War es das jetzt mit Mittelstandsanleihen? – Interview mit Dirk Elberskirch, Chef der Börse Düsseldorf – 1. Teil

Mittwoch, 18. Dezember 2013


Eine halbe Stunde, nachdem die hkw Personalkonzepte GmbH am letzten Dienstag die Adhoc-Meldung über ihren Insolvenzantrag veröffentlicht hatte, stellte sich Dirk Elberskirch, Vorstandsvorsitzender der Börse Düsseldorf, den Interview-Fragen der Anleihen Finder Redaktion. Der Börsen-Chef war über die Entwicklung überrascht, blieb aber gelassen. Sein Ausblick auf das neue Mittelstandsanleihen-Jahr 2014 ist recht positiv: „Es ist sicherlich etwas schwieriger geworden, aber wir sehen unverändert Interesse von Unternehmen an dieser Finanzierungsform.“

Anleihen Finder Redaktion: Die hkw Personalkonzepte GmbH hat einen Insolvenzantrag gestellt.  Was passiert jetzt mit der Unternehmensanleihe der hkw Personalkonzepte GmbH am mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf?

Dirk Elberskirch: Die hkw hatte zunächst die Zinszahlungen verschoben. Dann hat das Unternehmen per Adhoc-Meldung berichtet, dass es einen Antrag auf Insolvenz vorbereitet, was der Börse rechtzeitig mitgeteilt wurde. Üblicherweise wird dann sofort der Handel für den Rest des Tages ausgesetzt und am nächsten Tag als Flat-Notierung ohne Zinsansprüche wieder aufgenommen.

Anleihen Finder Redaktion: Was bedeutet dieser Ausfall der hkw-Unternehmensanleihe für die Börse Düsseldorf? Wie ist Ihre Einschätzung?

Dirk Elberskirch: Dass es bei hkw schwierig war, zeigte schon die verschobene Zinszahlung, wobei die Gesellschaft meinte, es rechtzeitig hinzubekommen. Insofern ist die Adhoc-Meldung mit dem Hinweis, Schuldner hätten nicht fristgerecht gezahlt und es stünde kein Geld zum Begleichen der Anleihe-Zinsen zur Verfügung, jetzt schon überraschend gewesen. Das ist der klassische Fall einer Insolvenz. Wenn ich nicht zahlungsfähig bin, führt kein Weg am Gericht vorbei.

Anleihen Finder Redaktion: Mittelstandsanleihen haben zurzeit eine schlechte Presse: Klaus Nieding, bekannter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Mitgründer der Frankfurter Rechtsanwalts-AG Nieding + Barth, hat im Handelsblatt den Markt der Mittelstandsanleihen mit dem Neuem Markt verglichen. Anleger würden abgezockt und das Kreditrisiko von den Banken auf Anleger übertragen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Mittelstandsanleihen: „Ich sehe nicht, dass hier das Kreditrisiko von Banken auf private Investoren übertragen wird.“

Dirk Elberskirch: Ich würde die Mittelstandsanleihen nicht mit dem Neuen Markt vergleichen. Das waren gänzlich andere Themen, teilweise nur Unternehmenskonzepte, die an die Börse gebracht wurden. Alle hofften auf unendlich hohe Kursgewinne. Der Markt ist dann implodiert. Mittelstandsanleihen sind keine Equity-Story, sondern hier geht es um Unternehmen, die einen Kredit aufnehmen, ein ordentliches Geschäftsmodell haben sollten, entsprechende Substanz und in der Lage sind, Zins und Tilgung einer Anleihe zu bedienen.

Ich sehe auch nicht, dass hier das Kreditrisiko von Banken auf private Investoren übertragen wird. Denn nach meiner Einschätzung ist der überwiegende Teil des Volumens eher bei kleinen, mittleren institutionellen Investoren untergekommen – und nicht mit Macht in Depots von Privatanlegern gedrückt worden. Fakt ist, Privatanleger haben bei keiner Bank eine Beratung für solche Anleihen bekommen. Somit sind es hauptsächlich Selbstentscheider, die sich mit dem Markt auskennen sollten und sich bewusst sein müssten, dass acht Prozent Zinsen auch mit einem entsprechenden Risiko einhergehen.

Anleihen Finder Redaktion: Inwiefern sind Sie mit der Entwicklung Ihres mittelstandsmarktes in diesem Jahr zufrieden? Welches Resümee ziehen Sie?

Dirk Elberskirch: Kurz vor Weihnachten ist Zeit für Besinnung. Der Markt befindet sich in einer Bewährungsphase. Nicht nur in Düsseldorf, sondern auf dem gesamten deutschen Markt. Wir haben insgesamt bisher neun Ausfälle gehabt und jetzt mit der hkw Personalkonzepte GmbH den Zehnten, was vergleichsweise viel ist.

Wenn man auf die Ratings blickt, hätte man in fünf Jahren mit einer Ausfallquote von neun Prozent rechnen müssen. Erreicht wurde dies jetzt schon bei der Hälfte der Laufzeit, also deutlich zu früh. Die Häufung der Fälle macht die Investoren selbstverständlich sehr sensibel. Leider haben auch wir jetzt die ersten Ausfälle. Es ist ein durchwachsenes Jahr gewesen.

Anleihen Finder Redaktion: Der MIMAX, Ihr mittelstandsmarkt-Index, bewegt sich auf dem Niveau des Allzeit-Tiefs. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund für die negative Entwicklung?

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Dirk Elberskirch: Wann geht ein Index zurück? Immer dann, wenn die Kurse nach unten gehen. Der Index ist ein unverfälschtes Barometer des Marktes. Bei der Beurteilung eines jeden Index’ muss man beachten, wie viele Unternehmen sich in einem solchen Index befinden. Wichtig ist die Marktbreite. Wir hatten 16 Werte im Index, was noch nicht sehr marktbreit ist. Wenn 50 Unternehmen im Index vertreten sind und es fällt eines aus, dann ist die relative Bedeutung niedriger. Bei uns wirken sich Kursbewegungen deutlicher aus. Ich nehme das Barometer als das, was es ist. Es ist ein Anhaltspunkt, aber es beschreibt nicht im vollen Umfang den Markt für Mittelstandsanleihen in Deutschland.

Anleihen Finder Redaktion: Wir erleben Sie gelassen.

Dirk Elberskirch: Insolvenzen gehören zum Leben der Wirtschaft dazu. Als Börse kann man nicht auf die Unternehmen einwirken, was die Geschäftsmodelle angeht. Die Verantwortung liegt beim Unternehmen. Die Vorbereitung der Unternehmen auf den Kapitalmarkt macht nicht die Börse, sondern das Unternehmen mit seinen Begleitern, den Listing- oder Kapitalmarkt-Partnern. Mit denen muss man die Diskussion führen, wie man künftig für ordentliche Qualität sorgen kann. Deshalb sprechen wir auch mit unserem Beirat und versuchen, Ansatzpunkte zu finden, mit denen man Veränderungen herbeiführen kann.

Anleihen Finder Redaktion: Die Börse kann natürlich an einigen Stellschrauben drehen. Auch in Frankfurt hat sich ein Arbeitskreis gebildet. Hier geht es um die Verschärfung der Richtlinien, Folge- und Transparenz-Pflichten  für die Notierung von Mittelstandsanleihen. Es heißt immer: „Es muss etwas passieren!“ Was muss denn passieren?

„Man kann bei Banken und anderen nachfragen und man wird keine schlüssige Antwort geliefert bekommen.“

Dirk Elberskirch: Die Forderung nach Qualität kommt allen flüssig über die Lippen. Aber man muss sich die Mühe machen, genau hinzuschauen: Was ist das genau? Woran mache ich Qualität fest? Gibt es die Kennzahl oder ein Set von Kennzahlen, um schon zum Zeitpunkt der Emission sicher erkennen zu können, ob die Geschichte gut geht? Man kann bei Banken und anderen nachfragen und man wird keine schlüssige Antwort geliefert bekommen. Es gibt auch kein wissenschaftlich fundiertes Kriterium.

Es ist von Unternehmen zu Unternehmen, von Branche zu Branche unterschiedlich. Insofern ist die Diskussion, was man als Börse an harten Kriterien vorschreiben kann, um Ausfälle zu vermeiden, extrem schwierig.

Zudem haben wir eine breite Diskussion über die Qualität sowie die Art und Weise der Ratings. Es hat sich herausgestellt,  dass die Ratings nicht unbedingt das liefern, was man sich eigentlich erhoffen würde. Wir führen die Diskussion mit unserem Beirat, wie wir z. B. Folgepflichten sinnvoll verschärfen könnten. Investoren sollten sich noch zeitnäher ein Bild machen können.

Anleihen Finder Redaktion: Können Sie bitte konkretisieren, um welche Ausgestaltungen es geht?

Dirk Elberskirch: Egal wo Sie hinschauen, Sie haben keinen Index – außer dem DAX – bei dem Quartalsberichte verpflichtend sind. Ob man das den kleinen, mittelständischen Unternehmen auferlegen kann, ist durchaus eine berechtigte Frage. Denkbar wäre es. Allerdings muss man auch auf der anderen Seite die Investoren haben, die diese Informationen wahrnehmen und in Aktivität umsetzen. Wir beobachten Investoren, die zum Zeitpunkt der Emission noch relativ genau hinschauen, aber dann bei der Wahrnehmung der Unternehmensentwicklung bzw. der engen Verfolgung der Entwicklung, die zwangsweise bei diesen Risiken notwendig ist, noch  Verbesserungsbedarf haben.

Nehmen wir beispielsweise die FFK Environment GmbH. Der Jahresabschluss 2012 war schon relativ schlecht. Die Halbjahreszahlen waren noch etwas schlechter. In der Zwischenzeit gab es noch eine Ratinganpassung mit einer Herabstufung. Demnach gab es drei deutliche Signale an die Investoren, dass es hier eventuell  schwierig werden könnte. Insofern darf dann keiner sagen: ´Das hat mich hier aber völlig auf dem falschen Fuß erwischt´ und ´ich habe von nichts gewusst.´ Es gibt eine ganze Reihe von Informationen, die aber auch wahrgenommen werden müssen. Ob ein einfaches „mehr“ an Informationen hilft, ist fraglich. Hier muss man wieder genau hinschauen.

Wir stellen zum Beispiel fest, dass nicht die Regelberichterstattung, sondern die grundsätzliche Informationslieferung ein „Mehr“ vertragen könnte. Investoren sollten laufend über aktuelle Themen der Emittenten informiert werden.

Anleihen Finder Redaktion: Zum Beispiel: Ein großer Auftrag ist eingegangen oder ein großer Auftrag ist geplatzt…

Dirk Elberskirch: Es ist sicher für Investoren interessant, näher an der konkreten Unternehmensentwicklung zu sein. Wir haben zuletzt bei der Friedola Gebr. Holzapfel GmbH eine reaktive Pressemitteilung gesehen, nachdem sich der Kurs ihrer Unternehmensanleihe nach unten bewegte. Das hätte man im Grunde auch schon im Vorfeld machen können, um Investoren nicht unruhig werden zu lassen – gerade wenn der Gesamtmarkt im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und sich manche Investoren vielleicht deshalb zurückziehen – was dann auf die Kurse drückt. Da wären wir beim nächsten Thema. Es gibt nach wie vor keine hochliquiden Werte. Wenn sich da eine Handvoll Investoren gleichzeitig – ohne auf den Markt Rücksicht zu nehmen – von Positionen trennt, bewegt das natürlich die Kurse.

Anleihen Finder Redaktion: Könnte man die Anleihebedingungen verbessern? Würden angepasste Covenants zum Ziel führen?

Dirk Elberskirch: Die Frage der Besicherung von Anleihen ist sicherlich ein Punkt, der dazu gehört. Es gibt Geschäftsmodelle – zum Beispiel im Immobilienbereich – da ist es möglich und wird teilweise genutzt. Aber jede Besicherung ist nur so gut wie der Marktpreis, den ich für die Besicherung letztlich bekomme. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die MS Deutschland-Unternehmensanleihe, bei der es eine Diskussion um das Besicherungskonzept gibt.

„Zu starre Kündigungsrechte könnten den Charme dieser Kapitalquelle schmälern“

Wir sehen mittlerweile, dass es mehr Covenants gibt, als am Anfang. Ob es aber zum Beispiel nur noch besicherte Anleihen geben wird, wage ich zu bezweifeln.

Auch zu starre Kündigungsrechte könnten den Charme dieser Kapitalquelle schmälern. Kommen Unternehmen beispielsweise in Schwierigkeiten und können wegen Liquiditätsengpässen die Zinsen nicht termingerecht zahlen, würden ihre Anleger die Anleihe komplett kündigen. Das würde Unternehmen möglicherweise in die Insolvenz schicken. Siehe hkw.

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, was Dirk Elberskrich von der Krtitik hält, dass der Name des deutschen Mittelstands zunehmend durch Mittelstandsanleihen kaputt gemacht werden würde.

Das Interview führte Christoph Morisse, Anleihen Finder Redaktion

Foto: Börse Düsseldorf

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