Zeichnungsgewinne versus Buy and Hold-Strategie: Was sagen Börsenumsätze über einen Emittenten aus?

Mittwoch, 5. September 2012

„Wir können mit der Anleihe sehr zufrieden sein. Wesentlich entscheidend für uns ist, dass die Anleihe nur sehr gering gehandelt wird. Das zeigt, dass unsere Anleihenzeichner von uns überzeugt sind und dem Unternehmen starkes Vertrauen entgegenbringen“, sage die Sprecherin der Textilkontor Walter Seidensticker GmbH & Co. KG. Kann man daraus generell schließen, dass ein geringes Handelsvolumen auf eine starke Performance der Emittentin schließen lässt? Die Anleihen Finder Redaktion führte dazu mit Florian Weber, Vorstand der Schnigge Wertpapierhandelsbank AG, ein Hintergrundgespräch:

Anleihen Finder Redaktion: Teilen Sie generell die Meinung, dass ein geringer Handel einer Anleihe ein gutes Zeichen ist? Wenn ja, warum?

Florian Weber: Eine generelle Aussage, dass kein Handel ein gutes Zeichen ist, kann nicht getroffen werden. Vielmehr ist zur weiteren Beurteilung noch die Kursentwicklung hinzuzuziehen. Ein Wertpapier, welches keine Umsätze hat, aber fallende Tendenz aufweist, deutet darauf hin, dass es nur Verkäufer gibt, mangels Kaufinteresse aber immer mehr den Preis senken müssen. Da keine Käufer vorhanden sind, ist dann auch der Umsatz niedrig.

Bei Seidensticker ist es aber genau anders herum, hier haben die Umsätze nachgelassen und die Kurse steigen. Das lässt darauf schließen, dass Nachfrage besteht, die bestehenden Anleger aber ihre Anleihen nicht verkaufen wollen (weil sie zufrieden sind, weil sie dem Unternehmen vertrauen, weil der Zinssatz interessant ist o.ä. – also eher positive Gründe). Unter dieser Ergänzung sind wir speziell bei Seidensticker auch der Meinung, dass das ein gutes Zeichen ist.

Anleihen Finder Redaktion: Ist ein reger Handel nicht eigentlich positiv zu sehen, da der Anleger so einen liquiden Markt zur Verfügung hat, sollte er einmal seine Anleihe verkaufen wollen oder müssen?

Florian Weber: Prinzipiell ist dies so, unter diesem Punkt leiden ja alle Mittelstandsanleihen. Denn die Emissionsvolumina sind verglichen mit dem klassischen Rentenmarkt ja eher gering (bis EUR 50 Mio.). Hohe Handelsvolumina sind für Anleger – zumindest diejenigen mit überschaubaren (Privatanleger-) Anlagesummen – auf dem Papier wichtig, um jederzeit kaufen und verkaufen zu können, ohne hohe Auf- und Abschläge zu riskieren.

Dennoch leiden alle Anleihen unter der gleichen Systematik. In der Regel finden in den ersten 6 Monaten die höchsten Umsätze statt, danach geht das gehandelte Volumen massiv zurück. Dies betrifft in der Regel auch Milliardenanleihen, sofern sie nicht als lieferfähige Anleihen für Futures genutzt werden. Warum ist das so: Anleger, die Zeichnungsgewinne mitnehmen wollen, sind keine Langfristanleger. Diese trennen sich meist kurzfristig wieder von den Positionen. Käufer sind die Anleger, die sich langfristig etwas von dem Emittenten versprechen. Irgendwann ist diese Entwicklung vorbei und nur noch Anleger, die langfristig engagiert sein wollen, halten die Anleihe. Diese buy and hold Strategie führt automatisch dazu, dass die Umsätze zurückgehen.

In der Regel wird von den Emittenten reagiert: Sie sorgen dafür, dass es einen Market Maker gibt, der – unabhängig vom Umsatz in der Anleihe – jederzeit als Käufer oder Verkäufer auftritt. Bei Seidensticker ist das ebenso, hier können grundsätzlich EUR 50.000/Kurs gehandelt werden – ganz egal, wie viel Umsatz gestern, heute oder bis zum aktuellen Kundenauftrag zu verzeichnen ist. Daher ist die Gleichung – hoher Umsatz =  Liquidität – nicht gültig, wenn es einen Market Maker gibt.

Anleihen Finder Redaktion: Welche Gründe für regen Handel bzw. für ausbleibenden Handel gibt es?

Florian Weber: Einen einschlafenden Handel finden wir meist vor, weil alle zufrieden sind und nur im Falle des berühmten „kaputten Autos“ Geld herangeschafft werden muss. Dann gibt es oftmals zufallsbedingte Umsätze. Bei regem Handel mit fallender Kurstendenz bestehen meist Unzufriedenheiten mit dem Emittenten, Zweifel an der Rückzahlung der Anleihe, wirtschaftliche Schwierigkeiten, Enttäuschung von Prognosen und ähnliches.

Bei regem Handel mit steigender Kurstendenz gilt: Die Anleger sind – oftmals durch positive Unternehmensnachrichten ausgelöst- daran interessiert, die Anleihe zu erwerben, Abgeber finden sich aber nur zu steigenden Kursen. Das ist ein positives Zeichen.

Gleiches gibt es auch ohne Umsatz, dann spricht man von Käuferstreik (fallende Kurse ohne Umsatz) oder Verkäuferstreik (steigende Kurse ohne Umsatz).

Anleihen Finder Redaktion: Welcher Typ von Anleihen wird am meisten gehandelt, welcher kaum und warum?

Florian Weber: Es gibt hier keine allgemeingültige Aussage. Es ist in der Regel ausschließlich eine Frage des Emittenten – hat sich an der Bonität etwas geändert, reagieren die Märkte mit Umsätzen in die eine oder andere Richtung. Dabei ist es auch egal, ob vorher fünf Jahre keine Umsätze gewesen sind. Dann werden die Karten neu gemischt.

Prinzipiell leiden kleine Emissionen darunter, dass wenige institutionelle Anleger dort investieren. Sie fürchten, dass sie mit ihren üblicherweise größeren Anlagesummen einen zu hohen Anteil an der Gesamtemission haben.

Papiere, die für die Belieferung von Futures etc. genutzt werden, haben wie Staatsanleihen prinzipiell die höchsten Umsätze. Aber auch Corporates haben gute Umsätze. Daher fällt es schwer, eine generelle Aussage: „guter Umsatz/schlechter Umsatz“ zu treffen.

Anleihen Finder Redaktion: Wer handelt Anleihen an den speziellen Anleihe-Segmenten (Bondm, Entry Standard für Anleihen, mittelstandsmarkt etc.) besonders häufig? Sind hier vor allem Privatanleger aktiv oder institutionelle Investoren?

Florian Weber: Auch hierfür gibt es keine allgemeingültige Aussage. War das Segment zunächst für Privatanleger gedacht, haben wir aber mittlerweile sehr viele Marktteilnehmer. Es sind sowohl Fonds, Vermögensverwalter, vereinzelte Pensionskassen, Langfristanleger mit buy & hold Strategie aber auch Daytrader mit Ziel auf kurzfristige Zeichnungsgewinne unterwegs. Die Zeichnungsprofiteure verabschieden sich jedoch meist kurzfristig, so dass danach nur noch die langfristig orientierten Anleger (Fonds, Privatanleger etc.) übrig bleiben. Daher dann üblicherweise auch der zurückgehende Umsatz. Institutionelle Anleger tun sich mit Investitionen in der Regel wegen der kleineren Volumina schwerer.

Anleihen Finder Redaktion: Teilen Sie überhaupt die Meinung, dass die Seidensticker-Anleihe wenig gehandelt wird (siehe die Umsätze hier)?

Florian Weber: „Wenig“ ist ja relativ, es ist zumindest eine deutliche Tendenz erkennbar. Während in den ersten Tage sehr hohe Volumina zu verzeichnen waren, ist der Umsatz deutlich zurückgegangen, an manchen Tagen gibt es sogar gar keinen Umsatz mehr, das bei steigender Kurstendenz. Es zeigt ein typisches Verhalten einer Emission und es ist davon auszugehen, dass die Umsätze weiterhin niedrig bleiben werden – was aber kein Nachteil ist, da wir ja unabhängig vom Vorumsatz als Market Maker An- und Verkaufspreise stellen.

Anleihen Finder Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!

Anleihen Finder Redaktion

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