Entscheidungshilfe bei Investitionen – wie funktioniert das neue Webportal zur Bewertung von Unternehmensanleihen der Euler Hermes Rating GmbH? Ein Interview mit dem Initiator Hendrik Emrich

Freitag, 30. Mai 2014


Die Euler Hermes Rating GmbH hat kürzlich das neue QSM Webportal für Fondsmanager und Investoren auf den Markt gebracht und verspricht durch das Portal leichtere Investitionsentscheidungen. Die Anleihen Finder Redaktion hat Hendrik Emrich, Leiter Credit Research bei Euler Hermes Rating, zur Funktionsweise und den Vorteilen des Portals befragt.

Anleihen Finder Redaktion: Sehr geehrter Herr Emrich, welchen Vorteil bietet Ihr neues Portal zur Bewertung von Unternehmensanleihen Investoren, die in Mittelstandsanleihen investieren wollen?

Hendrik Emrich: Unser Portal beinhaltet neben einigen Mittelstandsanleihen börsennotierter Gesellschaften vor allem größere Anleihen europäischer Unternehmen aus dem DAX und EuroStoxx-Universum. Das Webportal ermöglicht Investoren ein schnelles und übersichtliches Marktscreening und liefert vor allem für jede Anleihe eine objektive Bewertungsindikation inklusive eines „fairen“ Spread, das heißt Risikozuschlags für die jeweilige Anleihe. Hieraus können interessante Investitionsmöglichkeiten (Trading-Ideen) und Alpha-Potenziale für Investoren entwickelt werden.

Anleihen Finder Redaktion: Sie sprechen von über 1000 Unternehmensanleihen von etwa 350 Emittenten in Ihrem Portal. Welche Unternehmensanleihen kommen rein, welche nicht?

Hendrik Emrich: Grundsätzlich sind alle „Corporates“, also Unternehmensanleihen, börsengelisteter europäischer Emittenten in unserem Portal enthalten. Zudem sind Emittenten aus sämtlichen Branchen inkludiert, lediglich Unternehmen des Finanzsektors (Banken, Versicherungen) haben wir zunächst aufgrund ihrer besonderen Struktur ausgeklammert. Zudem müssen die Emittenten gewisse Größenkriterien erfüllen, wie beispielsweise eine Marktkapitalisierung von mehr als 50 Mio. Euro. Zudem müssen die Anleihen ein Volumen von mindestens 25 Mio. Euro haben.

Die Regressionsanalysen bieten sowohl für Anleihen mit Kündigungsrecht der Emittentin (sogenannte Callable Bonds) als auch bei klassischen Unternehmensanleihen (Straight Bonds) sinnvolle Bewertungsergebnisse. Bei künftigen Portal-Modulen könnten jedoch sowohl private, nicht börsengelistete Unternehmen als auch weitere Regionen (z.B. USA), Unternehmen des Finanzsektors sowie Nachrang- und Wandelanleihen berücksichtigt werden.

Anleihe Finder Redaktion: Es gibt bereits eine Reihe von Anbietern im Internet, die Bewertungen von Unternehmensanleihen veröffentlichen. Warum ist Ihr Webportal eine sinnvolle Ergänzung? Inwieweit trägt das Portal zu mehr Transparenz auf dem Markt der Unternehmensanleihen bei?

QSM kann das Transparenzniveau des Unternehmensanleihen-Marktes steigern

Hendrik Emrich: Unser „Quant Spread Model“ (QSM) ist ausschließlich professionellen/institutionellen Investoren vorbehalten und unterscheidet sich erheblich von klassischen Bewertungsangeboten, die teilweise frei im Internet verfügbar sind. Sowohl hinsichtlich des Umfangs der in der Datenbank enthaltenen Unternehmen als auch des quantitativen Bewertungsansatzes, versuchen wir mit unserem Tool Investoren konkrete Investmentideen zu liefern. Mittelfristig hoffen wir, dass Investoren mithilfe des QSM Marktineffizienzen zügig und strukturiert ausnutzen können und somit über eine Erhöhung der Liquidität auch das Transparenzniveau des Marktes für Unternehmensanleihen insgesamt steigern. Aber auch die Investoren sind aufgefordert, aktiv mehr Transparenz von den Emittenten einzufordern.

Anleihe Finder Redaktion: Investoren sollen anhand Ihres Portals sofort erkennen können, ob eine Anleihe über- oder unterbewertet ist. Wie ermitteln Sie das? Und was können Sie unseren Lesern dabei  über die Bedeutung des sogenannten „fairen Spread“ mitteilen?

Hendrik Emrich: Wir analysieren die Zusammenhänge und den Wirkungsgrad einer Vielzahl von Einfluss- und Risikofaktoren auf den Credit Spread der enthaltenen Anleihen über die letzte Dekade.  Zu diesen zählen sowohl unternehmensspezifische Faktoren (Verschuldungskennzahlen, Rating etc.), aktienbasierte Daten (z.B. Volatilitäten), anleihenspezifische Faktoren (Handelsliquidität, Covenants etc.) sowie makroökonomische Einflüsse (Wirtschaftsentwicklung, Länderrisiken etc.). Mittels statistischer Regressionsanlaysen verdichten wir diese Faktoren und ermitteln über einen speziellen Algorithmus den sogenannten „fairen Spread“, der eine aussagekräftige Bewertungsindikation liefert.

Anleihe Finder Redaktion: Sie haben ein defensives und offensives Musterportfolio mit erstaunlichem Erfolg angelegt – wir sprechen hier über Renditewerte von 17 bzw. 30 Prozent pro Jahr. Wie viele Mittelstandsanleihen befinden sich in Ihren Musterdepots?

20-30 Prozent der Anleihen im Musterportfolio stammen von mittelständischen, börsennotierten Unternehmen

Hendrik Emrich: Das ist nicht einfach zu klassifizieren, da die Zuordnung „Mittelstandsanleihe“ nicht eindeutig ist. Bei der Auswahl der Anleihen für die Musterportfolios spielen zudem keine diskretionären, also am Einzelfall orientierten Kriterien oder Ermessensentscheidungen des Credit Analysten eine Rolle, vielmehr werden die Bonds ganz „automatisch“ nach Maßgabe ihrer jeweiligen Bewertungsindikation ausgewählt und wir haben bezüglich der Portfoliostruktur nur wenige Vorgaben gemacht. Wenn ich den Mix nach diesen Kriterien einstufen müsste, würde ich sagen, dass etwa 20-30 Prozent der Anleihen im Musterportfolio von mittelständischen, aber börsennotierten Unternehmen emittiert wurden.

Anleihe Finder Redaktion: Abschließend möchten wir Sie gerne noch zu einem allgemeinen Statement zur derzeitigen Lage von Unternehmensanleihen befragen. Wir beurteilen Sie – als Rating Agentur – die momentane Entwicklung auf dem Anleihenmarkt, speziell im Segment der Mittelstandsanleihen?

Einige Ratingagenturen haben zukünftige Risiken nicht beachtet

Hendrik Emrich: Der gesamte Anleihenmarkt hat in der Breite eine beeindruckende Rallye hinter sich. Das Segment der Mittelstandsanleihen hat sich nach einem guten Start in den letzten Quartalen gemessen an den sich häufenden Negativschlagzeilen und Insolvenzen eher negativ entwickelt. Insgesamt sind die Ausfallraten für ein typisches High Yield-Segment allerdings noch durchaus marktüblich. Problematisch ist sicherlich vor allem die Entwicklung der Ratings, die sich bei vielen Unternehmen in kurzer Zeit teilweise deutlich verschlechtert haben.

In den meisten Fällen wurden nicht die Anleihen selbst gerated, sondern die Emittenten dieser Anleihen. Natürlich hängen diese beiden zusammen, aber es ist ein erheblicher Unterschied, ob ein Rating die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens beurteilt oder die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Anleihe. „Zukünftige“ Risiken haben einige Ratingagenturen dabei kaum gewürdigt. Darüber hinaus haben einige Agenturen „Pre-Money“ geratet, das bedeutet, sie haben die Verschuldung nach der Anleiheemission und die zusätzlichen Zinslasten nicht berücksichtigt. Erst als diese zusätzliche Verschuldung durch die Emission in den Jahresabschlüssen ausgewiesen wurde, haben sie die schlechtere Kapitalstruktur im Rating berücksichtigt und ein Downgrade vorgenommen.

Ratings für Mittelstandsanleihen müssen kritischer werden, damit Investoren das Risiko besser einschätzen können.

Bei einigen Wettbewerbern sind dadurch die Ratings einiger Unternehmen sogar vom Investment Grade direkt in den Default gegangen, was bei Investoren aus unserer Sicht völlig zu Recht Zweifel an der Glaubwürdigkeit bestimmter Ratings aufkommen ließ. Wir rechnen im Rahmen der anstehenden Refinanzierungen zahlreicher Mittelstandsanleihen ab 2015 mit tendenziell höheren Coupons und kritischeren Ratings, die das Risiko für den Investor glaubhafter abbilden.  Zudem gehen wir davon aus, dass es künftig auch mehr Ratings für die Anleihen selbst und nicht nur für die jeweiligen Emittenten geben wird.

Anleihe Finder Redaktion: Sehr geehrter Herr Emrich, vielen Dank für das Interview!

Anleihen Finder Redaktion. Das Interview führte Timm Henecker.

Foto von Dennis Skley, Werktitel: Wer den Taler nicht ehrt … 164/365, Quelle: https://www.flickr.com/photos/dskley/9034566124/, Lizenz: CC-BY-ND 2.0, Link zur Lizenzurkunde: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/deed.de

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