„Wer relativ ruhig schlafen kann“ – Kolumne von Michael Vaupel, Murphy&Spitz Nachhaltige Vermögensverwaltung AG
Es ist derzeit schwer, einen Finanzartikel zu finden, in dem nicht das Wort Corona oder COVID-19 verwendet wird. Dieser Beitrag ist keine Ausnahme, denn die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben auch den Rentenmarkt getroffen. Einzelne Anleihen gerieten massiv unter Druck, bei anderen hielten sich die Auswirkungen auf die Notierung in Grenzen.
Um mit einer Binse zu beginnen: Generell fällt auf, dass sich die Volatilität an den Finanzmärkten im März erhöht hat. Gerade bei Mittelstandsanleihen zeigten sich im Monat März prozentuale Kursbewegungen, die in ruhigeren Zeiten selbst für manche Aktien ungewöhnlich sind. Als Beispiel sei auf die 7,50% Ekosem-Agrar Anleihe (ISIN: DE000A2YNR08) verwiesen. Anfang März notierte das Papier noch gemächlich knapp unter pari.
Am 18. März war die Notierung dann auf zwischenzeitlich 66% des Nominalwertes eingebrochen, nur um dann bis Anfang April wieder auf ca. 90% zu steigen. Vielleicht wirkte sich da die Mitteilung von Ekosem-Agrar aus, derzufolge das Unternehmen „noch keine wesentlichen Auswirkungen“ durch die Coronavirus-Pandemie auf das eigene operative Geschäft sieht. Ob das so bleiben wird, wird sich zeigen.
Grundsätzlich gilt es – wie so oft im Leben – zu differenzieren. Geriet ein Anleihen-Kurs unter Druck, weil es unternehmensspezifische Neuigkeiten bzw. Entwicklungen gibt, die das rechtfertigen könnten? Oder ist die Notierung einer Anleihe eingebrochen, weil andere Faktoren, die mit der Bonität des Emittenten nichts zu tun haben, die Oberhand hatten?
Wenn der Wertpapierkredit nicht mehr gedeckt ist…
Es mag Investoren geben, welche mit Wertpapierkrediten einen großen Teil ihrer Wertpapierkäufe finanziert haben. Wenn nun der Depotwert gesunken ist, ist es vorstellbar, dass dieser nicht mehr zur Deckung der Wertpapierkredite reicht. In so einem Fall kann es dann dazu kommen, dass auch eigentlich gesunde Papiere wie bestimmte Mittelstandsanleihen verkauft werden (müssen). So könnte es auch einem Fonds gehen, der aufgrund von Mittelabflüssen zwangsweise verkaufen muss. Solche Verkäufe um jeden Preis würden dann die Performance des Fonds drücken – und den Druck auf die Notierung der betreffenden Anleihe noch verstärken. Diese Faktoren gilt es genau zu beobachten.
Beim Punkt unternehmensspezifische Faktoren ist es für einen ersten Überblick hilfreich, die Emittenten in Gruppen einzuordnen, die durch das Geschäftsfeld bestimmt werden. So lässt sich zum Beispiel bereits mit dem gesunden Menschenverstand feststellen, dass Bestandshalter von Solar- oder Windenergie-Anlagen mit guter Bilanz von der Coronavirus-Pandemie kaum betroffen sind. Was kümmert sich eine Anlage, die Strom produziert und damit Cash generiert, schon um einen Virus?
Tendenziell relativ stabil zeigten sich die Anleihen von solchen Erneuerbare Energien Bestandshaltern. Das gilt auch für Bestandshalter, die ebenfalls im Projektiergeschäft tätig sind. Es sei hier zum Beispiel auf die 6,50% Energiekontor-Anleihe mit Laufzeit bis 2022 verwiesen (ISIN: DE000A1MLW08). Diese notiert weiterhin im Bereich pari und kümmert sich damit um die Coronavirus-Pandemie in etwa so viel wie der Verfasser dieses Beitrags um ein Glas Bier, wenn es leer ist.
Von 100 auf 40 auf 70 – in nur einem Monat
Ganz anders das Bild bei Unternehmen, die relativ stark von externen Faktoren wie dem Ölpreis abhängig sind. Auch hier ein Beispiel: Die 5,25% Deutsche Rohstoff Anleihe mit Laufzeit bis 2024 (ISIN: DE000A2YN3Q8) stand Anfang März im Bereich pari. Im März sackte das Papier zwischenzeitlich auf unter 40% des Nominalwertes durch. Anders als bei Bestandshaltern im Bereich der Erneuerbaren Energien ist das Unternehmen über diverse Beteiligungen stark im Bereich Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas engagiert.
Und wenn der Ölpreis – wie zuletzt gesehen – einbricht, dann werden auch entsprechende Vorkommen bzw. deren Erschließung tendenziell unattraktiver. Es gilt aber, auch hier die Kirche im Dorf zu lassen: Per Ende 2019 verfügte die Deutsche Rohstoff AG schließlich laut eigenen Angaben über liquide Mittel von 85,2 Mio. Euro und konnte eine Eigenkapitalquote von 26% vorweisen. Die Notierung der Anleihe erholte sich inzwischen wieder auf Notierungen von gut 70%.
Festzuhalten bleibt, dass auch und besonders am Markt für Mittelstandsanleihen der rein rational handelnde homo oeconomicus nach Ansicht des Verfassers dieses Beitrags ein Mythos ist. Bei den teilweise drastischen Kursbewegungen im März ist Differenzierung ratsam: Gab es unternehmensspezifische Gründe, ist der Emittent stark von bestimmten externen Faktoren wie dem Ölpreis abhängig oder nicht? Aus Sicht von Anleger(inne)n mit Wertschätzung von Nachhaltigkeitsthemen ist es relativ erfreulich, dass sie mit Anleihen von z.B. Bestandshaltern im Bereich Erneuerbare Energien auch in Zeiten der Coronavirus-Pandemie vergleichsweise gut schlafen können.
Michael Vaupel,
Diplomierter Volkswirt und Historiker (M.A.),
Murphy&Spitz Nachhaltige Vermögensverwaltung AG
Portraitfoto: Michael Vaupel
Titelfoto: pixabay.com
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