Anleihen-Kolumne: „Der Anleihemarkt leckt“

Mittwoch, 17. April 2019


Kolumne des Asset Management Teams der Steubing AG:

Im Oktober 2018 beharrte die EZB immer noch darauf, dass im Jahr 2019 eine deutliche Veränderung der Zinspolitik erfolgen würde. Deutsche Staatsanleihen rentierten bei rund einem halben Prozent. Die Konjunkturaussichten waren noch nicht nach unten korrigiert. Die FED plante weitere Zinserhöhungen. Es gab ein paar Kritiker – so auch wir. Wir sahen die Konjunktur in den USA schon im Oktober 2018 als gefährdet an. Die zeitliche Verschleppung der Entscheidungen rund um den BrExit waren deutlich erkennbar und Italien ante portas.

Nun hat sich also die EZB im März korrigiert und aktuell im April noch einmal bestätigt.  Die EZB bleibt bei ihrer ultralockeren Geldpolitik.  Der Leitzins wird für 2019 und möglicherweise bis ins Jahr 2020 hinein bei 0,00% bleiben. Banken, die ihr Geld über Nacht bei der EZB parken, müssen einen Strafzins in Höhe von 0,4% zahlen. Die höchste Schuldenquote Europas hat Italien und die EU Kommission erwartet für die drittgrößte europäische Volkswirtschaft für das Jahr 2019 gerade mal ein Wachstum von 0,2%. Um den stetig wachsenden Schuldendienst zu leisten, braucht Italien anhaltend niedrige Zinsen. Nicht überraschend: Auch dies hatten wir schon im letzten Oktober in unserer Kolumne geschrieben. Wir hatten auch darauf hingewiesen, dass Ende 2019 kein Ende des Anleihekaufprogramms kommen würde, sondern dass nur kein „neues Geld“ in die Hand genommen werde. Das auslaufende Anleihegelder zukünftig noch stärker in Richtung Italien kanalisiert werden müssen, liegt auf der Hand. Hier droht eine handfeste Schuldenkrise.

Dies alles (neben dem Dauerthema BrExit) führte dazu, dass die zehnjährige Bundesanleihe kurzfristig in den negativen Bereich rutschte. In der Eurozone fungiert die Bundesanleihe auch mangels anderer Alternativen als sicherer Hafen. Wir haben also eine deutliche Leckage im Anleihemarkt – ausgelöst mittlerweile nicht mehr durch die Bankenkrise im Jahr 2008 sondern durch politische populistische Fehler der EU-Staaten. Der Weg zu auskömmlichen Renditen ist steinig und lang. Momentan sehen wir zwei Lichter am Horizont glimmen. Einerseits besteht die Möglichkeit für die Anleger, ihr Depot zu internationalisieren. Aber Vorsicht: Das funktioniert nur bei einer aktiven Vermögensverwaltung, denn Währungsrisiken können minimale Renditen sehr schnell schlucken.

Die andere Möglichkeit ist, sich opportunistisch zu verhalten und in Hochzinsanleihen zu investieren. Auch hier ist eine aktive Vermögensverwaltung unumgänglich. Investments in Ramschanleihen kommen nicht in Frage. Kursschwankungen von Anleihen sollten auch nur ein begrenztes Anlagekriterium sein. Wichtiger ist ein stabiler Cashflow des Unternehmens. Damit ist es nie in Gefahr in eine Insolvenz zu geraten, oder seinen Schuldendienst nicht mehr bedienen zu können. Fremdkapital ist kein Wagniskapital. Dafür sollten die Unternehmen Eigenkapital an den Kapitalmärkten einwerben. Last but not least: Der aktive Vermögensverwalter muss transparent mit dem CFO des Unternehmens kommunizieren. Das Unternehmen sollte frühzeitig eine Prolongierung der bestehenden Anleihe anstreben, um vorausschauend und seriös gegenüber dem Kapitalmarkt aufzutreten.

Asset Management Team der Steubing AG

Foto: pixabay.com

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