Mittelstandsanleihen sind krisenfest – wenn man genau hinschaut

Freitag, 5. Oktober 2012

Eurokrise und kein Ende in Sicht. Noch nie zuvor wurde die europäische Gemeinschaftswährung so sehr in Frage gestellt. Was zu Beginn der Finanzkrise noch undenkbar schien – der Ausschluss von hochverschuldeten Ländern wie Griechenland aus der Eurozone – wird zusehends zur Wahrscheinlichkeit.  Wie können Anleger ihr Kapital in diesem Umfeld noch investieren? Wie stehen deutsche Mittelstandsanleihen da und worauf ist bei den angebotenen Emissionen zu achten?

Die sicherste Antwort auf Finanzkrisen wie derzeit im Euroraum lautet fast immer: Sachwerte. Die Renditen sogenannter „sichere Hafen-Währungen“ wie beispielsweise Gold oder Immobilien sind größtenteils unbeeindruckt von den Schwankungen an den Wertpapierbörsen. Der Nachteil dieser Assetklassen ist jedoch die fehlende Verzinsung. Peter Thilo Hasler von der Münchner Finanzberatung Blättchen & Partner AG rät deshalb: „Anleger sollten zusätzlich verzinsliche Werte in ihrem Portfolio haben. Aktien sind aktuell nicht überbewertet aber auch Unternehmensanleihen bieten Chancen. Ob es sich um Unternehmen aus dem Mittelstand oder große Konzerne handelt, ist dabei nicht so sehr ausschlaggebend: In Punkto Verzinsung sind fast alle Schuldverschreibungen attraktiver als die Alternativen wie Festgeld oder Staatsanleihen. Allerdings sollte man die Emittenten in der aktuellen Situation noch genauer unter die Lupe nehmen als zuvor.“

Regionale Exposures von Emittenten prüfen

Bei der Entscheidung für eine Schuldverschreibung  gelten für Peter Thilo Hasler im jetzigen Marktumfeld somit härtere Ausschlusskriterien: So scheidet ein Emittent für ihn aus, sobald „auch nur der Hauch eines operativen Problems“ besteht. „Ein Default ist in jedem Fall zu vermeiden. Es gilt, Unternehmen zu finden, deren Geschäftsmodelle dieses Risiko so klein wie möglich halten.“

Zudem sei das „regionale Exposure“ deutscher Emittenten vor einer Investition genau zu prüfen. Wo sind die Produktionsstätten und Absatzmärkte der Emittenten und sind diese Länder von der Schuldenkrise direkt betroffen? „Viele Photovoltaikunternehmen sind beispielsweise in Spanien und Italien aktiv und damit zu nah am Krisenherd“, so Hasler.

Anleger vertrauen derzeit eher Unternehmen als Staaten

Im Falle einer Inflation würden die Renditen von Anleihen entwertet werden – ein Risiko, dass jedoch für nahezu alle Finanzanlagen besteht, denen keine Sachwerte zugrunde liegen.

Auch Hans Hinkel, Direktor der ARTUS Direct Invest AG, sieht das Risiko von Anleihen eher gesamtwirtschaftlich: „Die Gefahr besteht darin, dass die Krise sich so ausweitet, dass Teilen des Mittelstands die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Dies wäre allerdings ein Szenario von weltweiter Depression, dass wir so nicht ansatzweise erwarten.“ Laut Hinkel gibt es durch die Krise sogar positive Impulse für Mittelstandsanleihen: „Das Vertrauen der Anleger in mittelständische Unternehmen ist deutlich größer als in Staaten. Der Nachteil ist, dass bekannte Markennamen teilweise zu teuer bezahlt werden“, so der ARTUS Direct Invest Chef.

Zugang zu Bankkrediten ist wieder leichter

Auch aus Emittentensicht bleiben Unternehmensanleihen attraktiv. Die Welle der Neuemissionen in den letzten Monaten hat nicht nur das bewiesen, sondern zeugt auch von einer (noch) positiven Grundstimmung der Wirtschaft. „Bisher sind kaum konjunkturelle Effekte in den wichtigen Industriezweigen in Deutschland spürbar“, meldet der Bundesverband deutscher Banken aus Berlin in einem Bericht über die Lage der Unternehmensfinanzierung. „Dies könnte sich jedoch in den nächsten Monaten ändern. Die besonders kritische Größe für die weitere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und die übrigen Euro-Staaten bleibt die europäische Staatsschuldenkrise.“

Zu der derzeit positiven Investitionsstimmung des deutschen Mittelstands tragen auch die historisch günstigen Zinsen sowie der – nach Zeiten einer drohenden „Kreditklemme“ – wieder leichtere Zugang zu den klassischen Bankkrediten bei.

„Der Kredit ist und bleibt das wichtigste Instrument der Unternehmensfinanzierung – aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft und aus Sicht der Banken. Doch auch Alternativen zum Kredit werden weiter an Bedeutung gewinnen, und Anleihen sind hier ein wichtiges Instrument. Mittelständler sollten gezielt prüfen, welche Alternativen sinnvoll sind. Die Banken stehen hier beratend zur Verfügung“, erklärt Markus Becker-Melching, Mitglied der Geschäftsführung des Bankenverbandes und hier zuständig für Mittelstandspolitik.

Kupons pendeln sich um die 7 Prozent ein

Die Tatsache, dass deutsche Kreditinstitute – während sie die grenzüberschreitende Kreditvergabe stark zurückfahren – zumindest innerhalb Deutschlands wieder bereitwilliger Kapital vergeben, wirkt sich auch mäßigend auf die Kuponhöhe von Unternehmensanleihen aus. „Während ‘Junkbonds‘ höhere Aufschlage zahlen müssen, werden sich die Kupons von soliden Investment-Grade-Emissionen tendenziell bei um die 7 Prozent einpendeln“, prophezeit Finanzberater Hasler.

Ein immer noch nahezu konkurrenzloser Prozentsatz, vor allem dann, wenn die Anleger den Emittenten ihrer Anleihe – durch einen kritischen Blick auf die Zahlen und das Geschäftsmodell, das regionale Exposure und die Konjunkturabhängigkeit der Branche, weise wählen.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: seifenblasentv/flickr

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