Vermögensverwalter Schott: Kritisch bei Bankanleihen und Projektfinanzierungen

Montag, 16. Juli 2012

Interview mit Dr. Max Schott, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Sand und Schott, Stuttgart.

Im Auftrag seiner Kunden investiert er seit 1994 in Unternehmensanleihen. Am besten aufgehoben fühle er sich im mittleren Segment. Bei Mittelstandsanleihen ist er vorsichtig. Im Interview erklärt der erfahrene Manager, wie er die Spreu vom Weizen trennt und welche Anleihen er favoriiert.

Anleihen Finder: Herr Schott, Sie müssen als Vermögensverwalter alle wichtigen Anlageklassen im Blick haben, von Immobilien bis Aktien. Bitte erläutern Sie uns, weshalb für Ihre Kunden Unternehmensanleihen gerade jetzt eine wichtige Rolle spielen.

Max Schott: Zunächst einmal möchte ich vorausschicken, dass in den Depots unserer Kunden praktisch seit dem Start der Vermögensverwaltung Sand und Schott im Jahr 1994 Unternehmensanleihen eine Rolle spielen. Als Stuttgarter Haus liegen die Möglichkeiten mit Anleihen von wirtschaftlich starken Marktführern aus Baden-Württemberg sozusagen vor der Haustür. Aber Sie haben Recht, die Bedeutung ist in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen. Es sind zwei Entwicklungen, die gleichzeitig vonstattengegangen sind. Auf der einen Seite sind die Alternativen abhandengekommen – gerade für konservativ ausgerichtete Anleger – auf der anderen Seite sind viele Unternehmen heute deutlich besser aufgestellt als noch vor wenigen Jahren und damit als Emittent interessant.

Anleihen Finder: Welche Anlagen haben Sie bisher als Alternative zu Unternehmensanleihen gesehen, die jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen?

Max Schott: Ein Beispiel sind Offene Immobilienfonds, die als institutionelle Tranchen angeboten wurden und damit lange Zeit ein ausgezeichnetes Chance-Risiko-Verhältnis aufgewiesen haben. Aber mittlerweile ist auch bei diesen Fonds das Liquiditätsrisiko extrem gewachsen. Wenn die Möglichkeit besteht, dass der Fonds für unbestimmte Zeit geschlossen und das Geld eingefroren ist, nützt auch die bisher verdiente Rendite nicht. Das andere offensichtliche Beispiel sind Staatsanleihen von sicheren Schuldnern, vor allem aus Deutschland und den USA. Hier wird das eingegangene Kursrisiko ganz klar nicht mehr bezahlt, Bundesanleihen und T-Bills spielen in unseren Kundendepots praktisch keine Rolle mehr. Es ist ja schon ein geflügeltes Wort, dass man heute statt dem risikolosen Zins ein zinsloses Risiko ins Depot eingebucht bekommt.

Anleihen Finder: Aber attraktiv verzinste Unternehmensanleihen gab es auch früher schon. Weshalb sind sie in der Bedeutung gestiegen?

Max Schott: Schon, aber die Rahmendaten im Unternehmenssektor haben sich deutlich verbessert, und damit die relative Attraktivität der Bonds. Die Verschuldungssituation der Unternehmen im High-Yield Bereich ist nach unseren Berechnungen in Europa historisch auf einem sehr niedrigen Niveau. Durch verbessertes Risikomanagement und Abbau des eingesetzten Hebels auf das Eigenkapital verbessert sich die Eigenkapitalquote auch künftig. Schließlich sind die Renditeabstände von europäischen Investment-Grade-Anleihen sehr gesund. Sie sind in etwa wieder auf dem Niveau von vor der Finanzkrise. Gleichzeitig sind sie noch nicht so unnatürlich niedrig wie in den Boom-Jahren 2006/07.

Anleihen Finder: In welchen Anleihesegmenten investieren Sie vorrangig?

Max Schott: Wir fühlen uns am besten aufgehoben in einem mittleren Segment, oberhalb der kleinvolumigen Mittelstandsanleihen. Dort gab es bereits viele Emissionen, die an die Zeiten des Neuen Marktes im Aktienbereich erinnern. Da muss man schon sehr genau hinsehen und die Spreu vom Weizen trennen. Die Anleihen von DAX- oder EuroStoxx-Konzernen wiederum bieten meist zu geringe Kupons, die nicht für das eingegangene Risiko entschädigen. Aber dazwischen gibt es eine gute und zum Glück stetig steigende Zahl an interessanten Unternehmen.

Anleihen Finder: Bitte erläutern Sie uns ganz konkret, wie Sie ein Depot aus Unternehmensanleihen zusammenstellen?

Max Schott: Wir haben ein mehrstufiges Auswahlsystem entwickelt. Dabei wenden wir wissenschaftlich belegte Grundsätze für ein gestreutes Depot an, wie sie unter anderem auch schon von Harry Markowitz formuliert wurden. Im Zentrum des Portfolioaufbaus steht die Diversifikation auf mehreren Ebenen. Eine davon ist der Branchenmix, um die relative Attraktivität einzelner Sektoren zu nutzen. Auch suchen wir Anleihen mit unterschiedlichen Bonitäten, aus Investmentgrade und High Yield. Sehr wichtig ist auch die Streuung der Fälligkeiten, damit nicht mehrere Anleihen gleichzeitig auslaufen und damit ein größerer Teil des Depots auf einmal nicht investiert wäre. Als letzten Punkt würde ich nennen, dass man durchaus taktische Kaufzeitpunkte ausnutzen sollte. Damit ist gemeint, dass man einerseits nicht in Übertreibungsphasen gerät und auf der anderen Seite auch durchaus Kursrückschläge nutzt, wenn Sie nach unserer Meinung nicht gerechtfertigt sind.

Anleihen Finder: Fangen wir mit dem Branchenmix an. Wie gehen Sie da vor?

Max Schott: Es gibt zwei Segmente, bei denen wir sehr skeptisch sind und die wir derzeit nicht investieren. Das eine sind Bankanleihen, aufgrund der hohen Unsicherheiten im Finanzsektor. Abgesehen davon, dass Bankbilanzen sehr schwierig zu analysieren sind, bleiben auch die regulatorischen Unwägbarkeiten gravierend. Das zweite Beispiel sind Projektfinanzierungen, etwa aus dem Bereich erneuerbare Energien. Daher sind wir auch bei den bekannten Insolvenzfällen nicht betroffen gewesen, weil wie diesen Bereich grundsätzlich meiden. Wenn wir von Branchenmix sprechen, das ist nicht gemeint, dass wir Top-Down festlegen, dass zum Beispiel Chemieunternehmen aktuell Vorteile haben. Es ist vielmehr gemeint, dass bei der Zusammenstellung der ausgewählten Anleihen keine Klumpenrisiken bei Branchen entstehen dürfen, idealerweise entwickeln sich die verschiedenen Branchen sogar weitgehend unkorreliert.

Anleihen Finder: Dann gehen wir einen Schritt zurück: Wie finden Sie die Anleihen, die Sie nach der beschriebenen Methode zu einem Depot zusammenstellen?

Max Schott: Am Anfang steht eine qualitative Prüfung der Anleihen. Ist das Geschäftsfeld eher dynamisch oder solide? Dient die Anleihe einer Restrukturierung oder der Wachstumsfinanzierung? Welche besonderen Risiken müssen bei dem spezifischen Unternehmen berücksichtigt werden? Daneben haben wir 15 quantitative Kriterien bestimmt, die bei jeder Anleihe geprüft werden. Wichtig sind dabei der freie Cashflow, der Verschuldungsgrad und die Interest Coverage Ratio. Dabei ziehen wir neue wissenschaftliche Analysen heran, die sich mit der Prognose von Kreditausfällen beschäftigen. Auf dem Gebiet hat sich in letzter Zeit einiges getan. Das betrifft zum Beispiel das Umsatzwachstum, das natürlich nicht zu klein, aber auch nicht zu hoch sein darf. Auch bei sehr schnell wachsenden Unternehmen steigt die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfüllen. Gleiches gilt für das Quick Ratio, also das Verhältnis von kurzfristigen Vermögen zu kurzfristigen Schulden. Sinkt diese Kennziffer, steigt ebenfalls das Ausfallrisiko.

Anleihen Finder: Woher bekommen Sie Ihre Informationen?

Max Schott: Eine wichtige Quelle sind die Veröffentlichungen des emittierenden Unternehmens selber. Daneben sprechen wir mit Brokern und beziehen Informationen von Datenanbietern wie Bloomberg. Sollten wichtige Fragen offen bleiben, dann wenden wir uns auch direkt an das Management des Unternehmens. Aber das ist ganz klar die Ausnahme, da unser Prozess hauptsächlich quantitativ ausgerichtet ist.

Anleihen Finder: Fühlen Sie sich von den Anleiheemittenten gut informiert?

Max Schott: Da gibt es große Unterschiede. Bei börsennotierten Unternehmen sind aufgrund der Pflichtmitteilungen, Quartals- und Halbjahresberichte ausreichende Informationen vorhanden. Bei den kleineren, nicht börsennotierten Unternehmen ist die Transparenz oft nur bei der Emission der Anleihe gegeben. In der Folgezeit nimmt die Menge und Qualität der Informationen stark ab. Da herrscht bei vielen noch nicht die Einsicht, dass auch bestehende Investoren informiert werden müssen, nicht nur vor der Zeichnung der Anleihe „geworben“ werden muss. Häufig wird nur bei der Emission ein Rating im Auftrag gegeben, darauf folgt jahrelang keine Aktualisierung.

Anleihen Finder: Was könnte verbessert werden?

Max Schott: Neben der fehlenden laufenden Informationen gibt es noch weitere Punkte, die in der Praxis verbessert werden könnten. Unserer Meinung nach werden zum Teil gravierende und spezifische Risiken, welche für das Mittelstandssegment bestehen, nicht in die Beurteilung der Bonität dieser Unternehmen mit einbezogen. Was ich damit meine: Dreht der Markttrend in einem bestimmten Segment, dann ist das für einen großen Konzern ärgerlich, bedroht aber, aufgrund einer Diversifikation der Geschäftsmodelle, in der Regel nicht seine Existenz. Für ein mittelständisches Unternehmen ist das aber häufig sehr gefährlich, da die Unternehmen spezialisiert in einem Marktbereich tätig sind. So kommt es dann sehr viel schneller und überraschender zu Insolvenzen und einem Ausfall der Anleihe. Bei erneuerbaren Energien haben wir das zur Genüge gesehen, es wird sicher auch in anderen Bereichen vorkommen. Wenn hier nicht ehrlich kommuniziert wird – von Unternehmen und Ratingagenturen – ist der Ruf des ganzen Anleihesegments gefährdet.

Anleihen Finder: Würden Sie sich eine Ad-Hoc-Pflicht auch für Emittenten von mittelständischen Anleihen wünschen?

Max Schott: Das wäre sehr gut, aber wahrscheinlich nicht realistisch. Hier sind die Börsen gefragt, von den Emittenten höhere Transparenz-Standards zu verlangen. Lieber sollten die Börsen auf Emissionen verzichten, bei denen die Unternehmen nicht zu einer regelmäßigen Kommunikation in der Lage oder bereit sind. Beim Aktiensegment Neuer Markt hat man gesehen, wie nachhaltig der Ruf eines Börsensegments geschädigt werden kann.

Anleihen Finder: Was müsste passieren, damit Sie noch mehr in mittelständische Anleihen investieren?

Max Schott: Derzeit fehlt es noch sowohl an der Breite und der Tiefe des Marktes. Wir suchen gut aufgestellte Unternehmen mit stabilem Cash-Flow. Davon würden wir gerne mehr sehen, viele Emittenten sind in ihrer strategischen Ausrichtung sehr konzentriert. Häufig ist bei interessanten Anleihen die Liquidität nicht ausreichend. Ein Verkauf wäre dann nicht oder nur mit hohen Abschlägen möglich. Aber ich bin optimistisch, dass sich das Segment mittelständischer Anleihen gut entwickeln wird. Die verbesserte Datenlage und laufende Transparenz lockt weitere Investoren an, dadurch steigt die Liquidität. Zudem werden auch die ersten Investmentfonds auf den Markt aufmerksam.

Anleihen Finder: Bitte nennen Sie uns interessante Anleihen, die Sie aktuell im Depot haben, mit den wichtigsten Gründen für den Kauf.

Max Schott: Gerne. Sehr gut gefällt uns die Symrise-Anleihe. Das Unternehmen arbeitet in einem Sektor, der wenig abhängig von der Konjunktur ist. Der Absatz von Duft- und Lebensmittelzusatzstoffen befindet sich in einem stetigen Aufwärtstrend. Zudem ist die Finanzausstattung des Unternehmens hervorragend. Seit wird die Anleihe im August 2011 gekauft haben, hat sie sich sehr gut entwickelt, die Yield to Maturity ist mit 3,3 Prozent aber immer noch in Ordnung. Zum Vergleich hat eine jüngere Investition, die Ekosem Agrar, eine ganz andere Positionierung. Das russische Agrar- Unternehmen weist ein höheres Wachstum auf, eine höhere Verzinsung und ist natürlich deutlich stärker abhängig von der Konjunktur. In Verbindung mit soliden Unternehmen wie Symrise ist das Risiko in einem Portfolio aber gut tragbar.

Anleihen Finder: Welche Rolle spielt das laufende Risikomanagement? Oder ist die wichtigste Arbeit mit dem Kauf der Anleihe erledigt?

Max Schott: Das ist ein wichtiger Punkt, der von vielen Investoren übersehen wird. Ich würde sogar sagen, dass ein wesentlicher Teil der Rendite beim laufenden Portfoliomanagement verdient wird. Leider herrscht immer noch bei vielen Anlegern die Annahme, dass es bei Anleihen nach dem Kauf der Papiere nur noch darum geht, die Zinsen einzusammeln. Im Gegenteil, die Schwankungsbreiten bei der Kursentwicklung von Unternehmensanleihen sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Das liegt zum einen daran, dass auch kleinere, sagen wir opportunistische Kandidaten mit Anleihen an den Markt gekommen sind. Auf der anderen Seite sind die Investoren aber auch anspruchsvoller und kritischer geworden. Da wird eine Anleihe schnell abgestraft, auch wenn das Unternehmen sich nur leicht schlechter als die Erwartungen entwickelt hatte. Darauf muss sich ein Vermögensverwalter einstellen und entsprechend reagieren, um die Rendite des Portfolios nicht zu gefährden. Die Arbeit beginnt mit der Analyse der Unternehmens- und Branchenmeldungen, geht über Updates der Ratingagenturen bis zu Makroökonomischen Entwicklungen.

Anleihen Finder: Herr Schott, vielen Dank für das Gespräch!

Kurz-Vita von Herrn Dr. Max Schott

Nach der klassischen Ausbildung zum Bankkaufmann schloss Max Schott sein Studium in Mannheim als Diplom-Kaufmann ab. Er bekam ein Stipendium zur Teilnahme an dem MBA-Programm der York University in Toronto, Kanada. Nach einer zweijährigen Zeit als Unternehmensberater bei McKinsey & Company übernahm Max Schott die Geschäftsführung in der Unternehmensgruppe Schott & GmbH & Co. KG (Autohandel, Leasing, Immobilien). Im Jahr 1994 gründete er gemeinsam mit Arne Sand die unabhängige Vermögensverwaltung Sand und Schott GmbH in Stuttgart.

Anleihen Finder Redaktion

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