Wertpapierhandel in Zeiten der Corona-Krise: „Der Anleihemarkt existiert faktisch nicht mehr“ – Kommentar von Marcel Ludwig

Freitag, 27. März 2020


Ein Blick auf den aktuellen Börsenhandel von Marcel Ludwig, Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank:

Zwar ist nun in der Nachbetrachtung bekannt, dass das Corona-Virus (COVID-19) schon seit längerer Zeit die Gesundheit der Menschheit bedroht, doch in unserer Tätigkeit als Börsenspezialist haben wir es faktisch erst in der letzten Februar-Woche 2020 wahrgenommen. Wie eine Lawine wurden die internationalen Finanzmärkte von dieser Krise überrollt. Eine Katastrophennachricht jagte die nächste und so überschlugen sich die Ereignisse. Politische Entscheidungsträger trafen daraufhin viele tiefgreifende Entscheidungen und so befinden wir uns nun in einer Phase, in der unser Land nahezu zum Erliegen kommt.

DAX-Werte wie Zockerpapiere

Ob die Maßnahmen angesichts dieser Virusbedrohung gerechtfertigt sind oder nicht, vermögen wir nicht zu sagen. Fakt ist aber, dass wir uns aktuell nicht nur in einer drohenden medizinischen Notlage befinden, sondern inzwischen auch in einer massiven Wirtschafts- und Finanzkrise. Selbst die wirklich hervorragende Krisenkommunikation unserer doch so oft gerüffelten Politiker und die Zusagen von bisher nie dagewesenen Finanzspritzen scheinen die Märkte aktuell nicht zu beruhigen. Im Aktienmarkt schwingen DAX-Werte hin und her als seien es hochspekulative Zockerpapiere und der Anleihemarkt, um den wir uns vorwiegend kümmern, existiert faktisch nicht mehr.

Was nun? Auch wir als Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank mussten natürlich auf die äußeren Umstände reagieren und Maßnahmen ergreifen. Oberstes Ziel in dieser Krise ist natürlich, dass wir für unsere Kunden und natürlich dementsprechend auch für alle Kunden der Frankfurter Wertpapierbörse – gerade in dieser schwierigen Zeit – da sind und als verlässlicher Partner zur Seite stehen. Aktuell agieren bei uns zwei unabhängige Teams aus unterschiedlichen Räumlichkeiten. Dazu haben wir weiterhin noch räumlich getrennt Händler auf dem Parkett der Börse. Sollte also ein Team nicht mehr funktionieren, können wir auch weiterhin den Betrieb aufrechterhalten. Alle administrativen Mitarbeiter befinden sich zudem im Homeoffice und für die Händler wurden ebenfalls mobile Notfallarbeitsmöglichkeiten geschaffen.

Fehlende Liquidität am Markt

Im täglichen Handel sehen wir derzeit sehr bedenkliche Entwicklungen. Der Anleihenmarkt wurde in den vergangenen Jahren künstlich und massiv ausgetrocknet. Zum einen hat die europäische Zentralbank jahrelang Anleihen aufgekauft und macht es auch immer noch. Zum anderen wurden durch massive Regulierungsanforderungen die Liquiditätsspender (Großbanken) aus dem Markt gedrängt. Es fehlt also an Liquidität. Gleichzeitig leben wir derzeit mit einem historisch tiefen Leitzins, so blieb vielen Investoren auf der Suche nach Rendite in den vergangenen Jahren nur noch der spekulative HighYield-Anleihenmarkt. Aktuell zeigt sich ein damit einhergehendes Problem auf dramatische Art und Weise. Denn wie bereits beschrieben, existiert kein Fixed-Income-Markt mehr. Anleihen sind Fremdkapital und jeder, der als Inverstor in Fremdkapital investiert, ist gleichzeitig auch ein Gläubiger. In einer Phase wie der jetzigen geht es im Anleihen-Handel darum, ob Unternehmen oder Staaten ihre Schulden zurückbezahlen können oder eben nicht. Dafür gibt es aber keinen Referenzmarkt oder auch keinen „Fair Value“, sondern es liegt immer im Auge des Betrachters, wie die jeweilige Situation eingeschätzt wird.

Nichts scheint mehr Unmöglich

Nachdem nun aber Ereignisse eintreten, die vor kurzer Zeit noch undenkbar waren, scheint nichts mehr Unmöglich. So ist es selbst in unserem Spezialisten-Netzwerk manches Mal kaum möglich, eine Anleihe eines DAX-Konzerns, welche lediglich eine Restlaufzeit von sechs Monaten besitzt, zu verkaufen. Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig der Handel aktuell ist. Unsere Kunden kommen primär aus dem erweiterten Retailmarkt. Wir verbinden Privatinvestoren, kleinere Fonds, Vermögensverwalter und Family Offices etc. mit dem OTC-Handel der Großbanken und institutionellen Investoren, somit stehen wir zwischen den Akteuren. Aktuell ist es die wichtigste Prämisse aller Handels-Spezialisten, überhaupt noch für irgendeine eine Art von Börsenhandel und der dazugehörigen Liquidität zu sorgen. Das macht es derzeit so kompliziert.

Lösungsorientierter Austausch

Wir erleben in diesen Krisenzeiten aber auch viele tolle Dinge. Angefangen bei einem unglaublichen Schulterschluss bei uns im Team, über die Zusammenarbeit mit Konkurrenten und Mitbewerbern bis hin zu einem wirklich exzellenten und lösungsorientierten Austausch mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank. Die Zusammenarbeit ist derzeit außergewöhnlich gut und solidarisch. Wirklich alle ziehen an einem Strang, um den nationalen Börsenhandel weiter aufrechtzuerhalten und somit auch den vielen, vielen verunsicherten Privatinvestoren ein Stück Sicherheit zu bieten. Nun sollten wir alle aber weiterhin die Ruhe bewahren und den agierenden Entscheidungsträgern unseres Landes vertrauen.           

Marcel Ludwig
Geschäftsführer, Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank

Portraitfoto: Marcel Ludwig – Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank

Titelfoto: pixabay.com

Zum Thema

„Wir brauchen niedrige Zutrittsbarrieren für alle Marktteilnehmer“ – Interview mit Dirk Schneider und Marcel Ludwig (Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank)

„Der Anleihenmarkt bietet mehr Chancen als der Aktienmarkt“ – Interview mit Wertpapierhändler und Bankengründer Walter Ludwig

Acht Wochen Bondmarkt in 2019 – was fällt bislang auf?

Anleihen Finder News auf Twitter und Facebook abonnieren

Twitter
Facebook

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü