Anleihen-Kolumne: Kommt die Rezession oder kommt sie doch nicht?

Mittwoch, 21. August 2019


Kolumne des Asset Management Teams der Steubing AG:

Die weltweite Konjunktur ist ein scheues Reh. Verschreckt man Sie, dann flüchtet Sie. Da nutzt es auch auf Dauer nichts, wenn der Förster als Hüter immer wieder Futter auslegt – das bedeutet hier, wenn die Politik Einfluss zu nehmen versucht, dass per se unabhängige Notenbanken die Zinsen senken sollen. Dadurch dass es nun zwei nicht berechenbare Staatsmänner gibt, Donald und Boris, die es nicht auslassen zu zeigen, dass Sie eigentlich nichts anderes interessiert als ihr eigenes Wohlbefinden, gerät langsam aber sicher die Welt ins Ungleichgewicht. Mittlerweile wird unter Ökonomen eigentlich nicht mehr darüber diskutiert, ob eine Rezession noch verhindert werden kann, sondern ob wir uns schon am Anfang einer solchen befinden.

In Amerika ist die Diskussion über eine Rezession weit fortgeschritten. Als Indikator sehen viele Volkswirte die Entwicklung der Zinsstrukturkurve von Staatsanleihen. Eine inverse Zinsstruktur wird allgemein als untrügliches Zeichen angesehen: Die Renditen von kurzfristigen Staatsanleihen liegen über denen von langfristigen. Verglichen wird die Differenz zwischen der Rendite 2-jähriger und 10-jähriger amerikanischer Staatsanleihen. In den USA beobachten wir gerade genau dieses Phänomen. Bisher (bis auf einmal in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts) war dies immer der Vorbote für eine amerikanische Rezession.

Es wäre auch überraschend, wenn sich die USA vom Rest der Welt abkoppeln könnte. Denn schließlich ist die „America first“-Politik des sprunghaften und ungezügelten Nationalisten Donald Trump einer der Auslöser dafür, dass es der Weltkonjunktur momentan nicht gut geht. Das Handelsscharmützel mit China hat sich mittlerweile zu einem handfesten Krieg hoch geschaukelt. Gegenseitig werden Strafzölle erhoben, die den freien Handel erschweren und auch die Wirtschaft in den USA schwächen. Das Wirtschaftswachstum in China verlangsamt sich auch immer mehr. So konnte China im ersten Quartal 2019 noch ein Wachstum von 6,4 Prozent verzeichnen – im zweiten Quartal waren es nur noch 6,2 Prozent. Noch vor 10 Jahren galt es als unmöglich, dass es der Weltwirtschaft gut gehen könnte, wenn Chinas Wachstum unter 10 Prozent fallen würde.

Betroffen ist davon natürlich auch der Exportweltmeister Deutschland als wirtschaftliche Zugmaschine Europas. Im zweiten Quartal 2019 ist die deutsche Wirtschaft leicht geschrumpft – um 0,1 Prozent. Laut dem statistischen Bundesamt hat ausschließlich der zurückgegangene Export zu diesem Rückgang geführt. Der innerdeutsche Konsum und eine hohe Investitionstätigkeit der Unternehmen haben das Minus so klein werden lassen.

Jetzt gibt es noch einen europäischen Verstärker der Maläse: „Unforced Missile Boris Johnson“. Ein Politiker, der es genau wie sein Pendent auf der anderen Seite des Atlantiks nicht so genau mit der Richtigkeit von Zahlen und Fakten nimmt. Mr. Johnson möchte seinen Brexit haben. Wie ein kleines trotziges Kind ist ihm alles egal, wenn er nur seinen Kopf durchsetzen kann. Seit Juli ist er endlich ohne Wahl ans Ziel seiner Träume gekommen: Premierminister von Großbritannien. Schon in seiner ersten Rede sprach er davon, dass er kompromisslos auch ohne Deal Ende Oktober aus der EU austreten werde. Er werde sich auch nicht um parlamentarische Mehrheiten scheren. Solche Aussagen haben sofort konkrete Auswirkungen auf die Handelsvolumina und die Auftragsbücher diesseits und jenseits des Ärmelkanals.

Machen wir als mal folgende Rechnung auf:

Inverse Zinsstruktur in den USA + massiver Wachstumseinbruch in China + massiver Wachstumseinbruch in Europa = drohende weltweite Rezession.

Mit ein bisschen gutem Willen kann momentan dieses Ergebnis noch verhindert werden. Nationalistische Eitelkeiten sollten den Wohlstand der Welt nicht gefährden.

Asset Management Team der Steubing AG

Foto: pixabay.com

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