„Wir brauchen niedrige Zutrittsbarrieren für alle Marktteilnehmer“ – Interview mit Dirk Schneider und Marcel Ludwig (Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank)

Donnerstag, 12. März 2020


Die Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank ist eine der wenigen verbliebenen traditionsreichen und familiengeführten Wertpapierhandelsbanken aus der Frankfurter Bankenlandschaft. Neben dem Inhaber Walter Ludwig und dem langjährigen Geschäftsführer und Handelschef Dirk Schneider, ist nun Marcel Ludwig etwa seit einem Jahr in der Geschäftsführung. Zwar agiert Walter Ludwig immer noch selbst in seiner Bank, übergibt aber das operative Geschäft mehr und mehr in die Hände von Dirk Schneider und nun auch Marcel Ludwig. Ein guter Anlass mit der neuen Doppelspitze über die Entwicklung in der Finanzbranche zu sprechen.

Anleihen Finder: Herr Ludwig, Sie sind seit vergangenem Jahr neu in der Geschäftsführung der Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank und treten in die großen Fußstapfen Ihres Vaters. Wie fühlen Sie sich in Ihrer Rolle als einer der jüngsten Bankenchefs (30 Jahre) Deutschlands?

Marcel Ludwig: Es ist natürlich insgesamt ein sehr schönes Gefühl. Die Fußstapfen sind in der Tat riesengroß aber das Beste an der aktuellen Situation ist, dass mein Vater immer noch aktiv ist und daher ist es aktuell eher so, dass wir in der Geschäftsführung gemeinsam Fußabdrücke hinterlassen. Aber natürlich ist die Verantwortung, die ich jetzt trage, sehr groß und dessen bin ich mir auch bewusst, aber gleichzeitig weckt es auch meinen Ehrgeiz. Wir haben letztes Jahr 40-jähriges Firmenjubiläum gefeiert und in der Vorbereitung auf dieses Fest ist mir erst wirklich bewusst geworden, wie groß die Leistung meines Vaters wirklich ist – das ist schon phänomenal. Mein Ziel ist damit aber auch klar: Im Jahr 2059 möchte ich den 80. Firmengeburtstag feiern.  

Hinweis: Dieses Interview erschien zunächst im Anleihen Finder Newsletter-Februar-2020-1. Seien auch Sie vorab informiert und beziehen Sie den kostenlosen AF-Newsletter (siehe AF-Startseite rechte Spalte).

Anleihen Finder: Wie sieht die Arbeitsaufteilung bei Ihnen beiden in der neuen Doppelspitze aus?

Dirk Schneider

Dirk Schneider: Grundsätzlich entscheiden wir alles gemeinsam. Walter Ludwig hält sich weitestgehend aus dem Tagesgeschäft raus – das zeigt auch das große Vertrauen innerhalb der Geschäftsführung. Auch wenn ich keinen Ludwig im Namen trage, agiere ich hier natürlich als Teil des Familienunternehmens – in so einer Konstellation ist der Zusammenhalt natürlich ganz besonders stark. Aufgrund der regulatorischen Vorgaben und auch im Sinne einer produktiven Arbeitsaufteilung haben wir natürlich auch getrennte Aufgaben. Ich kümmere mich hauptsächlich um Handel und IT, in Personalsachen stimmen wir uns immer ab.

Marcel Ludwig

Marcel Ludwig: Ich kann Dirk da nur zustimmen. Unser Unternehmen ist speziell im Handel wirklich exzellent aufgestellt. Meine Aufgabe ist es, Dinge neu anzustoßen und die Firma weiter zu entwickeln. Dabei müssen wir nicht permanent das Rad neu erfinden, aber wir müssen unsere Abläufe optimieren und die richtigen Schlüsse aus den Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten für uns ziehen. Selbst gute Ideen oder auch lukrative Wachstumsmöglichkeiten lassen sich in einer Zeit der Überregulierung nicht ohne weiteres realisieren.  Leider ist es nämlich so, dass die Politik zu vergessen scheint, wie wichtig die eigene Wirtschaft ist. Die Steine, die uns in den Weg geworfen werden, werden zunehmend größer. Wir müssen einen Großteil der Arbeitszeit aufwenden, um komplizierte neue Verordnungen zu bearbeiten oder bürokratische Dinge abzuwickeln. Dieser Arbeitsaufwand ist für ein kleines Unternehmen wirklich enorm und muss von uns lösungsorientiert umgesetzt werden.

Anleihen Finder: Können Sie uns die Tätigkeitsfelder der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank noch einmal konkret beschreiben? Sie fungieren ja u.a. als Listing-Ansprechpartner für die technische Abwicklung an der Börse.

Dirk Schneider: Wir sind ein traditionsreiches Wertpapierhaus aus Frankfurt. Vor nun mehr als 40 Jahren hat Walter Ludwig als Kursmakler an der Frankfurter Wertpapierbörse das Unternehmen gegründet. Inzwischen sind wir eine international agierende Wertpapierhandelsbank. Dabei haben wir unsere Geschäftstätigkeit erheblich ausgeweitet. Wir sind als Market Maker und Liquidity Provider auf diversen Börsen und OTC-Plattformen aktiv. Dabei haben wir Zugänge zu nahezu allen relevanten Handelsplattformen. Gleichzeitig haben wir ein großes Handelsnetzwerk aufgebaut. Neben den großen bekannten Playern erreichen wir über Kooperationen den gesamten Retailmarkt der Direktbanken.

„Optimaler Partner für emissionsbegleitende Institute ohne direkten Börsenzugang“

Marcel Ludwig: Das große Retail-Netzwerk über die Direktbanken kann insbesondere für das Thema „Listing“ interessant sein. Wir sind zwar kein offizieller Listingpartner der FWB, aber als Spezialist ist es uns natürlich möglich, Neuemissionen zu beantragen und eine technische Abwicklung u.a. über die Zeichenbox zu übernehmen. Da wir einer der wenigen Spezialisten sind, der keine Emissionsbegleitung anbietet, sind wir der optimale Partner für emissionsbegleitende Institute ohne direkten Börsen-/Listing-Zugang. Das ist ein echter USP und da haben wir inzwischen exzellente Kontakte.      

Anleihen Finder: Von wem und in welcher Art und Weise wird Ihre Spezialisten-Tätigkeit angefragt?  Können Sie uns vielleicht ein Beispiel zur Veranschaulichung nennen?

Dirk Schneider: Wie von Marcel schon kurz angedeutet, wird die Tätigkeit oder auch Dienstleistung insbesondere von Banken oder auch in Einzelfällen von Emittenten angefragt. Ein Beispiel dafür aus dem vergangenen Jahr war die neue Underberg-Anleihe. Wir haben als Spezialist und Orderbuchmanager die Zeichenbox an der Börse abgewickelt. Nach Ablauf der Zeichnungsphase und der Zuteilung übernehmen wir auch noch die Tätigkeit als Spezialist bis zum Ende der Laufzeit des Bonds.   

Anleihen Finder: Wodurch unterscheiden Sie sich zudem noch von anderen Handelsbanken?

Marcel Ludwig: Da wir uns auf den Handel mit Anleihen beschränken, sind wir ein wahrhaftiger Spezialist für Bonds. Wir haben ein riesengroßes und exzellentes Handelsnetzwerk aufgebaut. Außerdem haben wir Zugang zu allen relevanten Märkten. Somit sind wir vor allem auch für Spezialsituationen der richtige Ansprechpartner. In der Zusammenarbeit mit Kunden kommt es uns auf eine vertrauensvolle und langfristige Zusammenarbeit an. Mit den meisten Großbanken haben wir einen sehr engen Austausch und dies gilt auch für die von uns sehr sorgfältig ausgewählten Fonds und Vermögensverwalter mit denen wir zusammenarbeiten. Wir bieten unseren Kunden direkten Zugang zu unserem Handelstisch und somit auch zu unserem großen Netzwerk. Dabei geht es hier nicht um Salespunkte oder Ähnliches, sondern um eine faire Kundenbeziehung, die aus Geben und Nehmen besteht. Unser Businessplan ist auch in diesem Fall ein sehr langfristiger.     

Anleihen Finder: Auf der technischen Seite haben Sie ja eine Reihe von Anleihen-Emissionen im KMU-Segment begleitet. Wie schätzen Sie den Markt für Mittelstandsanleihen derzeit ein und bleibt dieses Segment weiterhin interessant für Sie?

„KMU-Anleihenmarkt ist attraktiv für Privatanleger“

Dirk Schneider: Aktuell würde ich sagen, ist der KMU-Anleihenmarkt der attraktivste Markt für Privatanleger. Vor einigen Jahren ist das Mittelstandssegment berechtigterweise stark in die Kritik geraten. Damals hat einfach auch das Chancen- und Risikoverhältnis nicht gestimmt. Es waren wirklich windige Emissionen dabei. Inzwischen erleben wir eine Art Renaissance der Mittelstandsemissionen und dies auch noch bei veränderten Gesamtmarkt-Rahmenbedingungen wie beispielsweise einem historisch tiefen Leitzins.

Vielen Privatanlegern wird zudem noch der Zugang zu attraktiven Anlagemöglichkeiten durch die Regulatorik derzeit verwehrt und da „Standardanleihen“ kaum noch Rendite abwerfen bleiben den Anlegern wenig Möglichkeiten übrig. Der KMU-Markt ist aber eine davon. Viele Anleger haben zu einigen KMU-Emittenten ein besonderes Verhältnis. Manchmal nutzt man die Produkte schon oder kennt die handelnden Personen aus der Presse. Ein gutes Beispiel dafür ist die FCR Immobilien AG. Das Unternehmen kommt aus München und sowohl der Vorstand als auch viele seiner Projekte sind gut bekannt. Gepaart mit einer sehr guten Finanzkommunikation schafft das Vertrauen und zieht die Privatanleger an.          

Anleihen Finder: Die Volatilität ist im KMU-Segment aber oftmals ein Problem. Können Sie als „Market Maker“ das aus erster Hand bestätigen?  Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie hier?

„Teilweise schwindelige Kurs-Schwankungen bei unspektakulären News“

Marcel Ludwig: Das ist in der Tat so und stellt auch derzeit ein Problem dar. Dadurch, dass die meisten Emissionen ein vergleichsweise kleineres Volumen von etwa zehn bis maximal 100 Millionen Euro haben, sind diese oftmals sehr schnell und gut platziert. Die meisten Anleger kaufen außerdem eine KMU-Anleihe, um diese zunächst mal zu halten und nicht um das Papier hin und her zu handeln. Also entsteht nach absehbarer Zeit eine gewisse Knappheit und das Papier wird illiquide. Ein Spezialist an der Börse, wie wir zum Beispiel, zeigt natürlich dennoch eine Kauf- beziehungsweise Verkaufsseite und signalisiert dem Markt somit den aktuellen Preis. Wenn jetzt, wie so oft in diesen Situationen, ein Gerücht oder eine schlechte Nachricht den Emittenten betreffend die Runde macht, wollen plötzlich viele aus Nervosität verkaufen. Da es sich aber um einen extrem illiquiden Wert handelt, gibt es oft keine Käufer und der Spezialist ist gezwungen, seinen Kaufpreis immer weiter nach unten zu nehmen bis irgendwann wieder Käufer erscheinen. Das ist oft der Grund für die wirklich teilweise schwindeligen Schwankungen für sehr unspektakuläre News oder Gerüchte. Um dies zu verhindern, ist das Informationsmanagement und Marketing des Emittenten sehr, sehr wichtig. Wenn die Anleger sich gut informiert fühlen, wird es solche „unnötigen“ Schwankungen nicht geben.   

Anleihen Finder: Sie beobachten mit Ihrem Team den weltweiten Anleihen-Handel. Wie bewerten Sie diesen generell im noch jungen Geschäftsjahr 2020? Welche externen Faktoren beeinflussen den Handel dabei merklich?

Dirk Schneider: Es ist derzeit wirklich eine schwierige Zeit im globalen Wertpapierhandel. Grundsätzlich entwickelt sich der Anleihehandel auch zum Start 2020 sehr gut, jedoch machen es die äußeren Umstände und die regulatorischen Eingriffe wirklich schwierig. Da ist zum einen die europäische Nullzinspolitik und die EZB, die durch ihr Anleiheaufkaufprogramm die Märkte nachhaltig austrocknet und auf der anderen Seite wird versucht, durch regulatorische Eingriffe die Privatanleger zu schützen. Der Ansatz des Schutzes ist absolut richtig und auch nachvollziehbar, jedoch wird oftmals nicht bedacht, wie stark die Auswirkungen sind, wenn an einer kleinen Stellschraube im System gedreht wird.

Ein Beispiel hierfür ist die neue Einschränkung beim Kauf von Hybrid- und Wandelanleihen für Privatanleger. Die Umsetzung einer EU-Richtlinie hatte zur Folge, dass Privatanleger solche Produkte nicht mehr kaufen können. Unter diese Verordnung fallen auch Anleihen mit einer sogenannten „Make Whole-Klauseln“, die überwiegend bei US-Dollar-Papieren zu finden ist. Anlegern wurde so, wie weiter oben schon angedeutet, der Zugang zu lukrativen US-Dollar-Werten genommen da die meisten US-Dollar-Anleihen diese Klausel einfach standardmäßig innehaben. Seit fast einem Jahr versucht nun eine gesamte Branche eine Regulierung wieder rückwirkend zu machen, um nur ein Beispiel zu nennen.

Anleihen Finder: Stetig neue Regularien fressen den Finanzsektor also zusehends auf. Wie kann dem entgegengewirkt werden?

„Ganze Anlagenklassen werden für Privatkunden unerreichbar“

Dirk Schneider: Wie eben von mir kurz angesprochen ist es insgesamt so, dass der zunehmende vorgehaltene Kundenschutz eigentlich nur den Privatkunden aus dem Markt verdrängt. Wie eben beschrieben werden durch „Schutzvorgaben“ ganze Anlagenklassen für Privatkunden unerreichbar. Um den Retail-Anleger besser zu stellen wird oft versucht, die Banken und auch professionelle Anbieter einzuschränken. Das ist aber der falsche Ansatz, denn wenn großen Playern das Leben schwer gemacht wird, dann hören sie entweder auf mitzuspielen oder schlagen ihre zusätzlichen Aufwendungen auf den Preis auf. Beides ist sehr schlecht für den Privatkunden, denn entweder fehlt ihm die Liquidität oder Gegenpartei zum Handeln oder die handelbaren Preise werden so schlecht, weil der Anbieter die zusätzlichen Aufwendungen durch regulatorische Vorgaben in den Preis einbezieht. Privatkunden und professionelle Anleger brauchen aber Liquidität. Also müsste man eigentlich daran arbeiten, transparente Lösungen mit effektiven aber niedrigen Zutrittsbarrieren für alle Marktteilnehmer zu erreichen.

Anleihen Finder: Inwiefern müssen Sie dadurch Ihre Geschäftstätigkeit anpassen und verändern?

Dirk Schneider: Die Bürokratie und die Kosten haben enorm zugenommen. Ständig müssen wir uns mit neuen Verordnungen oder Richtlinien auseinandersetzen und überprüfen, ob wir intern etwas anpassen müssen. Wir haben es zwar glücklicherweise geschafft, unser Handelsergebnis zu verbessern und auch die Anzahl der Trades hat zugenommen. Aber am stärksten von allem ist bei uns die Administration angewachsen. Für ein kleines Haus wie unseres ist das teilweise sehr schwer umzusetzen. Aber im Prinzip befinden wir uns in den gesamten letzten 20 Jahren im permanenten Wandel. Wir müssen es ständig schaffen, uns neu zu erfinden. Als kleinerer Finanzmarktakteur ist es extrem wichtig, immer am Nabel der Zeit zu sein. Aber das macht es einfach auch aus.   

Anleihen Finder: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank in den kommenden Jahren?

Marcel Ludwig: Grundsätzlich sind unsere Zielsetzungen langfristig angelegt. Wir sind ein kerngesundes Unternehmen und wollen das auch 2059 sagen können. Deshalb lassen wir uns auch nicht von kurzfristigen Trends oder ähnlichem von unserem Weg abbringen. Trotzdem wollen wir natürlich weiter wachsen und unser Geschäft entwickeln. Der Markt wird speziell auch bei Abwicklungsthemen transparenter werden. Ich denke, die Clearingbanken und Abwicklungshäuser werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zunehmend aus dem Markt gedrängt. Der Wertpapierhandel wird insgesamt auch noch digitaler werden und das schauen wir uns natürlich derzeit auch alles ganz genau an. Sollte sich uns eine Möglichkeit bieten, werden wir uns auch definitiv in diese Richtung entwickeln. Momentan ist das allerdings alles Zukunftsmusik. Ich blicke insgesamt absolut positiv und zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben uns in den letzten Jahren wirklich fantastisch entwickelt und werden mehr und mehr zu einem Schnellboot. Es ist eine tolle Dynamik mit einer guten Altersmischung im Team entstanden. Die unterschiedlichen Altersstrukturen in der Geschäftsführung spiegeln sich auch im gesamten Team wider und das macht uns derzeit auch so stark.

Anleihen Finder: Herr Ludwig, Herr Schneider, besten Dank für das aufschlussreiche Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

Anleihen Finder Redaktion.

Hinweis: Das Interview wurde am 24. Februar 2020 geführt.

Titelfoto: pixabay.com

Portraitfotos: Marcel Ludwig und Dirk Schneider, Walter Ludwig GmbH Wertpapierhandelsbank

Arbeitsplatz-Foto: Anleihen Finder Redaktion

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