Mittelstandsanleihen: „Sobald ich die Anleihe-Finanzierung abgeschossen habe, ist die Kugel aus dem Lauf. Und ich weiß, wo und wann sie einschlägt“ – Interview mit Dirk Elberskirch, Chef der Börse Düsseldorf – 2. Teil

Dienstag, 17. Dezember 2013


Anleihen Finder Redaktion:
Unternehmen wissen ja nicht nur einen Tag vorher, dass Zinsen gezahlt werden müssen. Wenn man da etwas früher reagiert, wird man sicherlich nicht so in den Abgrund gerissen. Man hätte eventuell auch eine Zwischenfinanzierung bekommen.

Dirk Elberskirch: Die Termine einer Anleihe sind für niemanden überraschend. Natürlich muss jeder normale Kaufmann diese Termine im Blick haben. Und das sagen wir auch bei jedem Vortrag: Sobald ich die Anleihe-Finanzierung abgeschossen habe, ist die Kugel aus dem Lauf. Und ich weiß, wo und wann sie einschlägt. Ich glaube, die Emittenten sind sensibilisiert, sich vor allem für die anstehende Refinanzierungswelle richtig vorzubereiten. Auf unserer letzten Investorenkonferenz habe ich die Vorbereitung eventuell schon zwei Jahre vor Laufzeitende empfohlen. So hat man genügend Zeit, alle Alternativen anzugehen und die Sache erfolgreich zu beenden.

Anleihen Finder Redaktion: Welche Meinungen herrschen zurzeit angesichts der angespannten Marktsituation im Beirat des mittelstandsmarktes zum Beispiel zum Thema Verschärfung der Richtlinien vor?

Dirk Elberskirch: Es ist eine laufende Diskussion mit unserem Beirat, ob es Kriterien gibt, die man im Vorhinein setzen könnte, um Ausfallrisiken zu minimieren. Aber wir sind uns einig, dass es kein Allheilmittel gibt. Vielleicht Quartalsberichte, mehr Kommunikation via Investorenkonferenzen, Newsletter etc.. Einige Kapitalmarktpartner und Beiratsmitglieder können sich auch eine Art analytische Vorprüfung vorstellen. Das ist ein laufender Prozess, in dem wir jetzt sind. Wir schauen uns genau an, was davon geeignet ist.

Dirk Elberskirch, Börse Düsseldorf: „Alle Marktteilnehmer und natürlich besonders die Kapitalmarktpartner müssen in ihrem eigenen Interesse darauf achten, den Markt nicht weiter zu beschädigen“

Wir als Börse müssen generell  gültige Regeln aufstellen. Man kann nicht zu detailliert, auf den Einzelfall bezogen, regulieren. Die Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein und alle Marktteilnehmer und natürlich besonders die Kapitalmarktpartner müssen in ihrem eigenen Interesse darauf achten, den Markt nicht weiter zu beschädigen.

Wir hören auch, dass Investoren sehr, sehr sensibel auf bestimmte Adressen, die ihnen Projekte via Roadshows oder Soundings vorstellen, reagieren. Nicht mehr alle haben einen guten Ruf. Ein Teil des Reinigungsprozesses, den ich aktuell sehe.

Anleihen Finder Redaktion: Wird jetzt eine Arbeitsgruppe gegründet? „Taskforce-mittelstandsmarkt“?

Dirk Elberskirch: Wir brauchen keine Taskforce, weil wir einen Beirat und einen funktionierenden mittelstandsmarkt haben. Unser nächstes Treffen ist im Frühjahr und vielleicht sind wir bis dahin schon ein Stückchen weiter.

Anleihen Finder Redaktion: Können Sie uns bitte einen Ausblick auf den mittelstandsmarkt 2014 geben? Was sind Ihre Erwartungen?

Dirk Elberskirch: Wenn die Projekte, die in diesem Jahr auf das nächste Jahr verschoben wurden, kommen sollten, gehe ich davon aus, dass der Markt auch im neuen Jahr wieder startet. In welchem Umfang und wie er sich über das ganze Jahr entwickeln wird, muss man abwarten. Es ist sicherlich etwas schwieriger geworden, aber wir sehen unverändert Interesse von Unternehmen an dieser Finanzierungsform.

Mittelstandsanleihen: „Wir haben jetzt bundesweit rund 120 Unternehmen mit 5,2 Milliarden Euro in Mittelstandsanleihen. Das ist kein ganz kleines Pflänzchen mehr und ich würde – trotz der Schwierigkeiten zurzeit – nicht von einem Verschwinden ausgehen“

Anleihen Finder Redaktion: Das Interesse hat nicht nachgelassen?

Dirk Elberskirch: Nein. Alle erwarten in Zukunft eine nicht einfacher werdende Kreditfinanzierung über Banken. So werden bonitätsstarke Mittelständler eher zu Schuldscheindarlehen greifen, um von Banken unabhängiger zu werden. Es gibt die Tendenz der Unternehmen, sich auf der Finanzierungsseite breiter aufzustellen. Ich glaube, an dieser Stelle wird der Kapitalmarkt weiterhin eine Rolle spielen. Wir haben jetzt bundesweit rund 120 Unternehmen mit 5,2 Milliarden Euro in Mittelstandsanleihen. Das ist kein ganz kleines Pflänzchen mehr und ich würde – trotz der Schwierigkeiten zurzeit – nicht von einem Verschwinden ausgehen.

Anleihen Finder Redaktion: Wie wollen Sie es schaffen, den Rückgang der Zahl der Neuemissionen am mittelstandsmarkt in den letzten Jahren aufzuhalten oder umzukehren?

Dirk Elberskirch: Wir sind weiterhin aktiv und spüren beim Austausch mit den Kapitalmarktpartnern weiter Interesse. Wenn die Projekte, die ins Frühjahr verschoben wurden, kommen, wird es bei uns wieder losgehen. Bei uns liegt der Fokus auf „Mittelstand“ und das heißt wirklich Mittelstand. Bei uns wird sich das eine oder andere Unternehmen mit Markennamen wohlfühlen und nicht an die Börse Frankfurt gehen, um auf Platz 52 unter ‚ferner liefen‘ zu kommen.

Anleihen Finder Redaktion: Anleihen begeben als Übung für den Kapitalmarkt?

Dirk Elberskirch: Ein Beispiel dafür ist Bastei Lübbe. Die haben diesen Weg beschritten. Aber bestimmend ist die individuelle Situation des Unternehmens. Ich glaube, für einen klassischen Mittelständler, der zum Beispiel seit fünf Generationen in Familienhand ist, dürfte es kaum ein Thema sein, sich über die Börse und Aktien, Kapital zu beschaffen. Die Abgabe von Stimmrechten und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft sind nicht unbedingt interessante Themen für diese Mittelständler. Ich erwarte folglich nicht einen riesigen Boom an mittelständischen Börsengängen. Es wird nach meiner Einschätzung eher die Ausnahme bleiben. Wenn ich zurückdenke, ist es bisher trotz vieler Initiativen nie gelungen, den deutschen Mittelstand mit Equity-Transaktionen an den Markt zu holen. Auch in Zukunft wird das nicht gelingen.

Anleihen Finder Redaktion: Es gibt die Marktmeinung, dass der Name des deutschen Mittelstands zunehmend durch Mittelstandsanleihen kaputt gemacht würde? Sehen Sie das auch so?

Dirk Elberskirch: Das ist polemisch. Auch wenn der Markt zurzeit offensichtlich Probleme hat, kann man nicht die 3,5 Millionen Mittelständler in einen Topf werfen. Es handelt sich um eine Auswahl, die den Weg an den Kapitalmarkt wählt. Für viele Mittelständler spielen Mittelstandsanleihen auch keine Rolle, da die Dimensionen zu groß sind. Von daher würde ich die Befürchtung nicht teilen.

„Wir haben einen Schwerpunkt gelegt auf Mittelständler mit Markennamen“

Anleihen Finder Redaktion: Welche sind Ihre wichtigsten Argumente, warum es sich trotz der angespannten Marktlage lohnt, am mittelstandsmarkt zu emittieren?

Dirk Elberskirch: Der mittelstandsmarkt ist auch von der Namensgebung so, wie es sein sollte. Das Segment richtet sich an die „echten“ Mittelständler. Wir haben einen Schwerpunkt gelegt auf Mittelständler mit Markennamen. Und wir haben hier in Nordrhein-Westfalen sehr interessante Unternehmen. Unser Einzugsgebiet ist eines der stärksten Wirtschaftsregionen Deutschlands. Die Unternehmen haben eine natürliche Nähe zu uns. Sie schätzen auch unsere Orientierung an Marken. Wir werden weiterhin auf Qualität achten. In diesem Umfeld fühlen sich Mittelständler wohl.

Wir sind zudem selbst Mittelständler. Die Unternehmer schätzen es, direkt mit uns zu sprechen – und nicht mit der dritten Ebene. Es ist ein Unterschied, ob sie miteinander an einem Tisch sitzen, über das Geschäftsmodell reden und dann nach diesem Face-to-Face-Gespräch Entscheidungen treffen können. Wir sind schnell und haben klare Linien, was sehr geschätzt wird. Trotz unserer zwei Problemfälle haben wir ein gutes Standing.

Anleihen Finder Redaktion: Herr Elberskirch, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christoph Morisse, Anleihen Finder Redaktion

1. Teil des Interviews mit Dirk Elberkirch, dem Chef der Börse Düsseldorf:  War es das jetzt mit Mittelstandsanleihen?

Foto: KylaBorg/flickr

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