Oliver Heidecker, Portfolio-Manager bei Johannes Führ Asset Management: „Eine Finanztransaktionssteuer soll Einnahmen erhöhen und helfen, europäische Staatshaushalte zu sanieren. Den Kapitalmarkt kontrollieren kann sie nicht.“

Mittwoch, 20. Februar 2013


Ab dem 1. Januar 2014 soll die Finanztransaktionssteuer kommen:  Ab dann wird 0,1 Prozent des Transaktionswertes bei Aktien- und Anleihentransanktionen sowie 0,01 Prozent bei Derivaten fällig.
Welche Auswirkungen wird die neue Abgabe auf den Markt von mittelständischer Unternehmensanleihen haben? Anleihen Finder fragt bei Oliver Heidecker, Mitglied des Portfolio-Managements bei Johannes Führ Asset Management, nach:

Anleihen Finder Redaktion: Herr Heidecker, was halten Sie von den Plänen der EU-Kommission, eine Transaktionssteuer einzuführen?

Oliver Heidecker: Sicherlich kann man über den Sinn und das Risiko von Hochfrequenzhandel diskutieren. Die Transaktionssteuer ist dafür aber das völlig falsche Vehikel. Sie ist politisch motiviert, um zu zeigen, dass man die vermeintlich „Schuldigen der Finanzmarktkrise“ zur Kasse bittet. In Wahrheit handelt es sich um eine simple Umsatzsteuer auf  Kapitalanlagen und trifft somit die völlig Falschen. Die Zeche zahlt am Ende der Privatanleger und merkt es meist erst, wenn er in Rente geht.

Durch eine Transaktionssteuer wird der Kapitalmarkt geschwächt, die Liquidität an den Märkten sinkt und die Volatilität wird sich voraussichtlich sogar noch erhöhen. Höhere Kosten und Volatilität könnten sowohl bei Anlegern aber auch bei Emittenten zu Desinteresse am Kapitalmarkt führen. Durch Basel III wird die Börse als Kapitalbeschaffungsstelle für Unternehmen immer relevanter. Die Transaktionssteuer behindert aber die Kapitalbeschaffung, denn sie bringt höhere Kosten und größere Unsicherheit.

Kein Kapitalmarkt kann sich nur auf das Interesse von Kleinanlegern verlassen, die dann nach den Vorstellungen der Politik auch noch eine Buy & Hold-Mentalität mitbringen sollen. Fondsgesellschaften, Versicherungen und Pensionskassen sind mit ihrer Anlagepolitik mitverantwortlich, dass es einen ordentlichen, funktionierenden und liquiden Markt für Aktien und Anleihen gibt. Käufe und Verkäufe eines Anlegers kontrollieren auch indirekt das Management eines börsennotierten Unternehmens und sorgen für mehr Qualität und damit Wirtschaftswachstum. Ohne einen funktionierenden Markt wird die Börse als Kapitalgeber an Bedeutung verlieren. Wirtschaftspolitisch ist dies eine Sackgasse.

Anleihen Finder Redaktion: Kleinanleger, die ihr Geld selbst verwalten und ihre Anleihen oft bis zur Fälligkeit halten, müssen nicht mit allzu hohen Kosten rechnen. Bei Banken oder Fondsverwaltern, die häufiger umschichten, könnte dies schon anders aussehen.

Oliver Heidecker: Auch wenn Kleinanleger von der Steuer befreit werden sollen, trifft es jeden, der durch eine Lebensversicherung, eine Riesterrente oder durch einen Fonds private Vorsorge für das Rentenalter trifft. Sinn eines Fonds ist es, durch aktives Management die beste Rendite für den Anleger und somit die beste Versorgung im Alter zu erwirtschaften. Wieso sollte die Politik Anlegern mit Hilfe einer Steuer vorschreiben, wie oft sie ihr Portfolio umschichten?

Interessant ist, dass die Ausgabe von Staatsanleihen von der Steuer befreit werden soll. Schon bei Solvency II, den neuen Kapitalmarktregeln für Versicherungen, werden Staatsanleihen weiterhin als risikolos eingestuft und andere Anlageklassen deutlich benachteiligt. Der Staat sorgt also weiter dafür, dass man sein Geld am besten ihm gibt und zumindest dort die Kapitalbeschaffung reibungslos funktioniert. Die Politik übersieht dabei, dass die zurzeit sehr niedrigen Zinsen auf deutsche Staatsanleihen und die zusätzliche Besteuerung von Finanztransaktionen die Pensionserwartungen vieler privat vorsorgender Arbeitnehmer und Selbstständigen massiv reduziert und so zu einer neuen Altersarmut führen könnte. Laut einer Studie des BVI würde eine Riesterrente über einen Zeitraum von 40 Jahren allein durch die Einführung der Transaktionssteuer gut 10 Prozent weniger wert sein als bisher erwartet. Die Folgen der Niedrigzinspolitik sind dabei noch nicht eingerechnet und könnten die Rendite sogar noch weiter drücken.

Anleihen Finder Redaktion: Die Johannes Führ Asset Management GmbH investiert bsp. mit zwei Mittelstands-Rentenfonds (WKN: A0YAYH und WKN: A0YAYG) in Anleihen von mittelständischen Unternehmen. Welche Auswirkungen könnte die Steuer auf Ihr Fonds-Geschäft haben?

Oliver Heidecker: Unser Mittelstandsfonds würde wie alle Fonds in Europa von der Steuer betroffen sein, auch wenn wir vergleichsweise wenige Umschichtungen vornehmen. Das Beispiel zeigt aber sehr gut den Denkfehler in der Argumentation der Politik. Gerade im Mittelstandssegment würden wir keine Buy & Hold-Mentalität von Einzeltiteln für Kleinanleger empfehlen. Die breite Streuung eines Fonds schützt den Anleger vor dem Einzelrisiko. Der Anleger würde durch die Steuer quasi bestraft, nur weil er sein Risiko reduzieren will.

Anleihen Finder Redaktion: Was sollten die Verantwortlichen – Ihrer Meinung nach – besonders im Blick haben, wenn es um die Ausgestaltung der neuen Steuer geht?

Oliver Heidecker: Die Verantwortlichen in der Politik sollten zunächst die Folgen für die Volkswirtschaft und die private Altersvorsoge ihrer Bevölkerung im Blick haben, bevor sie eine solche Finanztransaktionssteuer einführen. Will die Politik eine „Zockermentalität“ einschränken, muss sie zu geeigneten Mitteln greifen und nicht nur populistische Maßnahmen durchführen, die kommende Generationen mehr belasten, als sie nützen. Den Hochfrequenzhandel und Eigenhandel kann man durch Regularien und Risikovorschriften besser kontrollieren. Die strukturellen Probleme in vielen europäischen Staaten, die zur heutigen Schuldenkrise geführt haben, sind vor allem von der Politik verursacht und nicht von den Kapitalmärkten. Eine Finanztransaktionssteuer soll Einnahmen erhöhen und helfen, europäische Staatshaushalte zu sanieren. Den Kapitalmarkt kontrollieren kann sie nicht. Vielleicht sollte die Politik mit gleichem Elan, wie sie die Finanzbranche an den Pranger stellt, ihre Ausgaben durchleuchten und auf einen ausgeglichenen Haushalt hinarbeiten. Dann müssten Rentner und kommende Generationen nicht die Suppe auslöffeln, die ihnen heute unter dem Begriff „Gerechtigkeit“ eingebrockt wird.

Anleihen Finder Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Johannes Führ Asset Management (oben)/Gerd Altmann/pixelio.de (unten)

Zum Thema:

Lothar Probst von lp inviso: “Ich befürchte durch die Börsensteuer einen deutlichen Rückgang bei den Umsätzen an der Börse. Dadurch wird die ohnehin schwach ausgeprägte Aktienkultur weiter kaputt gemacht.”

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