Kapitalmarkt-Standpunkt: Rückspiegel (Teil 1)
Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG:
Rückspiegel (Teil 1) und Glaskugel (Teil 2)
Aus der Vergangenheit lernen (Teil 1) bedeutet Zukunft richtig deuten (Teil 2)
Auch die mwb möchte im Januar des neuen Jahres etwas verändern. Den aufmerksamen Verfolgern unseres Standpunktes ist sicherlich aufgefallen, dass im Dezember eine Weihnachtsruhe herrschte. Unser Motto: Mit voller Kraft ins neue Jahr zeigt sich auch dadurch, dass heuer (2024) im Januar der Standpunkt zweimal erscheint und inhaltlich ein Fortsetzungs-Standpunkt ist.
Unser Standpunkt versucht monatlich Themen zu erkennen, die den Markt – gerade auch für KMU – bewegen. Deswegen analysiert der erste Teil „Rückspiegel“ die mwb-Standpunkte des Jahres 2023.
Im Januar 2023 haben wir den Standpunkt Titanic veröffentlicht, indem wir davon ausgegangen sind, dass die Immobilienkrise zu bewältigen sei und bezogen uns auf Studien verschiedener großer deutscher Banken und schätzten auch selbst den Immobilienmarkt als robust ein, u.a. weil ein fortschreitender Mangel an neuem Wohnraum einen gehörigen gesellschaftlichen Sprengstoff implizieren würde. Leider waren hier unsere Einschätzungen zu positiv. Die Käufer von Wohnimmobilien sind nachhaltig verschreckt worden durch die weiterhin existierenden geopolitischen Unsicherheiten, durch eine zu hohe Inflation und damit verbunden über die EZB hohe Bauzinsen von rund 4% – gepaart mit einem Eigenkapital von 20%, was an den Start gebracht werden musste. Zusätzlich förderte die Bundesregierung über die KfW nur noch Familien, die mit einem Kind nicht mehr als 60.000 Euro an Jahres-Einkommen belegen konnten. Ein unguter Cocktail, der für aufgrund der Datenlage im Januar so noch nicht absehbar war.
Im Februar im Standpunkt Auf der Achterbahn justieren wir schon nach. Hier gehen wir nicht mehr davon aus, dass die „Wunschinflationsrate“ von 2% schnell oder absehbar zu erreichen ist und insofern die EZB auch weiterhin den Leitzins weiter anheben wird – selbstverständlich auch wieder mit massiven Auswirkungen auf die Immobilienbranche.
Und es kam schlimmer… war die Überschrift des März-Standpunktes. Der Kern unseres Standpunktes lautete, dass wir zum ersten Mal „die neue 2 heißt 4“ prognostiziert haben.
Apropos, wer noch ein Beweis für die Richtigkeit dieser Prognose benötigt: Die Inflationsrate im Dezember 2023 ist leicht auf 3,8% gestiegen. Es gibt keinen Aufschrei der EZB – denn die neue 2 heißt 4.
Im April haben wir alle den Tanz in den Mai genossen und uns grundsätzliche Gedanken zur Verunsicherung der Marktteilnehmer durch mangelhafte und falsche Kommunikation gemacht. Eine vertrauensvolle Kommunikation muss eine Konstante und nicht wechselhaft sein. Leider ist nicht nur unser Appell an die Politik und an einen Teil der Massenmedien verpufft, sondern die Situation hat sich im Laufe des Jahres 2023 massiv weiter verschlechtert.
Buy the rumor… …sell the news: Im Mai keimte das zarte Pflänzchen Hoffnung: Wir erwarteten, dass die USA nicht zahlunfähig wird – zu Recht. Auf den letzten Drücker konnte sich geeinigt werden. Bundesbank-Daten schienen ein Zeichen zu geben, dass das Baufi-Neugeschäft im März um 27% gestiegen war. Leider war dies im Nachhinein gesehen nur ein Strohfeuer. „Nur wo ist hier nun das „Rumor“ und was sind die „News“? Die neue 2 heißt 4. Die Inflation ist so lästig wie Long Covid und doch wird sie auch aufgrund der nun historisch aggressiven Zinspolitik weiter langsam zurückgehen. Aber kurzfristig sicher nicht auf die 2 %, egal was die Falken uns mit ihrer Rhetorik einreiben wollen. Diese Rhetorik gehört zu ihrem Geschäft wie das „in Frage stellen“ zu unserem. Die Märkte fangen an, das zu spielen.“
Nun hat es auch der Letzte gemerkt…: Im Juni haben wir uns mit einem bekannten Massenmedium mit vier großen Buchstaben auseinandergesetzt. In schöner Regelmäßigkeit werden Binsenweisheiten zum Kapitalmarkt oder Anlagetipps von Experten wie der Börsenomi veröffentlicht. „In der Tat bestehen weiter zahlreiche geostrategische, regulatorische, fiskalpolitische und andere Risiken für das Geld der Privatanleger. Das hat nun auch das Boulevardblatt gemerkt. Aber wer soll danach noch verkaufen? Trends enden immer dann, wenn der letzte Investor in die Richtung des Trends disponiert hat. Weil dann niemand mehr da ist, um den Trend fortzusetzen.“ Die Tristesse an den Märkten setzte sich zwar noch ein wenig fort, aber fortan ging es dann wieder bergauf.
Im Juli im Bärendienst! Haben wir uns mit dem Verbot des PFOF auseinandergesetzt und die Auswirkungen für den Privatanleger beschrieben und die angeblichen Gefahren eingeordnet. Ergebnis: Die Politik tritt sich selbst ein wichtiges Standbein weg. Gerade wurde erneut der Aufbau einer privaten Altersvorsorge propagiert und schon schafft man Kosten, einen gewaltigen Verwaltungsakt und erschüttert wieder einmal das Vertrauen der Bürger, um die man eigentlich seit Jahrzehnten zur Schaffung einer Aktienkultur kämpft. Auch hier blieben unsere richtigen Mahnungen leider ungehört.
August und Oktober beschäftigten in den Standpunkten Der Schlafwagen und Mad World vom fehlenden Momentum in Deutschland: Von fehlenden Schulabschlüssen der Menschen, leider damit auch automatisch verbunden, der Mangel an Fachkräften bis hin zur Abwanderung von wichtigen mittelständischen Unternehmen, die am wirtschaftlichen Wohlbefinden Deutschlands einen großen Anteil haben. Es gipfelt in der Aussage, die wir immer noch für richtig halten: Die wirtschaftliche Lokomotive Deutschland übernimmt zunehmend die rote Laterne in Europa.
StaRUG – Das Gesamtinteresse im Auge. Sicherlich ein Spezialthema, was wir kritisch aufgegriffen haben, weil sich die Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung ab Mitte 2023 gerade bei am kapitalmarktvertretenen KMU gehäuft haben. Sicherlich ein Thema, was auch 2024 noch hohe Wellen schlagen wird.
Am Jahresende haben wir mit Der Weg ist das Ziel! versucht, einen versöhnlichen Jahresabschluss zu finden. Wir konnten aber sehr frühzeitig darauf hinweisen, dass die Märkte beginnen erste Zinssenkungshoffnungen einzupreisen und damit eine schöne Jahresendrallye geliefert haben. Das hier zu Jahresbeginn 2024 wieder Zweifel am Horizont auftauchen bestätigt den Titel des Standpunktes. Wir fahren auf Sicht und der Weg ist das Ziel.
Rückblickend stellen wir fest, dass wir anscheinend im Januar 2023 vom erfolgreichen Rutsch ins neue Jahr wohl etwas zu optimistisch eingestellt waren. Auch im Mai haben wir auf eine Trendwende gehofft, die dann aber erst später eingetreten ist.
Kai Jordan, mwb Wertpapierhandelsbank AG
INFO: „Glaskugel“ (Teil 2) folgt im Laufe des Januars
Foto: pixabay.com
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