„Unsere Neuaufträge werden nun verstärkt in Serie gebracht“ – Interview mit Dr. Hubertus Bartsch, Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH
Entgegen dem Trend in der Automobilbranche konnte die Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH (NZWL), ein international tätiger Produzent von Motor- und Getriebeteilen, ihren Wachstumskurs auch im ersten Halbjahr 2019 fortsetzen. Die Anleihen Finder Redaktion hat mit NZWL-Chef Dr. Hubertus Bartsch über das Unternehmen und die gegenwärtige Situation in der Automobilbranche gesprochen.
Anleihen Finder: Hallo Herr Dr. Bartsch, im letzten Interview vor rd. einem Jahr sagten Sie uns, dass die NZWL-Produkte stärker nachgefragt seien als erwartet. Ist das immer noch so?
Dr. Hubertus Bartsch: Die Nachfrage nach unseren Produkten entwickelt sich weiterhin positiv, wie nicht zuletzt auch der Auftragseingang von 73,2 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2019 zeigt. Dementsprechend stieg der Auftragsbestand zum 30. Juni 2019 auf 84,3 Mio. Euro.
Anleihen Finder: Welche Produkte/Bereiche sind derzeit die Zugpferde?
Dr. Hubertus Bartsch: In den ersten sechs Monaten 2019 konnten wir vor allem Neuaufträge für E-Antriebe und Hybridsysteme sowie Räder und Wellen für den Nutzfahrzeugbereich akquirieren. Damit setzt sich ein gewisser Trend weiter fort.
„Konnten uns von den negativen Branchentrends abkoppeln“
Anleihen Finder: Zum Halbjahr konnten Ertrag und Umsatz gesteigert werden. Gerade in Anbetracht des aktuellen Branchenumfelds ist das bemerkenswert. Was sind die Gründe dafür?
Dr. Hubertus Bartsch: Dass wir Umsatz und Ertrag weiter steigern und uns somit von negativen Branchentrends abkoppeln konnten, hat zwei Gründe: Zum einen laufen derzeit alte Antriebstechniken wie Handschaltgetriebe schneller aus, was uns jedoch kaum beeinflusst, da unser Auftragsvolumen in diesen alten Antriebstechniken relativ klein ist. Zudem hatten wir bei den Neuaufträgen, die für kleinere Serien mit sportlicher Handschalttechnik gedacht waren und gestoppt wurden, noch kein Umsatzvolumen. Zum anderen wirkt sich die entsprechend beschleunigte Nachfrage nach automatischen Antrieben auch positiv auf die für uns relevanten Doppelkupplungsgetriebe aus – sowohl über Neuaufträge als auch über Volumenerhöhungen. Unsere Neuaufträge werden nun verstärkt in Serie gebracht, da Doppelkupplungsgetriebe weiterhin schnell einsetzbar in Hybrid- und in E-Antriebssysteme sind. Für diese Getriebe liefern wir additiv zu den Synchronisierungsbaugruppen in Großserien auch Zahnradantriebe, deren Volumen mit den Neuaufträgen deutlich ansteigt.
Anleihen Finder: Werden Sie Ihre operativen Ziele für das Geschäftsjahr 2019 allesamt erreichen?
Dr. Hubertus Bartsch: Ja, in Anbetracht der erfreulichen Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr gehen wir unverändert davon aus. Es bleibt also unser Ziel, den Vorjahresumsatz von 107,1 Mio. Euro um 3 % bis 7 % zu steigern, die Eigenkapitalquote zu stärken und einen Konzernjahresüberschuss von 1,5 bis 2,1 Mio. Euro zu erzielen.
Anleihen Finder: Wie entwickelt sich die Branche im Allgemeinen? Wo liegen die aktuell größten „Potenziale“ und die größten „Herausforderungen“?
„Drastische Veränderungen in der Automobilindustrie“
Dr. Hubertus Bartsch: Die Automobilindustrie wird von den umweltpolitischen Rahmenbedingungen der Gesetzgeber in Amerika, China und Europa zu drastischen und in Einzelfällen auch dramatischen Veränderungen aufgefordert. Diese Entwicklung führt einerseits zu einer grundlegenden beschleunigten Überprüfung und Umstellung der Antriebstechnik. Vielfach denkt man da direkt an Elektroantriebe, aber das ist nicht der einzige Weg: Es geht, vereinfacht gesagt, um die Reduktion und Einstellung der älteren Techniken (wie Handschaltgetriebe) und um die Beschleunigung bei automatischen Antrieben, die geeignet sind, in die automatischen Steuerungen durch Assistenzsysteme integriert zu werden, wie es zum Beispiel die modernen Doppelkupplungsgetriebe (DCT-Systeme) ermöglichen. Andererseits sind eine beschleunigte Marktrealisierung von ökologisch günstigeren Getriebevarianten bei automatischen Getrieben, wie beispielsweise DCT-Systeme mit besserer ökologischer Bilanz, sowie natürlich auch eine verstärkte Realisierung von Hybrid- und E-Antriebstechniken zu beobachten.
Anleihen Finder: In China sind Sie schon tätig. Wie sind die Pläne für die anvisierte Expansion in den USA?
Dr. Hubertus Bartsch: Grundsätzlich können wir uns diesen Schritt im Schulterschluss mit unseren Kunden weiterhin vorstellen. Aufgrund der aktuellen konjunkturellen und branchenbezogenen Rahmenbedingungen bleibt es eher eine mittel- bis langfristige Option.
Anleihen Finder: Wie viel Zeit geben Sie sich, um die Umsatzmarke von 200 Mio. Euro zu knacken?
Dr. Hubertus Bartsch: Wir haben uns für diese Umsatzmarke, die auch unseren Schwester-Konzern NZWL International berücksichtigt, kein zeitliches Ziel gesetzt. Sie spiegelt in erster Linie das Potenzial unserer Unternehmensgruppe wider, das durch die zwischenzeitlich neu akquirierten Aufträge weiter zugenommen hat.
Anleihen Finder: Die letzte Anleihen-Emission im November 2018 wurde im Volumen von 12,5 Mio. Euro vollständig platziert. Konnten die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden?
„Haben in E-Mobilitätsprojekte investiert“
Dr. Hubertus Bartsch: Nicht zu vergessen die erfolgreiche Aufstockung im Maximalvolumen von weiteren 5 Mio. Euro im März dieses Jahres. Die Mittel wurden zielgerichtet verwendet, u. a. zur Finanzierung von Erweiterungs- und Maschineninvestitionen sowie von Working Capital an den europäischen Standorten. Zudem haben wir in E-Mobilitätsprojekte investiert, konkret in den Ausbau der erforderlichen Entwicklungskapazitäten (Personal, Software), eine Kapazitätserweiterung, die Vorfinanzierung von Entwicklungsprojekten (Muster, Vorprodukte), den Ausbau im Bereich Synchronisierung für Hybrid-Technik sowie in Maschinen für Zahnräder und Wellen im LKW-Bereich.
Anleihen Finder: Die NZWL ist gegenwärtig sogar mit drei Anleihen am KMU-Anleihen-Markt vertreten. Wie hoch ist insgesamt derzeit das platzierte Fremdkapital-Volumen und wie sind Sie mit den Performances der Anleihen zufrieden?
Dr. Hubertus Bartsch: Das Gesamtvolumen der drei Anleihen liegt aktuell bei rund 55 Mio. Euro und damit innerhalb unseres Zielkorridors von 50 bis 65 Mio. Euro. Mit der Performance sind wir durchaus zufrieden, denn trotz der konjunkturellen und branchenbezogenen Rahmenbedingungen notierten unsere Anleihen in den vergangenen zwölf Monaten in einem Korridor zwischen 96,50 und 109,50.
„Anleihen sind auch in Zukunft eine interessante Option“
Anleihen Finder: Ist eine weitere Anleihen-Emission mittelfristig denkbar, bspw. zur vorzeitigen Ablösung eines laufenden Bonds oder etwa für Expansionszwecke?
Dr. Hubertus Bartsch: Unser Hauptaugenmerk gilt grundsätzlich einem soliden Finanzierungsmix. Dazu setzen wir auf eine vernünftige Eigenkapitalausstattung und Anleihen, aber auch auf klassische Bankdarlehen, speziell in China. Dass wir mit Anleihen sehr positive Erfahrungen gemacht haben, ist kein Geheimnis. Daher bleibt dieses Finanzierungsinstrument auch in Zukunft eine interessante Option. Mit Umtauschangeboten haben wir ebenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht bzw. fanden diese bei unseren Anlegern immer großen Anklang. Deshalb bleibt dieses Instrument sicherlich eine Option, um die Fristigkeiten im Fremdkapital solide zu steuern.
Anleihen Finder: Inwiefern soll die Verschuldung in den kommenden Jahren abgebaut werden und wie kann die Finanzierungsstruktur der NZWL-Gruppe weiter optimiert werden?
Dr. Hubertus Bartsch: Wir setzen hier ganz klar darauf, dass wir unseren Wachstumskurs weiter fortsetzen werden. Da unsere Gesellschafter garantiert haben, dass die Gewinne auch in Zukunft zu mindestens 75 % im Unternehmen belassen werden, gehen wir davon aus, dass die erwartete, positive Geschäftsentwicklung auch mit einer entsprechenden Erhöhung der Eigenkapitalausstattung und damit einer Optimierung der Finanzierungsstruktur einhergehen wird.
Anleihen Finder: Geben Sie uns abschließend noch einen Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr. Welche unternehmerischen Ziele strebt die NZWL für 2020 an?
Dr. Hubertus Bartsch: Eine konkrete Finanzprognose werden wir wie üblich im Rahmen des Jahresabschlusses veröffentlichen, doch grundsätzlich wollen wir unseren Wachstumskurs der vergangenen Jahre konsequent fortführen. Diese Entwicklung soll sich sowohl im Umsatz als auch im Ertrag widerspiegeln. Gleichzeitig gehen wir davon aus, unsere Marktposition und Kundenbeziehungen in Europa und China zu stärken bzw. zu erweitern.
Anleihen Finder: Besten Dank für das Gespräch Herr Dr. Bartsch.
Fotos: Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH
Anleihen Finder Datenbank
Anleihe der Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH 2014/19 (getilgt)
Anleihe der Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH 2015/21
Anleihe der Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH 2017/23
Anleihe der Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH 2018/24
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