Die Anleihen-Kolumne: „Neue Regeln bringen keine absolute Sicherheit“
Beitrag des Asset Management Teams der Steubing AG:
Schaffung von immer neuen Regeln bringt letztlich auch keine absolute Sicherheit
In den letzten Monaten hat die Europäische Kommission im Anleihen-Segment viele Veränderungen vorgenommen. Dabei beschleicht einem aber das Gefühl, dass Europa sich lieber mit den Kleinen beschäftigt als die Großen zu reglementieren. Vielleicht auch deshalb, weil bei den kleinvolumigen Anleihen es keine weltweiten Absprachen benötigt. Das sehen wir in den letzten Monaten deutlich bei den Anleihen des Weltkonzerns Steinhoff. Wenn es hier zu einem Ausfall kommt, dann sind das ungeahnte Dimensionen. Auf dieser Ebene müssten die Daumenschrauben der Regulation deutlich stärker angezogen werden, denn global operierende Konzerne sind für die verschieden Aufsichtsbehörden schwer zu kontrollieren und dementsprechend für Investoren möglichweise deswegen sogar intransparenter als KMU.
Aber die Schaffung von immer neuen Regeln für Anleihen von KMU bringt letztendlich auch nicht das perfekte Produkt. In der Literatur hat Johann Christoph Gottsched zwar die Epoche der Aufklärung mit seiner Regelhaftigkeit geschaffen, dennoch ist es wohl unbestritten, dass die folgende Epoche, die Klassik, als das literarische Vorbild zu gelten hat. Die Klassik hat zwar die Regeln der Aufklärung übernommen, aber die Regeln nicht als Allheilmittel für das Produkt, das literarische Werk, gewertet. Im April hatte die Bundesregierung entschieden, eine neue EU-Regelung zur Prospektverordnung zu übernehmen. Diese sieht vor, dass für öffentliche Angebote von Wertpapieren über einen Zeitraum von zwölf Monaten bei einem Gesamtwert von acht Millionen Euro kein Prospekt erstellt werden muss. Der Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen (Kapitalmarkt KMU) hat diese Entscheidung begrüßt. Nun gibt der Verband eine Stellungnahme zum neuen KMU-Wachstumsmarkt-Konzept der EU-Kommission ab, dass er in Teilen für misslungen hält. So ist nicht klar, ob ein KMU-Bond Emittent jährlich nicht mehr als 50 Millionen Euro und insgesamt nicht mehr als 50 Millionen Euro emittieren darf um im KMU-Wachstumsmarkt weiterhin zu bleiben. Dass KMU-Anleiheemittenten keine Halbjahreszahlen veröffentlichen sollen, macht durchaus Sinn. Denn gerade für Unternehmen dieser Größe ist die Erstellung von solchen Berichten ein hoher zusätzlicher Kostenfaktor und zugleich eine Hürde an den Kapitalmarkt zu gehen.
Regeln schaffen, im Sinne Gottscheds, um den „Hanswurst von der Bühne zu vertreiben“, das macht Sinn. Aber die Europäische Kommission sollte sich nicht ausschließlich auf die KMU konzentrieren. Sonst wirkt es so: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ Und: Überreglementierung schafft auch nicht das gute Produkt. Da kann die Europäische Kommission von der Literatur lernen. Die Kombination von Regeln und kreativer Kraft erschafft das Gute (Produkt).
Asset Management Team der Steubing AG
Foto: pixabay.com
Zum Thema:
Die Anleihen-Kolumne: „Bauboom auch bei Anleihen“
Anleihe-Kolumne: „Ohne Netz und doppelten Boden“ – Fokus auf Wandelanleihen
Mini-Hochzinsanleihen: Auf der Suche nach…
Mittelstandsanleihen: Dieser Weg wird kein leichter sein
Mittelstandsanleihen – „Sommer in der Stadt“
Mittelstandsanleihen: Heile, Heile Gänschen, es ist bald wieder gut
Mittelstandsanleihen: Den Letzten beißen die Hunde
Mittelstandsanleihen: Eigentümer-geführte Unternehmen sind auch keine Garantie
Mittelstandsanleihen: Prolongierung und Kredit
Mittelstandsanleihen: Wer traut sich?
Mittelstandsanleihen: Das Jahr 2016 – Standpunkt German Mittelstand
Mittelstandsanleihen: Grauer Oktober mit vielen Gläubigerversammlungen
BaFin will etablierte Anlageklasse für Privatanleger verbieten
Mittelstandsanleihen – Unterschiedliche Anforderungen der Börsenplätze und Auswirkungen
Anleihen Finder News auf Twitter und Facebook abonnieren