Anleihen-Kolumne zur Europawahl: Politische Börsen und das rechte Spielbein

Mittwoch, 29. Mai 2019


Kolumne des Asset Management Teams der Steubing AG:

Europawahl trifft Zinsen und Anleihen

Sind die Wahlen zum europäischen Parlament aus wirtschaftspolitischer Sicht ein Reinfall? Haben die Wahlergebnisse direkte Auswirkungen auf die weltweite Zinspolitik und damit auch auf Anleihen- und selbstverständlich auch auf die Aktienentwicklung? Die etablierten Parteien zeigten sich direkt nach der Wahl glücklich, dass die Nationalisten nicht so stark dazu gewonnen hätten – wie erwartet. Dennoch sind gerade in Italien und in Frankreich die Rechtsaußen zu den stärksten Parteien geworden. Das hat konkrete wirtschaftliche Auswirkungen auf Europa, wahrscheinlich sogar weltweit.

Die italienische Wahlgewinnerin Lega Nord schmiedet nicht nur eine Parteiengemeinschaft für ein „Europa der Nationen“ im Europäischen Parlament. Als italienische Regierungspartei hat man schon im letzten Jahr mehrfach versucht die Staatsverschuldung Italiens für gemachte Wahlversprechungen nach oben zu treiben. Italienische Bonds schlittern seitdem knapp am Junk-Status vorbei. Gestützt durch das Wählersignal der Italiener wird es nun ein leichtes für die drittgrößte europäische Wirtschaftsnation hemmungslos den Schuldenberg zu erhöhen.

Nicht viel anders sieht die Situation in Frankreich aus. Der französische Präsident Macron hat sich einer stabilen europäischen Finanzpolitik verschrieben. Dennoch hat er in den letzten Monaten den Protest der Gelbwesten zu spüren bekommen. Jetzt auch bei einer Wahl. Marie Le Pen schickt aus Frankreich nach der Europawahl die größte Fraktion nach Brüssel. Marie Le Pen ist auch bekennende Europagegnerin. Das kommt bei den Protestlern gut an. Denn die europäische Wirtschaftspolitik trifft viele Franzosen hart. Im Sinne von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit muss Macron harte Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen Frankreichs vornehmen. Gleichzeitig geht die Schere aufgrund der niedrigen Leitzinsen zwischen arm und reich weiter auseinander. Kredite zur Vermögensbildung waren nie so billig wie momentan. Zinsen für eine private Altersvorsorge gibt es nicht mehr.

Nun versuchen die Wähler den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Wahrscheinlich wird Macron standhaft bleiben und die Wirtschaft in Frankreich weiter reformieren. Er muss aber gleichzeitig darauf dringen, dass es eine gemeinsame europäische Finanzpolitik gibt. Die Widerstände aus der deutschen Politik werden an dieser Stelle nicht fruchten können.

Italien wird die Schulden voraussichtlich drastisch erhöhen. Das hat zur Folge, dass die EZB die Zinsen mittelfristig nicht erhöhen wird, denn sonst wäre Italien sehr schnell nicht mehr in der Lage seine Anleihen zu bedienen – dafür müsste dann der Kupon auf italienische Staatsanleihen zu drastisch erhöht werden. Niedrige Zinsen fördern aber soziales Ungleichgewicht und führen letztlich zu politischer Instabilität.

Unternehmensanleihen werden sich aus Investorensicht ebenfalls nicht gut entwickeln. Emittenten werden mit ihren Forderungen nach niedrigen Risikoaufschlägen Erfolg haben. Sie werden bei einem nicht völlig wahnsinnigen Kupon immer Käufer finden. Lukrativ wird dies für die Investoren aber nicht. Deswegen wird in absehbarer Zeit der Trend in Aktien zu investieren weiteren Auftrieb erhalten; egal ob die Unternehmenskennziffern dies begründen.

Wir sehen in den nächsten Jahren ein starkes rechtes Spielbein für die politischen Börsen weltweit. Die Signale, die von dieser Europawahl ausgehen sind eindeutig.

Asset Management Team der Steubing AG

Foto: pixabay.com

Zum Thema:

Anleihen-Kolumne: „Der Anleihemarkt leckt“

Anleihen-Kolumne: Populistisches Europa

Anleihen-Kolumne: Wie hängt die Entwicklung europäischer Staatsanleihen mit Minibonds zusammen?

Anleihen-Kolumne: Kommen am Rentenmarkt die Optimisten zurück?

Anleihen-Kolumne: Warten auf die EZB – Veränderung der Zinspolitik in 2019?

Anleihen-Kolumne: Hochzinsanleihen – wenn Wunsch auf Wirklichkeit trifft

Anleihen-Kolumne: Sehr vorsichtiger Paradigmenwechsel der EZB

Anleihen-Kolumne: Wirtschaftskriege machen eine radikale Zinswende möglich

Anleihen-Kolumne: „Der Wackelkandidat Steinhoff“

Die Anleihen-Kolumne: „Neue Regeln bringen keine absolute Sicherheit“

Die Anleihen-Kolumne: „Bauboom auch bei Anleihen“

Anleihe-Kolumne: „Ohne Netz und doppelten Boden“ – Fokus auf Wandelanleihen

Mini-Hochzinsanleihen: Auf der Suche nach…

Mittelstandsanleihen: Dieser Weg wird kein leichter sein

Mittelstandsanleihen – „Sommer in der Stadt“

Mittelstandsanleihen: Heile, Heile Gänschen, es ist bald wieder gut

Mittelstandsanleihen: Den Letzten beißen die Hunde

Mittelstandsanleihen: Eigentümer-geführte Unternehmen sind auch keine Garantie

Mittelstandsanleihen: Prolongierung und Kredit

Mittelstandsanleihen: Wer traut sich?

Mittelstandsanleihen: Das Jahr 2016 – Standpunkt German Mittelstand

Mittelstandsanleihen: Grauer Oktober mit vielen Gläubigerversammlungen

Mittelstandsanleihen: Stürmisches Frühjahr – Heißer Spätsommer – Fallen im Herbst die nächsten Unternehmen?

„EU-Marktmissbrauchsverordnung: Emittenten und Anleger profitieren von strengeren Transparenzvorschriften“ – Kolumne von Stephan Däschler

BaFin will etablierte Anlageklasse für Privatanleger verbieten

Mittelstandsanleihen – Unterschiedliche Anforderungen der Börsenplätze und Auswirkungen

Anleihen Finder News auf Twitter und Facebook abonnieren

Twitter
Facebook

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü