Was ist eigentlich eine Mittelstandsanleihe? – Kolumne von Peter Thilo Hasler

Dienstag, 14. Mai 2013


Inzwischen wurden rund 80 Anleihen mittelständischer Unternehmen an den Wertpapierbörsen Stuttgart (Bondm), Frankfurt (Entry Standard und Prime Standard für Anleihen), Düsseldorf (der mittelstandsmarkt), München (m:access bonds) und Hamburg-Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland) begeben. Obwohl eine Google-Suche nach „Mittelstandsanleihe“ Ende April 2013 nicht weniger als 300.000 Treffer ergab, bleibt die Frage, was eine Mittelstandsanleihe ist, weiter ungeklärt.

So meldeten unlängst verschiedene Medien, dass die Enertrag AG eine „Mittelstandsanleihe“ begeben wolle. Auch andere Unternehmensanleihen wie etwa Alpine Holding, Solar8 Energy oder die Solar Millennium werden häufig in einem Zug mit Mittelstandsanleihen genannt, obwohl sie die dafür erforderlichen Qualitätsmerkmale nicht erfüllen. Schon ein kurzer Blick in den Wertpapierprospekt macht deutlich, dass die Enertrag-Anleihe nicht an einer Börse gelistet sein wird. Damit wird eines der zentralen Elemente einer Mittelstandsanleihe verletzt. Denn nur durch einen Börsenhandel ist die Veröffentlichung objektivierter Kurse sichergestellt, die sich nach Angebot und Nachfrage richten und damit dem Anleger im Unterschied zum unregulierten Freiverkehr die Möglichkeit bieten, sich jederzeit von seinen Beständen zu trennen.

Mit einer Stückelung von höchstens 1.000 EUR stellen Privatanleger eine der potenziellen Zielinvestoren von Mittelstandsanleihen dar. Um diese besonders zu schützen, ist für die Platzierung einer Mittelstandsanleihe eine umfangreiche Dokumentation verpflichtend: Neben dem Wertpapierprospekt, der dem Anleger strukturierte Informationen zum Geschäftsmodell, den damit verbundenen Risikofaktoren, der Markt- und Wettbewerbssituation sowie der Entwicklung der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der letzten beiden Jahre geben soll, ist insbesondere die Einschätzung der Unternehmensbonität durch eine unabhängige, EU-registrierte Ratingagentur von Bedeutung. Das Rating soll eine Aussage über die zukünftige Fähigkeit und rechtliche Verpflichtung des bewerteten Unternehmens zur termingerechten und vollständigen Erfüllung von Zins- und Tilgungszahlungen treffen und die Nachhaltigkeit der Cashflows des Unternehmens zur Bedienung der Kapitaldienste überprüfen. Unternehmen, die eine Anleihe im Freiverkehr platzieren, scheuen dagegen für gewöhnlich die Beauftragung und Veröffentlichung eines externen Ratings, wodurch dem Anleger ein zentraler Baustein für die Einschätzung einer Anleihe fehlt.

Auf für die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage wesentliche Ereignisse schnell reagieren

Nach der Platzierung der Anleihe sind die Emittenten von Mittelstandsanleihen zur Einhaltung der sogenannte Quasi Ad-hoc-Publizität verpflichtet, durch die sie angehalten werden, wichtige Informationen, die für die Kursentwicklung der Anleihe wichtig sind, unverzüglich einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies entbindet den Anleger zwar nicht, die Entwicklung des Unternehmens selbst zu verfolgen, gibt ihm aber die Möglichkeit, auf für die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage wesentliche Ereignisse schnell zu reagieren. Gleichfalls ist an den Mittelstandsbörsen die Veröffentlichung eines Halbjahresabschlusses obligatorisch, so dass Anleger auch über die Entwicklung der Finanzkennzahlen informiert werden. Im nicht-regulierten Freiverkehr sind derartige Folgepflichten unüblich.

In einem Marktumfeld, das von historisch niedrigen Zinsen geprägt ist, bieten Mittelstandsanleihen optisch attraktive Konditionen. Allerdings werden sie von Unternehmen begeben, die bislang nicht auf den Kapitalmärkten in Erscheinung getreten sind. Im Unterschied zu großen Frequent Issuers müssen sie daher wesentlich höhere Zinsen anbieten. Für den Anleger stellen Mittelstandsanleihen jedoch nur dann eine interessante Anlagealternative dar, wenn alle vorgestellten Qualitätsmerkmale erfüllt werden, die eine Investmententscheidung unterstützen: Handelbarkeit, Rating und Folgepflichten. Emittenten, die dazu nicht bereit sind, begeben aus meiner Sicht keine Mittelstandsanleihe, sondern ein Graumarktpapier.

Peter Thilo Hasler

Peter Thilo Hasler ist Vorstand der BLÄTTCHEN & PARTNER AG und Gründer und Analyst der Sphene Capital.

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