„Können Trinkwasserhygiene über unser digitales System dauerhaft sicherstellen“ – Interview mit Sascha Müller, ACTAQUA GmbH

Donnerstag, 3. Dezember 2020


Die ACTAQUA GmbH ist ein 2017 gegründetes Technologieunternehmen mit eigener Produktion, Forschung und Entwicklung im Bereich der Dienstleistungen für Immobilien. Erstmals hat das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Schriesheim nun eine Anleihe aufgelegt, um das weitere Wachstum voranzutreiben. Nach dem die 20 Mio. Euro-Anleihe zunächst nur qualifizierten Anlegern angeboten wurde, ist sie nun über die Börse Frankfurt in 1.000er Stückelung handelbar. Die Anleihen Finder Redaktion hat mit Finanzchef Sascha Müller über die ACTAGQUA GmbH und die Anleihe-Emission gesprochen.

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Müller, was treibt die ACTAQUA GmbH an den Kapitalmarkt?  

Sascha Müller: Unser Geschäftsmodell ist sehr profitabel, bedingt aber einen relativ hohen Vorfinanzierungsbedarf. Denn wir verkaufen unseren Kunden kein Produkt, sondern eine Dienstleistung – den sachgerechten Betrieb der Trinkwasseranlage über ein intelligentes Regelsystem inklusive Monitoring, Dokumentation und Cloud-Anbindung. In der Regel schließen wir Wartungsverträge über zehn Jahre und erhalten dafür pro Wohneinheit monatliche Zahlungen. Die kompletten Kosten für Material, Montage, Inbetriebnahme und Datenvolumen fallen hingegen innerhalb der ersten drei Monate eines Projekts an. Unsere Innenfinanzierungsfähigkeit stößt zunehmend an Grenzen und die Banken tun sich schwer, unser Geschäftsmodell in ihren Ratingsystemen abzubilden. Der Gang an den Kapitalmarkt ist deshalb die logische Folge.

Anleihen Finder: Erklären Sie uns doch kurz Ihr Geschäftsmodell und Ihr System „PAUL“.

Sascha Müller: ACTAQUA ist im Bereich Smart Building tätig. Konkret unterstützen wir Immobilienbetreiber bei der Digitalisierung von Gebäudetechnik und tragen dazu bei, Energieverbrauch und CO2-Ausstoß zu senken. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf wasserführenden Systemen. Mit dem Regelsystem PAUL haben wir eine Plattform entwickelt, die die Heiz- und Trinkwasseranlage mittels Big Data und künstlicher Intelligenz digitalisiert und dabei Kosten spart und Transparenz schafft. Aktuell betreut ACTAQUA über 80 Unternehmen der Immobilienwirtschaft mit insgesamt mehr als 60.000 Wohneinheiten.

Anleihen Finder: Inwiefern verbessert/vereinfacht Ihre Erfindung die Wasserqualität in Gebäuden?

Sascha Müller: Trinkwasserhygiene setzt die richtige Temperatur, ständige Zirkulation und den regelmäßigen Wasseraustausch im Leitungsnetz voraus. Nun ist aber fast die Hälfte der Heizungs- und Trinkwasseranlagen in deutschen Wohnungen älter als 20 Jahre. Ablagerungen von Rost und Kalk führen hier regelmäßig zu Fließbehinderungen und geben Mikroorganismen einen Nährboden. Durch die steigende Anzahl an Single-Haushalten, geringere Aufenthaltszeiten in den Wohnungen und falsches Wassersparverhalten wird das Problem noch verstärkt. Bis zu 30 Prozent aller Gebäude leiden schon heute unter erhöhtem Legionellen-Befall. Mit der Plattform PAUL haben wir ein intelligentes Regel- und Steuerungssystem entwickelt, das über digital gesteuerte Kugelhähne und Pumpen fortlaufend einen thermisch-hydraulischen Abgleich vollzieht. So können wir die Trinkwasserhygiene jederzeit vollautomatisch sicherstellen und das Leitungsnetz bestmöglich Instand halten, in vielen Fällen sogar gezielt revitalisieren.

Anleihen Finder: Produkte zur Verbesserung der Trinkwasserhygiene gibt es doch schon einige. Worin besteht Ihr USP?

„PAUL ist derzeit die einzige Lösung, die die Trinkwasserhygiene dauerhaft sicherstellt“

Sascha Müller: Wissen Sie, die üblichen Lösungsansätze bei einem Legionellen-Befall sind immer noch thermische und chemische Desinfektionen. Beide Techniken wirken aber weder nachhaltig, noch präventiv oder revitalisierend und können auch keine gezielte Sanierung unterstützen. PAUL ist derzeit die einzige Lösung, die die Trinkwasserhygiene inklusive Monitoring, Dokumentation, Alarmfunktion und Cloud-Anbindung dauerhaft sicherstellt. Zwar gibt es auch ganzheitliche Ansätze anderer Anbieter, aber diese sind mehr produkt- als serviceorientiert, adressieren den Endkunden nicht direkt, sondern über Großhandel und Sanitärbetriebe und fördern nur ihre eigene App. Mit PAUL bieten wir Immobilienbetreuern mehr als das, nämlich eine Plattform, auf der alle Anbieter willkommen sind. Unser System kann universal integriert werden und ist nicht auf eine spezielle Trinkwasseranlage zugeschnitten oder angewiesen.

Anleihen Finder: Wer gehört zu Ihren Kunden und inwiefern profitieren diese von Ihrem Produkt?

Sascha Müller: Unsere Kunden sind immer direkt die Immobilienbetreiber. Also kleine und große Wohnungsbaugesellschaften sowie Wohnungseigentümergemeinschaften und Mietverwalter. Zu unseren Key Accounts gehören z.B. ADO/ADLER Group, Grand City Properties oder die Deutsche Wohnen. Alle Eigentümer von Mehrfamilienhäusern müssen gemäß der geltenden Trinkwasserverordnung in regelmäßigen Abständen die Trinkwasseranlage auf Legionellen testen lassen. Bei Überschreitung der Grenzwerte drohen Auflagen bis hin zu Betriebsverboten, Mietminderungen, teure Sanierungen und Haftungsrisiken. PAUL überwacht, bedient und pflegt die Trinkwasseranlage und schafft Transparenz. Der Vermieter kann mit unseren Daten den sachgerechten Betrieb nachweisen und sieht auf einmal ganz genau in welchem Zustand die Trinkwasseranlage ist. Notwendige Sanierungen können dadurch deutlich gezielter und kostengünstiger erfolgen und alte Rohre in vielen Fällen sogar revitalisiert werden. Auch die Betriebskosten sinken, weil durch die Automatisierung Energie- und Wasserverbrauch sowie der Bedarf an physischen Hausmeisterleistungen zurückgehen. Und als Clou ist PAUL als dauerhafte Wartung anerkannt und damit grundsätzlich umlagefähig.

INFO: Mehr zur Funktionsweise von PAUL finden Sie hier.

Anleihen Finder: Wofür sollen die Mittel aus der Anleihen-Begebung nun konkret verwendet werden?

„Haben mehr als 500 Angebote mit einem kumulierten Vertragswert von rd. 45 Mio. Euro ausstehend“

Sascha Müller: In erster Linie zur Vorfinanzierung unserer Auftragspipeline. Aktuell haben wir mehr als 500 Angebote mit einem kumulierten Vertragswert in Höhe von rund 45 Millionen Euro ausstehend. Das bedeutet, wir waren beim Kunden vor Ort, haben die Anlage geprüft, den Bedarf analysiert und auf dieser Basis einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Vielfach ist dem bereits ein erfolgreiches Pilotprojekt vorausgegangen, so dass wir die Chancen auf einen Zuschlag in den meisten Fällen als relativ gut einschätzen.

Anleihen Finder: Wie groß ist der Gesamt-Markt für Ihr Produkt?

Sascha Müller: Deutschlandweit gibt es etwa 200.000 Wohngebäude mit mehr als 13 Wohneinheiten. Das ist unser Kernmarkt, denn das Legionellen-Risiko steigt mit der Gebäudegröße. Allein hier liegt das Marktvolumen im Milliardenbereich. Dazu kommen kleinere Wohneinheiten sowie medizinische und öffentliche Einrichtungen, Büros oder Hotels. Gerade letztere stehen durch den eingeschränkten Betrieb infolge der Corona-Maßnahmen vor einem Problem. Wird die Trinkwasseranlage in der Zwischenzeit nicht sachgemäß gewartet, steigt die Gefahr von Legionellen-Infektionen. Davor hat nicht zuletzt das Robert Koch-Institut gewarnt. Und natürlich möchten wir zukünftig auch ins Ausland expandieren.

Anleihen Finder: Die Anleihe gilt als besichert – welche Sicherheiten bieten Sie den Investoren dabei an?

„Als Börsenneuling möchten wir den Investoren die größtmögliche Sicherheit bieten“

Sascha Müller: Grundprinzip unseres Sicherheitenkonzepts ist, dass hinter jedem Euro Anleihevolumen immer auch ein Euro Vertragswert stehen muss. Dafür treten wir unsere Ansprüche aus bestehenden Kundenverträgen, insbesondere auf die Zahlung aus den monatlichen Wartungspauschalen per Globalzession ab. Ein Treuhänder gewährleistet, dass zu jedem Zeitpunkt ausreichend Sicherheiten vorgehalten werden. Zusätzlich wird die erste Zinszahlung auf einem speziellen Konto hinterlegt, das an die Anleihegläubiger verpfändet ist. Als Börsenneuling möchten wir den Investoren die größtmögliche Sicherheit bieten.

ANLEIHE CHECK: Die nicht nachrangige und besicherte Anleihe der ACTAQUA GmbH hat ein Emissionsvolumen von bis zu 20 Mio. Euro. Die Anleihe wird jährlich mit von 7,00% p.a. (Zinstermin jährlich am 01.12.) verzinst und hat eine Laufzeit vom 01.12.2020 bis zum 01.12.2025.

Anleihen Finder: Trotz Sicherheiten bieten Sie qualifizierten Anlegern einen Kupon von 7,00% an – wie ist das aus Unternehmenssicht zu vertreten? Sind Sie kurzfristig auf die Anleihe-Mittel angewiesen?

Sascha Müller: Wir haben noch nicht die Historie und die Umsätze wie andere Anleiheemittenten – daher der höhere Zins. Unser Geschäft ist allerdings so margenstark, dass wir uns das auch leisten können. Angewiesen auf die Mittel sind wir aber nur insofern, dass wir unser profitables Wachstum deutlich beschleunigen können. Über Marktchancen und Projektpipeline haben wir ja bereits gesprochen und jede eingeworbene Million finanziert ein Mehrfaches an Aufträgen.  

Anleihen Finder: Mit welchen Einnahmen stellen Sie letztendlich die Zinszahlungen für die Investoren sicher? Wie können auch Privatanleger an der Anleihe partizipieren?

Sascha Müller: Nach Inbetriebnahme und Einregelung übernimmt die künstliche Intelligenz und erbringt alle vertraglich vereinbarten Leistungen vollautomatisch, so dass wir außer im ersten Jahr quasi keine Projektkosten haben. Demgegenüber stehen wiederkehrende Erträge über 10 Jahre aus den Wartungsverträgen. Zusätzliche Leistungen z.B. für die Sanierung von Leitungssträngen werden separat vergütet. Margen und Cashflows profitieren zudem von der zunehmenden Skalierung. Unsere Anleihe hat eine Stückelung von 1.000 Euro, so dass mit Notierungsaufnahme auch interessierte Privatanleger zum Zug kommen. Die institutionelle Platzierung hatte vor allem Praktikabilitätsgründe.

Hinweis: Sie lesen gerade ein Interview aus unserem aktuellen Newsletter Anleihen Finder-Dezember-01-2020. Registrieren Sie sich für unseren kostenlosen Newsletter und seien Sie stets informiert.

Anleihen Finder: Warum ist die Klassifizierung als „Green Bond“ für Sie wichtig und gerechtfertigt?

Sascha Müller: Durch kontinuierlichen hydraulisch-thermischen Abgleich, dauerhafte Temperaturabsenkung und frühzeitige Warnung bei Leistungsabfall, ermöglicht Paul einen deutlich effizienteren Betrieb der Trinkwasseranlage. Ein um durchschnittlich 16% niedrigerer Energieverbrauch ist das Ergebnis. Das ist vor allem deshalb bedeutsam, weil der Anteil der Trinkwasseranlage am Gesamtenergiebedarf einer Immobilie in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Je besser unsere Gebäude gedämmt sind und je fortschrittlicher die Heiztechnik geworden ist, desto eher sind signifikante CO2-Senkungen nur noch in der Trinkwasseranlage möglich. Hierzu leisten wir einen messbaren Beitrag und deshalb hat imug|rating uns auch das Green-Bond-Siegel zugesprochen.

Anleihen Finder: Die ACTAQUA GmbH ist ein noch sehr junges Unternehmen – wie kam es zur Gründung im Jahr 2017 und welche Erfahrungen bringt das Management mit?

„Wir sammeln jeden Monat über 500 Millionen Messpunkte“

Sascha Müller: ACTAQUA ist als Gesellschaft zwar noch sehr jung, aber die Basis für unseren heutigen Erfolg wurde schon vor über 20 Jahren gelegt. Damals begann einer unserer Gesellschafter mit der Forschungsarbeit am technologischen Verfahren. 2012 haben wir dann mit der strukturierten Erfassung von Temperaturmesspunkten begonnen. In diesem Zuge wurde das aus einem Sanitär-Fachbetrieb stammende kreative Team durch Digital Natives ergänzt, auch meine Erfahrung liegt vor allem im Umgang mit großen Datenmengen. Heute sammeln wir jeden Monat über 500 Millionen Messpunkte, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für unsere Steuerungsautomatik.  

Anleihen Finder: Die Anleihe dient dem Wachstum – wo wollen Sie mit dem Unternehmen hin, welche Meilensteine wollen Sie in den kommenden Jahren erreichen?

Sascha Müller: Im nächsten Jahr möchten wir auch für Ein- und Zweifamilienhäuser, den gemessen an der reinen Anzahl, weitaus größten Markt, eine digitale PAUL-Lösung bieten. Darüber hinaus beginnt 2021 die Expansion in die DACH-Region. Ich denke, wir haben die Chance mit PAUL als digitalem Gebäudezwilling einen echten Standard für die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft zu schaffen. Wir haben bereits mehr als zehn weitere Anwendungen in der Vorbereitung und haben es uns zum Ziel gemacht, einen eigenen Versicherungstarif für mit PAUL gesteuerte Immobilien am Markt zu etablieren. Unseren Kunden auf Basis von Echtzeitdaten das wirtschaftlich effizienteste Bauteil innerhalb der Gebäude zu vermitteln, ist ebenso Teil unserer Mission, wie die maximale Energieeffizienz zu gewährleisten. Es bleibt also spannend und wir haben noch richtig viel vor.

Anleihen Finder: Welche Headline würden Sie gerne in den kommenden Wochen über die ACTAQUA GmbH lesen?

Sascha Müller: „Kurs der Anleihe über pari“

Anleihen Finder: Herr Müller, besten Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion.

Foto: pixabay.com

Portraitbild: Sascha Müller, ACTAQUA GmbH

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