WSF-Garantie: Besicherte Anleihen als Finanzierungsinstrument

Donnerstag, 25. Juni 2020


Kolumne von Ingo Wegerich, Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, und Hans-Jürgen Friedrich, Vorstandsvorsitzender der KFM Deutsche Mittelstand AG, beide sind auch im Präsidium des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter KMU e.V.

Das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – WStFG) vom 27. März 2020 sieht als eine mögliche Stabilisierungsmaßnahme für Unternehmen auch die Übernahme von Garantien durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro für vom 28. März 2020 bis zum 31. Dezember 2021 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen vor. Durch Garantien des WSF soll das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Werthaltigkeit der garantierten Schuldtitel und Verbindlichkeiten der Unternehmen gestärkt werden, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen.

Unternehmen der Realwirtschaft

Die Stabilisierungsmaßnahme können Unternehmen der Realwirtschaft in Anspruch nehmen. Dies sind Wirtschaftsunternehmen, die nicht Unternehmen des Finanzsektors sind und die in den letzten beiden bereits bilanziell abgeschlossenen Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt haben (Schwellenwerte der Definition für KMU der Europäischen Union):

1. eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro,

2. mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie

3. mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Auch wenn diese Merkmale nicht erfüllt sind, mögen Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, sofern diese Unternehmen in einem der in § 55 Außenwirtschaftsverordnung genannten Sektoren tätig oder von vergleichbarer Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft sind. Die zunächst grundsätzliche Ausklammerung von KMU muss hier kritisch hinterfragt werden. Auf europäischer Ebene wird durch die Initiative der Kapitalmarktunion die Kapitalmarktfinanzierung von KMU gefördert. Auch KMU finanzieren sich mittlerweile mittels Anleihen erfolgreich über den Kapitalmarkt. Von den Stabilisierungsmaßnahmen des WSF sind demgegenüber KMU zunächst ausgeschlossen, sofern nicht eine der genannten Ausnahmen greift.

Hinweis: Der Beitrag erschien zunächst in der Börsen-Zeitung (Ausgabe 112) vom 16.06.2020 unter dem Titel  „Anleihen mit Garantie des WSF – eine Option der Unternehmensfinanzierung“. Zudem erschien diese Kolumne im aktuellen Anleihen Finder Newsletter-Juni-2020-02.

Voraussetzungen der Stabilisierungsmaßnahme

Voraussetzung der Stabilisierungsmaßnahme ist, dass dem Unternehmen anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Durch die Stabilisierungsmaßnahme muss eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie bestehen. Unternehmen, die eine Maßnahme des WStFG beantragen, dürfen zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ erfüllt haben. Die Unternehmen müssen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten. Sie sollen insbesondere einen Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten.

Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten darf 60 Monate nicht übersteigen. Für die Übernahme von Garantien ist eine angemessene Gegenleistung zu erheben. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen erlassen u. a. über die Art der Garantie und der Risiken, die durch sie abgedeckt werden können, die Berechnung und die Anrechnung von Garantiebeträgen, die Gegenleistung und die sonstigen Bedingungen der Garantie und Obergrenzen für die Übernahme von Garantien für Verbindlichkeiten einzelner Unternehmen sowie für bestimmte Arten von Garantien. Bei einer Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen sind von den Unternehmen bestimmte Anforderungen und Auflagen zu erfüllen. Die näheren Bestimmungen regelt eine Rechtsverordnung. Bei Garantien wird es vor allem auf eine marktgerechte Gegenleistung für die Garantie ankommen.

Über vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorzunehmende Stabilisierungsmaßnahmen entscheidet das BMF im Einvernehmen mit dem BMWi auf Antrag des Unternehmens nach pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands, der Dringlichkeit, der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb und des Grundsatzes des möglichst sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Das BMWi ist die fachlich zuständige Behörde für die Verhandlungen über Stabilisierungsmaßnahmen mit den Unternehmen der Realwirtschaft und zuständig für die Vorbereitung der Anträge. Die Unternehmen müssen die Anträge über das BMWi einreichen.

Besicherte Anleihen als Finanzierungsoption

Für Unternehmen könnte der WSF genutzt werden, um die Platzierung von Anleihen bei institutionellen Investoren zu unterstützen. Anleihen können in der Regel schnell und kostengünstig für eine Platzierung im Kapitalmarkt vorbereitet werden. Emissionsbegleitende Banken überprüfen die Unternehmen hinsichtlich der Kapitalmarktreife und Kapitalmarktfähigkeit. Sie könnten auch vorab für das Unternehmen verifizieren, ob die Voraussetzungen einer Stabilisierungsmaßnahme nach dem WSF erfüllt werden. Sie könnten die Unternehmen bei ihren Anträgen unterstützen und im Anschluss bei der Platzierung an institutionelle Investoren begleiten.

Institutionellen Investoren, die in Zeiten von Null- und Negativzinsen, nach festverzinslichen Wertpapieren suchen, könnte damit eine attraktive Investment-Alternative angeboten werden. Mit einer Absicherung der Anleihe durch eine Garantie des WSF dürfte der Kupon zwar niedriger ausfallen. Die Absicherung der Anleihen verbessert aber das Risikoprofil und eröffnet damit für viele institutionelle Investoren ein Investment in Unternehmensanleihen als eine abgesicherte Anlageklasse, die auch für ein breites Publikum geeignet sein könnte.

Ingo Wegerich, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft

Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG

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Ingo Wegerich und Hans-Jürgen Friedrich bieten Unternehmern, die sich informieren möchten, einen Online-Workshop an. Anmeldung ist möglich per E-Mail unter
ingo.wegerich@luther-lawfirm.com bzw. hj.friedrich@kfmag.de und wird vertraulich behandelt.

Ingo Wegerich

Hans-Jürgen Friedrich

Titelfoto: pixabay.com

Portraitfoto: Ingo Wegerich, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft

Portraitforto: Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG

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