Kommentar: Der „Bärendienst“ eines „roten Teufels“

Freitag, 10. Mai 2019


Finanzexperte und Fußball-Investor Markus Stillger kommentiert die gegenwärtige wirtschaftliche Situation und „Gemengelage“ beim 1. FC Kaiserslautern:

Fußball & Kapitalmarkt, diese „Beziehung“ führte lange Jahre ein Schattendasein, obwohl sich der Fußball in den letzten 20 Jahren in den kaufmännischen Abteilungen der Vereine deutlich Richtung „Professionalität“ entwickelt hat.

Angesichts der chronischen Ebbe in der Kasse vieler Vereine ist das eigentlich verwunderlich, wenn man bedenkt, welche „Zirkusartisten“ sich den letzten 20 Jahren über die Börse Kapital beschaffen konnten.

In den 60er/70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Markenzeichens eines Vereinspräsidenten meistens ein Hut, eine dicke Zigarre im Schnabel und ab und zu ein dummer Spruch für die Medien, die damals „Zeitung“ hießen. Meistens genau immer dann, wenn der Verein Unruhe gerade gar nicht gebrauchen konnte.

Aber: Dieser Mann hatte immer einen Füller und ein Scheckbuch dabei, wenn es galt. Und genau deshalb war er „Präsident“. Obwohl es auch genügend Beispiele gibt, wo nicht der Gönner und Barmherzige auf dem Thron saß, sondern der Raffzahn und die blanke Gier. Rolf-Jürgen Otto und Willy Konrad (Dynamo Dresden der 90er Jahre) lassen grüßen.

Heutzutage zählt Wirtschaftskompetenz

In der heutigen Zeit sitzen in den Finanzabteilungen der Profi-Vereine ausgebildete Wirtschaftsfachleute, angesichts der – durch die Entwicklung der TV-Vermarktung – nahezu explodierenden Umsätze und Etats der Vereine eine unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften.

Man stelle sich mal vor ein Günter Eichberg (ehemaliger Präsident und „Sonnenkönig“ von Schalke 04) legt heute in Vertragsverhandlungen  – wie seinerzeit mit Radmilo Mihajlovic – einen Blanco-Scheck auf den Tisch und verschwindet mit den Worten „ich muss mal wohin, wenn ich wiederkomme steht da Deine Zahl drin.“

Schalke 04 ist übrigens der erste Verein in Deutschland gewesen, der im Jahr 2012 eine Anleihe für institutionelle Anleger platzierte, Hertha BSC folgte im vergangenen Jahr. Beide Emissionen kann mal als Erfolgsstorys bezeichnen. Die Hertha-Anleihe liegt mit 107% aktuell weit über pari und der FC Schalke 04 nutzte im Jahr 2016 sogar ein außerordentliches Kündigungsrecht, um eine Anleihe vorzeitig zurückzuzahlen und durch zwei neue Anleihen mit deutlich niedrigeren Zinskupons abzulösen, die aktuell auch beide weit über pari notieren.

Auf der Aktienseite wagte sich bisher nur Borussia Dortmund aufs Parkett und nachdem von 2001 bis 2009 die Nerven der Anleger arg strapaziert wurden (Kurseinbruch von 11 auf 1 Euro), hat sich seitdem das Blatt gewendet und aktuell notiert die BVB-Aktie wieder bei 8,50 Euro und damit (zwischenzeitliche Dividenden eingerechnet) „in der Nähe“ des Ausgabepreises. Die Market-Cap (Börsenbewertung) hat sich von 50 Mio € im Jahr 2009 mittlerweile auf knapp 800 Mio € erhöht.

Die Ausgliederung der Profiabteilungen der Vereine in eigenständige GmbHs oder AGs oder KGAAs hat aber neben dem BVB auch beispielsweise bei Bayern München, dem Hamburger SV und dem VFB Stuttgart dazu geführt, dass sich externe Sponsoren bzw. regionale Unternehmen an diesen Gesellschaften beteiligt haben. Auf Basis der dort gezahlten Summe lassen sich aktuell Unternehmenswerte in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro für den FC Bayern und jeweils ca. 250 Mio Euro für den VfB Stuttgart oder den HSV herleiten.

Aktuell beschäftigt das Thema 1.FC Kaiserslautern die Fussball- und Finanzexperten

Der Pfälzer Traditionsverein kämpft in der 3. Liga ums Überleben. Eine „Fan-Anleihe“ wird im Spätsommer fällig und die Rückzahlung ist alles andere als gesichert.

„Fan-Anleihen“ sind sozusagen die Vorläufer der Anleihen von Schalke 04 und Hertha BSC. Allerdings richten sich „Fan-Anleihen“ – wie es der Name sagt – eher an Anhänger der jeweiligen Vereine und nicht an institutionelle Anleger. Obwohl ein Anleiheinhaber ja ein unabdingbares Recht auf die in den Bedingungen vereinbarten Zinszahlungen und eine fristgemäße Rückzahlung hat, gibt es einen unausgesprochenen „Hoffnungsfaktor“, den die Vereine einkalkulieren, weil es viele Fans gibt, die auf die Rückzahlung der Anleihe verzichten.

Der 1.FC Kaiserslautern hat aus diesem Grund aktuell die „Betze II- Anleihe“ (Volumen: 7 Millionen Euro – Laufzeit: 3 Jahre – Zinssatz: 5,00% p.a.)  in der Vermarktung, die neben der Rückzahlung der „Betze I-Anleihe“ auch die für die Erlangung der Lizenz nötigen Mittel für den Verein einbringen soll.

Außerdem wurde ein Crowdfunding-Projekt eingerichtet – im Prinzip das „digitale Balaleika-Spielen in der Fußgängerzone“. Immerhin wurde hier – man höre und staune – über 1 Million Euro eingesammelt.

Als weiterer Baustein wird angestrebt – und das kann man auf Seite 17 des Prospekts der „Betze II-Anleihe“ nachlesen – einen signifikanten Teil des Eigenkapitals an Investoren zu veräußern. Die daraus der ausgegliederten KGaA zufließenden Mittel sollen dann zur Sicherstellung der Rückzahlung der Anleihe im Jahr 2022 verwendet werden.

Die ausstehenden Anleihen und der Kapitalbedarf für den Spielbetrieb in den nächsten Spielzeiten (nachfolgend die „Spielbetriebsfinanzierung“) sollen in erster Linie mit dem Erlös der Platzierung von Aktien aus einer oder mehreren Kapitalerhöhungen bei der FCK Fußball-Gesellschaft bei privaten Investoren und anderen Beteiligungsmöglichkeiten privater Investitionen an der FCK-Fußball-Gesellschaft, wie beispielsweise stille Beteiligungen (nachfolgend die „Eigenkapitalinvestitionen“), zurückgezahlt bzw. gedeckt werden.

Als jemand, der sich intensiv mit dem Thema „Fußball und Kapitalmarkt“ beschäftigt, denke ich: Ein guter und schlüssiger Plan, der mit dem Hintergrund der Fans und regionalen Wirtschaft im Rücken durchaus realisierbar scheint. Wird dieses Konzept mit der notwendigen Kontinuität und Ruhe im Verein umgesetzt, kann das klappen und die Betze-II-Zeichner haben gute Chancen ihr Kapital am Ende des Tages nicht unter „Spende“ verbuchen zu müssen.

Hinweis: Mehr zur Betze-Anleihe II finden Sie hier.

Wenn der Kurs im Keller ist, schenkt man kein Eigenkapital her

Das einzige, was ich bis dahin aus Sicht des Vereins negativ empfinde: Der Verein gehört nach seinem Selbstverständnis sicherlich nicht in die dritte Liga. Deshalb sollte man in dieser Situation auch kein Eigenkapital abgeben, sondern nach alternativen Lösungen suchen.

Beispielsweise über einen Ankerinvestor, der zunächst mal in Form eines zugesagten Darlehensrahmens für die nötige Liquidität sorgt. Damit erübrigen sich auch Diskussionen über die aktuelle Bewertung des Vereins – die kolportierten 120 Millionen sind für einen Verein wie den 1. FCK mit Tradition und Fans im Rücken sicherlich darstellbar, aber auf keinem Fall in der derzeitigen Verfassung in der dritten Liga.

Trotzdem hatten sich einige regionale Investoren unter Führung des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Buchholz bereit erklärt ein Zeichen zu setzen und haben auf Basis der 120 Millionen Bewertung im sechsstelligen hohen Bereich Aktien gezeichnet.

Respekt und Hochachtung meine Damen und Herren !

Alle FCK-Fans sollten Ihnen dankbar sein. Auch der Ankerinvestor schien gefunden. Einen kleinen „Haken“ gab es bei der Sache. Ein „vermeintlicher“ Unruhestifter im Aufsichtsrat, der bereits in der Vergangenheit mehrfach durch Alleingänge, allzu forsches Auftreten, sowie die ein oder andere an die Presse „durchgesteckte“ Indiskretion für Verstimmung sorgte, sollte zurück treten, da aus Sicht des Investors – so steht es jedenfalls in einer Pressemitteilung – keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm möglich scheint. Auch das kann man nachvollziehen.

Und letztendlich sollten alle, denen der Verein am Herzen liegt, den dafür Verantwortlichen dankbar sein, in dieser schwierigen Situation, die Basis für ein erfolgreiches „Weiterleben“ des Vereins geschaffen zu haben.

Ein schönes Ei ins Nest gelegt

Aber jetzt kommt das eigentliche nachträgliche Osterei, das nicht nur dem 1. FCK, sondern allen Profi-Vereine in Zukunft das Leben schwer macht. Der Gescholtene präsentiert eine Investorengruppe, die 3 Millionen auf den Tisch legt, und dafür 10% der Aktien kaufen soll. Die Namen der „Schnäppchenjäger“ bleiben vorerst unter Verschluss.

Über Nacht wurde der Wert des Vereins mal um schlappe 75% nach unten korrigiert! Und was mich als professionellen Anleger in einem Höchstmaß irritiert.

Anscheinend wird auch noch ernsthaft darüber diskutiert, das umzusetzen !

Geht’s eigentlich noch? Wir sind doch hier nicht beim Kegelsportclub Ramstein-Miesenbach (sollte es den geben, bitte ich die Mitglieder um Verzeihung)! Hier geht es um die finanzielle Restrukturierung eines der traditionsreichsten deutschen Fussball-Vereine.

Der gute Fritz Walter (ich durfte ihn im Jahr 1997 auf einer Zugfahrt persönlich kennen lernen und mich gute 2 Stunden sehr angenehm mit ihm unterhalten) wird sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, wie hier auf dem Rücken seines geliebten FCK persönliche Machtspielchen ausgetragen werden.

Da kann ich doch nicht nach „Gutsherrenart“ Investoren bevor- oder benachteiligen, nur weil mir deren Nase gefällt. Und ich kann doch nicht in einem laufenden Zeichnungsprozess eine derart gravierende Korrektur des Preises vornehmen.

Um es mit einem aktuellen Beispiel zu skizzieren: Das wäre genauso wenn die Verantwortlichen von UBER mehrere Wochen lang mit einer Preisvorstellung von 100 Dollar pro Aktie auf Roadshows durch die Lande tingeln und morgen – kurz vor der Erstnotiz – zeichnen ein Aufsichtsratsmitglied und seine Freunde plötzlich Aktien für 25 Dollar! Da kommen sich doch alle, die vorher 100 Dollar bezahlt haben „leicht verschaukelt vor“.

Also zusammengefasst:

Wir befinden uns im Jahr 2019 in der Bundesrepublik Deutschland bei der finanziellen Restrukturierung von einem der traditionsreichsten Fussballvereine. Man könnte angesichts der Umstände auch geneigt sein zu sagen: Geht es hier um die Privatisierung einer Eisenerzmine in Sibirien im Jahr 1991? In diesem Jahr hieß der deutsche Meister übrigens 1. FC Kaiserslautern.

Auch die „Mitläufer“ in den Gremien, die dem „Heilsbringer“ (so ließ sich der vermeintliche „Retter“ ja schon in der Presse feiern) folgen, sollten sich bewusst sein, dass es sich hier nicht um ein „Kavaliersdelikt“ handelt, sondern dass es durchaus auch sein kann, dass sich ein Staatsanwalt für einen solchen Vorgang interessiert.

Und als Beirat einer GmbH oder Aufsichtsrat einer KGaA hat das Amt eine andere Qualität als in einem e.V. Meine Herren, ein Blick auf den Kontostand könnte hilfreich sein, die meisten Anwälte arbeiten nur auf „Vorschuss“. Mit der Devise „denn sie wussten nicht, was sie tun“, kommt man hier nicht weiter.

Von daher ist für mich der 1. FC Kaiserslautern unter diesen Umständen auch kein Investment, das ich guten Gewissens empfehlen kann, wenn ich danach gefragt werde. Weder als Aktionär – egal zu welchem Preis – aber auch nicht als Zeichner der Betze-II-Anleihe.

Unter den Folgen leiden alle Fußballvereine

Ihr wart auf einem guten Weg, aber die Kapitalmärkte brauchen Vertrauen – das wurde durch die Kapriolen eines Einzelnen nachhaltig beschädigt.

Und das Schlimme dabei: Nicht nur für den FCK, sondern für die gesamte Branche. Bei Fan-Anleihen wird künftig viel genauer hingeschaut, wie präsentiert sich das Umfeld des Vereins.

Die operative Führung in Kaiserslautern in Form der Herren Klatt und Bader ist hochprofessionell aufgestellt. Aber das alles nützt nichts, wenn die, die darüber entscheiden, zerstritten sind und – wie in diesem Fall – auch nicht vor Aktivitäten am Rande (bzw. jenseits) der Legalität zurück schrecken und persönliche Eitelkeiten über die Interessen des Vereins (und auch der Anleger !) stellen. Jeder weiß, bei wem wir uns dafür zu bedanken haben.

Und was mich persönlich richtig ärgert: Der „rote Teufel“ ist eigentlich ein „schwarzer“ – und das alles auch noch vor einer wichtigen Wahl.

Beitrag von Markus Stillger,
Geschäftsführer der MB Fund Advisory GmbH

Der Fondsmanager ist großer Fußball-Fan und
Mitspieler im aktuellen Anleihen Finder-Musterdepotspiel.

Zum Thema:

Fußball-Anleihen: „Fans als Anleger“ – Kolumne von Markus Stillger, Geschäftsführer MB Fund Advisory GmbH

1. FC. Kaiserslautern e.V. 2013/2019

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