Anleihen-Kolumne zur Europawahl: Politische Börsen und das rechte Spielbein
Kolumne des Asset Management Teams der Steubing AG:
Europawahl trifft Zinsen und Anleihen
Sind die Wahlen zum europäischen Parlament aus wirtschaftspolitischer Sicht ein Reinfall? Haben die Wahlergebnisse direkte Auswirkungen auf die weltweite Zinspolitik und damit auch auf Anleihen- und selbstverständlich auch auf die Aktienentwicklung? Die etablierten Parteien zeigten sich direkt nach der Wahl glücklich, dass die Nationalisten nicht so stark dazu gewonnen hätten – wie erwartet. Dennoch sind gerade in Italien und in Frankreich die Rechtsaußen zu den stärksten Parteien geworden. Das hat konkrete wirtschaftliche Auswirkungen auf Europa, wahrscheinlich sogar weltweit.
Die italienische Wahlgewinnerin Lega Nord schmiedet nicht nur eine Parteiengemeinschaft für ein „Europa der Nationen“ im Europäischen Parlament. Als italienische Regierungspartei hat man schon im letzten Jahr mehrfach versucht die Staatsverschuldung Italiens für gemachte Wahlversprechungen nach oben zu treiben. Italienische Bonds schlittern seitdem knapp am Junk-Status vorbei. Gestützt durch das Wählersignal der Italiener wird es nun ein leichtes für die drittgrößte europäische Wirtschaftsnation hemmungslos den Schuldenberg zu erhöhen.
Nicht viel anders sieht die Situation in Frankreich aus. Der französische Präsident Macron hat sich einer stabilen europäischen Finanzpolitik verschrieben. Dennoch hat er in den letzten Monaten den Protest der Gelbwesten zu spüren bekommen. Jetzt auch bei einer Wahl. Marie Le Pen schickt aus Frankreich nach der Europawahl die größte Fraktion nach Brüssel. Marie Le Pen ist auch bekennende Europagegnerin. Das kommt bei den Protestlern gut an. Denn die europäische Wirtschaftspolitik trifft viele Franzosen hart. Im Sinne von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit muss Macron harte Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen Frankreichs vornehmen. Gleichzeitig geht die Schere aufgrund der niedrigen Leitzinsen zwischen arm und reich weiter auseinander. Kredite zur Vermögensbildung waren nie so billig wie momentan. Zinsen für eine private Altersvorsorge gibt es nicht mehr.
Nun versuchen die Wähler den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Wahrscheinlich wird Macron standhaft bleiben und die Wirtschaft in Frankreich weiter reformieren. Er muss aber gleichzeitig darauf dringen, dass es eine gemeinsame europäische Finanzpolitik gibt. Die Widerstände aus der deutschen Politik werden an dieser Stelle nicht fruchten können.
Italien wird die Schulden voraussichtlich drastisch erhöhen. Das hat zur Folge, dass die EZB die Zinsen mittelfristig nicht erhöhen wird, denn sonst wäre Italien sehr schnell nicht mehr in der Lage seine Anleihen zu bedienen – dafür müsste dann der Kupon auf italienische Staatsanleihen zu drastisch erhöht werden. Niedrige Zinsen fördern aber soziales Ungleichgewicht und führen letztlich zu politischer Instabilität.
Unternehmensanleihen werden sich aus Investorensicht ebenfalls nicht gut entwickeln. Emittenten werden mit ihren Forderungen nach niedrigen Risikoaufschlägen Erfolg haben. Sie werden bei einem nicht völlig wahnsinnigen Kupon immer Käufer finden. Lukrativ wird dies für die Investoren aber nicht. Deswegen wird in absehbarer Zeit der Trend in Aktien zu investieren weiteren Auftrieb erhalten; egal ob die Unternehmenskennziffern dies begründen.
Wir sehen in den nächsten Jahren ein starkes rechtes Spielbein für die politischen Börsen weltweit. Die Signale, die von dieser Europawahl ausgehen sind eindeutig.
Asset Management Team der Steubing AG
Foto: pixabay.com
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