käufer? Richtig, sie werfen die Anleihe mit einer hübschen Marge direkt nach Notierungsaufnahme zurück auf den Markt! Die „normalen“ Käufer schauen in die Röhre, sehen entsetzt dem Kurs beim Fallen zu und haben nun zu den Sorgen über die Qualität auch einen Verlust im Portemonnaie.

Die Konsequenz: niemand hat mehr Lust auf die klassische Mittelstandsanleihe. Die Investoren sind ob des schier unendlichen Angebots satt, und der Eine oder Andere hat sich tatsächlich mal schlimm den Magen nach dem Verzehr verdorben. Einige fühlen sich (zu Recht) betrogen und getäuscht und beschließen, ab jetzt Mittelstandsanleihen zu meiden (und bestehende Vorräte um jeden Preis abzubauen).

Werden wir nun alle zu Vegetariern?  Ja, scheint der Markt zu sagen.

Wer ist in der Verantwortung?

Was aber ist mit denjenigen Anbietern, die von jeher Qualitätsware geliefert haben und die es auch weiterhin tun? Ist Verzicht (und Sippenhaft) die einzig richtige Lösung, grillen wir in Zukunft wirklich nur noch Gemüsesticks?

Wer ist in der Verantwortung? Die Anbieter? Vielleicht, denn man muss sich schon fragen, was dieses urplötzliche Überangebot, diese Panik vor der Sommerpause soll, als würde es niemals wieder Investorengelder geben. Aber nein, so einfach ist die Rechnung nicht. Neben die Anbieter dürfen sich die Emissionsbegleiter stellen, die im Sinne der Kunden frühzeitig Signale aus dem Markt empfangen und ehrlich und fair von einer Emission abraten müssen, wenn die Bedingungen nicht optimal sind – Erdbeeren im November schmecken eben nicht! Nicht zu vergessen die Börsen, die die Emissions-Slots vergeben und den großen Überblick haben. Es ist wie mit einem Supermarktregal: wenn zu viele Produkte darauf geladen werden, wird es zusammenbrechen.

Schlussendlich muss gelten, auch wenn es mühselig sein mag: wer die Zutatenliste liest und versteht, wird auch weiterhin in der Lage sein, diejenigen Anbieter herauszufiltern, die Qualität liefern. Wer sich Zeit nimmt, wird sowohl als Investor als auch als Anbieter, Begleiter und Börse weiterhin Produkte finden, die dem Geschmack des Marktes entsprechen, ihm dienlich sind und ohne weitere Zusätze wie Sonderrabatte auskommen. Vor allem aber ist dem Markt weniger Stress zu wünschen, eine Entzerrung der Abläufe, so dass eben nicht zwischen Tür und Angel über Wohl und Wehe entschieden werden muss.

Denn mal ganz ehrlich: wir alle wissen, dass ein informierter, gut vorbereiteter Konsument mit einem präzisen Einkaufszettel genauso wichtig für das Funktionieren des Marktes ist wie ein gut organisiertes, qualitätsgeprüftes Sortiment und bedarfsgerechte Öffnungszeiten – nur so haben Mogelpackungen keine Chance!

In diesem Sinne: Die Mittelstandsanleihe ist tot, es lebe die Mittelstandsanleihe!

Britta Hosters

Kurzvita von Britta Hosters

Britta Hosters begleitet als Expertin auf dem Gebiet Business Development, Strategie und Vertrieb den gesamten Prozess eines Mandates bei der SCHNIGGE Wertpapierhandelsbank AG mit dem Schwerpunkt Platzierung und Produktmanagement.

Als ausgebildete Bankkauffrau und internationale Diplom-Betriebswirtin ist sie seit über acht Jahren im Investmentbanking, u.a. für HSBC Trinkaus und Deutsche Bank AG, sowie im Verkaufstrainingsbereich tätig.

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