„Wir möchten den Anleihe-Zins auf 4,25% p.a. anpassen lassen und die Laufzeit bis 2029 verlängern“ – Interview mit Aimé Hecker, Hylea Group S.A.

Mittwoch, 9. Juni 2021


Aufgrund der Pandemie-Auswirkungen war die Hylea Group – ein weltweit exportierender Paranuss-Produzent aus Bolivien – nicht in der Lage, die zum 01. Juni fälligen Anleihe-Zinsen an ihre Investoren zu zahlen. Das Paranuss-Unternehmen sucht nunmehr den Dialog mit den Anleihegläubigern und lädt diese zu einer Gläubigerversammlung am 28. Juni 2021 in Frankfurt am Main ein. Im Gespräch mit der Anleihen Finder-Redaktion erklärt Hylea-Vorstand Aimé Hecker, warum es zu der finanziell prekären Situation gekommen ist, inwiefern die Anleihe restrukturiert werden soll und wie die Hylea Group wieder in die Spur finden soll.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Hecker, was ist bei der Hylea Group los? Warum konnten die Anleihe-Zinsen nicht ausgezahlt werden?

Aimé Hecker: Hylea ist von einer Verkettung externer Sondereffekte getroffen worden, wie wir sie in der mehr als 100jährigen Geschichte unseres Familienunternehmens noch nie erlebt haben. Witterungsbedingte Verzögerungen beim Bau unserer neuen, hochmodernen Fabrik für Paranüsse, temporäre politische Verwerfungen in unserem Produktionsland Bolivien und die COVID-19 Pandemie haben eine Kombination ergeben, die unser operatives Geschäft und die Liquiditätssituation erheblich belastet haben. Zum Glück ist auch bezüglich COVID-19 zumindest perspektivisch eine Rückkehr zur Normalität absehbar, aber dennoch sind wir durch die Einmaleffekte in einer Situation, in der wir Liquidität im Unternehmen halten und unsere Unternehmensanleihe auf eine langfristig tragfähige Basis stellen müssen. Dies ist im Interesse aller Anleihegläubiger, des Unternehmens und der weit mehr als tausend Familien, deren Lebensunterhalt davon abhängt.

Anleihen Finder: Inwiefern ‚mehr als tausend Familien‘?

Aimé Hecker: Was am Kapitalmarkt vielleicht gar nicht so bekannt ist: Hylea ist ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen, das den südamerikanischen Regenwald durch das operative Geschäft schützt und zudem hochgradig sozial engagiert ist. Ich möchte dies kurz ausführen. In der bolivianischen Region Fortaleza / Pando tragen Hylea und meine Familie zum Aufbau von Infrastruktur und damit der Verbesserung der Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung sehr signifikant bei. Ich meine damit beispielsweise den Bau von Schulen und medizinischer Versorgung, aber auch Trinkwasser und Lebensmittel. Zudem haben wir 1.500 Paranusssammler, die für uns arbeiten und mehrere hundert Mitarbeiter, denen wir als Angestellte Lohn und Brot sichern. Die ökologische Komponente von Hylea resultiert daraus, dass Paranussbäume nur in einem intakten Regenwald wachsen und gedeihen können. Eine Kultivierung ist nicht möglich. Entsprechend schützen wir und die zahlreichen Menschen, die von der Paranuss leben, den Regenwald mit aller Kraft, um ihre Lebensgrundlage zu erhalten.    

Anleihen Finder: Im vergangenen Jahr sagten Sie uns „die Investoren müssen sich keine Sorgen machen“ – das sieht jetzt anders aus. Wie Ernst ist die Lage und wie wollen Sie die prekäre Situation jetzt lösen?

„Wollen unsere Prozesse in nahezu allen Bereichen weiter professionalisieren und zusätzliche Kompetenz ins Unternehmen holen“   

Aimé Hecker: Natürlich ist die Situation aktuell nicht einfach, denn die COVID-19 Pandemie dauert wesentlich länger, als wir das vor einem Jahr erwartet haben. Aber wir wissen, dass wir es gemeinsam schaffen können, die lange Erfolgsgeschichte dieses Traditionsunternehmens fortzuschreiben. Wir haben eine klare Strategie, die maßgeblich auf dem Ausbau des Direktvertriebs unserer Paranüsse in Europa und Asien fußt und auf der erweiterten Nutzung der Paranuss und ihrer Inhaltsstoffe. Entsprechend sind wir beispielsweise in guten Gesprächen mit großen Einzelhandelsketten und haben ein gemeinsames Forschungsprojekt mit der Technischen Universität Köln. Und wir wollen unsere Prozesse in nahezu allen Bereichen weiter professionalisieren und zusätzliche Kompetenz für die weitere Umsetzung unserer Strategie ins Unternehmen holen. 

Anleihen Finder: Welche Maßnahmen planen Sie hier konkret?

Aimé Hecker: Ganz konkret wollen wir noch im 3. Quartal 2021 einen kompetenten und erfahrenen CFO ins Unternehmen holen, der einerseits den Finanzbereich noch besser strukturiert und der anderseits auch Netzwerk in den Handelsbereich mitbringt, um den Ausbau des Direktvertriebs zu unterstützen. Wir befinden uns derzeit in aussichtsreichen Gesprächen, so dass ich optimistisch bin, diese Verstärkung schnell an Bord zu haben. Auch unseren Aufsichtsrat wollen wir um Experten und Netzwerker aus dem Lebensmittelbereich ergänzen, entsprechende Sondierungen laufen ebenfalls. Die Einführung eines neuen ERP- und Warenwirtschaftssystems haben wir bereits nahezu abgeschlossen und werden damit die Steuerung unserer operativen Prozesse auf ein besseres Niveau heben. Sie sehen, wir arbeiten hart daran, unsere Schwächen der vergangenen Jahre schnell und nachhaltig zu beheben.

Anleihen Finder: Was schlagen Sie Ihren Anleihegläubigern auf der Gläubigerversammlung am 28.06.2021 in Frankfurt in Bezug auf die Anleihebedingungen konkret vor? Und wie können interessierte Gläubiger daran teilnehmen?

„Wir möchten die Laufzeit der Anleihe von 2022 auf 2029 verlängern. Das gibt uns Zeit, wieder nachhaltig profitabel zu werden“

Aimé Hecker: Wir möchten den jährlichen Zinssatz der Anleihe von 7,25 auf 4,25 Prozent anpassen lassen. Damit würde Hylea den notwendigen Finanzspielraum erhalten, um nach der Krise wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen und die Unternehmensstrategie weiter konsequent umsetzen zu können. Gleichzeitig möchten wir die Laufzeit der Anleihe von 2022 auf 2029 verlängern. Das gibt dem Unternehmen die Zeit, wieder nachhaltig profitabel zu werden und sichert den Gläubigern längerfristig einen sehr auskömmlichen Zins.

Gläubiger können an der Versammlung entweder persönlich teilnehmen oder einen Vertreter bevollmächtigen. Auch wir als Unternehmen stellen einen Vertreter, der nach Bevollmächtigung und Anweisung jeweils für den einzelnen Gläubiger das Stimmrecht ausübt. Alle notwendigen Unterlagen werden zum einen durch die depotführenden Banken und natürlich auch auf unserer Website zur Verfügung gestellt.

ANLEIHE CHECK: Die im Dezember 2017 emittierte Anleihe der Hylea Group S.A. (WKN: A19S80) ist mit einem Zinskupon von 7,25% p.a. (Zinstermin halbjährlich am 01.06. und 01.12.) ausgestattet und hat eine fünfjährige Laufzeit bis zum 01.12.2022. Die Anleihe wurde während der Laufzeit zweimal aufgestockt und hat ein platziertes Gesamtvolumen von etwa 30 Mio. Euro.

Anleihen Finder: Warum haben Sie die Zinsaussetzung so spät kommuniziert? Die Pandemie und ihre Auswirkungen sind schon länger bekannt und im Geschäftsmodell abbildbar. Hätten Sie nicht viel früher reagieren können/müssen?

Aimé Hecker: Im Nachhinein kann ich sagen, ich habe zu lange gehofft, dass wir die aktuelle Paranussernte noch rechtzeitig im Ausland monetarisieren können, um die Zinsen doch pünktlich zahlen zu können. Das hat aufgrund logistischer Verzögerungen dann doch nicht geklappt, aber es war falsch, zu lange darauf zu setzen. Zumal wir ja eine grundsätzliche Anpassung bei Kuponhöhe und Laufzeit der Anleihe benötigen, um in den kommenden Jahren mit ruhiger Hand wirtschaften zu können. Hier fehlte es uns schlicht an der Erfahrung bezüglich Kapitalmarkt und Kommunikation. Aber diese Schwäche haben wir erkannt und beheben sie. 

Anleihen Finder: Sind die Zahlungsschwierigkeiten gänzlich auf die Pandemie-Auswirkungen zurückzuführen?

„2020 war ein sehr hartes Jahr und 2021 wird noch ein Übergangsjahr werden“

Aimé Hecker: Es waren zwar mehrere einmalige Sondereffekte, die ich anfangs bereits angerissen habe, aber der entscheidende Faktor war letztlich die Pandemie. Sie hat internationale Lieferketten über einen Zeitraum von nunmehr gut 15 Monaten massiv eingeschränkt und uns als internationaler Exporteur eines Lebensmittels extrem getroffen. Das ging natürlich nicht nur uns so, aber wir sind in der glücklichen Lage, dass wir so lange durchhalten konnten, bis jetzt wieder Licht am Ende des Tunnels deutlich sichtbar ist. 2020 war ein sehr hartes Jahr und 2021 wird noch ein Übergangsjahr werden. Aber wir merken, dass sich der Markt wieder öffnet und wir als Nummer 3 in der Welt natürlich eine starke Position haben, um wieder an den positiven Perspektiven zu partizipieren.

Anleihen Finder: Wie schätzen Sie den Markt grundsätzlich für die kommenden Jahre ein?

Aimé Hecker: Gesunde Ernährung ist ein globaler Megatrend, von dem wir als Produzent und Lieferant eines natürlichen Lebensmittels im hohen Maße profitieren. Zudem wird Ware, die ökologische Standards erfüllt und auf sozialer Basis produziert und verarbeitet wird, immer stärker nachgefragt. Auch dieses Kriterium erfüllen wir. Insofern bin ich grundsätzlich sehr positiv für den Markt gestimmt und das über viele, viele Jahre.

Anleihen Finder: Wie sehen die Finanzkennzahlen nach aktuellem Stand aus? Mit welchen Ergebnissen rechnen Sie im Geschäftsjahr 2020 und wie war die Entwicklung in den Vorjahren?

Aimé Hecker: 2020 war auch für uns ein schwieriges Jahr, das wir mit einem deutlichen Verlust abgeschlossen haben. Unsere Eigenkapitalquote ist dadurch merklich gesunken, bleibt aber natürlich positiv. Detaillierte Zahlen werden wir noch vor der Anleihegläubigerversammlung melden und testierte Jahresabschlüsse für 2020 und 2019 veröffentlichen.

Anleihen Finder: Sie generieren ja dennoch weiterhin Einnahmen. Wofür wird das „nicht ausgezahlte“ Geld der Zinszahlung jetzt konkret verwendet?

„Unsere aktuelle Liquiditätssituation würde es uns erlauben, einen angepassten Kupon von 4,25 Prozent p.a. für die ursprünglich zum 1. Juni fällige Zinszahlung der Anleihe zu bedienen“

Aimé Hecker: Wir generieren Einnahmen, das ist zum Glück richtig. Wir zahlen davon die Löhne und Gehälter unserer Mitarbeiter, finanzieren unseren Vertrieb und halten natürlich eine Infrastruktur vor, um unser Geschäft in Zukunft wieder expandieren zu können. Wir haben in Fortaleza nunmehr eine hochmoderne Fabrik, mit der wir sehr effizient und kostengünstig produzieren können. Unsere aktuelle Liquiditätssituation würde es uns auch erlauben, einen angepassten Kupon von 4,25 Prozent p.a. schon für die ursprünglich zum 1. Juni fällige Zinszahlung der Anleihe zu bedienen. Es ist uns wichtig, Vertrauen als verlässlicher Kapitalmarktpartner zurückzugewinnen.

Anleihen Finder: Wie entwickeln sich derzeit die Rohstoffpreise für Paranüsse? Ist der Markt nach wie vor gefragt?

Aimé Hecker: Die Preise am Weltmarkt erholten sich. Das ist ein gutes Zeichen und untermauert unseren Optimismus. Wie ich bereits ausführte, machen der Trend zur gesunden Ernährung und die umweltfreundlichen und sozialen Aspekte bei Wachstum, Ernte und Verarbeitung die Paranuss zu einem gefragten Produkt – sowie natürlich der tolle Geschmack, wenn ich meine persönliche Meinung hier einfließen lassen darf. Vom positiven Preistrend wollen wir mittelfristig profitieren, zunächst erfüllen wir natürlich die Verträge, die wir in den vergangenen Monaten abgeschlossen haben.

Anleihen Finder: Wie ist die Situation im Produktionsland Bolivien? Haben Sie dort weiterhin mit Produktions- und Exportbeschränkungen zu kämpfen?

Aimé Hecker: Die politische Lage hat sich nach den demokratischen Wahlen entspannt und es kehrt wieder Ruhe im Land ein. Wirtschaftlich hinterlässt COVID-19 noch Spuren. Die Lieferketten funktionieren immer noch nicht reibungslos, aber das sollte sich mit dem Abklingen der Pandemie im weiteren Jahresverlauf deutlich verbessern. 

Anleihen Finder: Sollten die Gläubiger den Anpassungen der Anleihe zustimmen – wie gewährleisten Sie die Zinszahlungen in den kommenden Jahren und die Refinanzierung der Anleihe am Laufzeitende?

„Wir haben aus unseren Fehlern gelernt“

Aimé Hecker: Wir haben ein tragfähiges und erprobtes Kerngeschäft, dass wir in der Vergangenheit profitabel aufgebaut haben. Diese operative Stärke ist die Basis für hohe positive Cashflows und Gewinne auch in Zukunft. Damit stellen wir Zinszahlungen sicher und auch für die Refinanzierung in 2029 ist eine starke Innenfinanzierung ein wichtiger Baustein, aber natürlich haben wir auch andere Optionen. Die genannten positiven Nachfragetrends und der Umstand, dass wir unsere Strukturen noch weiter optimieren und die Wertschöpfung kontinuierlich ausbauen, verbessern unsere Perspektiven zusätzlich. Wir sind seit mehr als 100 Jahren am Weltmarkt präsent, so dass die Anleihegläubiger sich nicht auf ein Konzept und vage Visionen verlassen müssen, sondern auf ein erprobtes Geschäft bauen können. Und wir haben aus unseren Fehlern gelernt, das ist – denke ich – ein weiterer wichtiger Faktor.

Anleihen Finder: Was stimmt Sie optimistisch, dass die Hylea Group mit Hilfe Ihrer Gläubiger wieder in die Spur kommt?

Aimé Hecker: Wir haben positive Rückmeldungen von vielen Anleihegläubigern im Vorfeld der Versammlung erhalten. Dazu trägt auch bei, dass jedem klar ist, dass wir mit aller Kraft schützen und bewahren wollen, was meine Familie über vier Generationen aufgebaut hat. Denn in Hylea steckt unser Lebenswerk, unser gesamtes Vermögen und all unser Herzblut. Wir sitzen mit den Gläubigern in einem Boot und ich weiß, dass wir gemeinsam Hylea nach der COVID-19 Krise wieder erfolgreich machen können. Die entscheidenden Faktoren dafür habe ich genannt.

Anleihen Finder: Besten Dank für das Gespräch, Herr Hecker.

Anleihen Finder Redaktion.

Titelfoto: Anleihen Finder Redaktion.

Fotos: HYLEA Group S.A.

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