Frage an Michael Munsch, Chef der Creditreform Rating Agentur: Sind handfeste Insolvenzmassen wirksame Sicherheiten?

Dienstag, 27. November 2012


Der Vorstand der Creditreform Rating AG, Dr. Michael Munsch (Foto), erklärt im Anleihen Finder-Interview u.a. die Abgrenzung von explizit werthaltig besicherten Anleihen und nicht besicherten Wertpapieren.

Anleihen Finder Redaktion: Die Börsenzeitung zitiert einen Marktbeobachter in Bezug auf Mittelstandsanleihen folgendermaßen: „Alles, was man essen, trinken oder anfassen kann, läuft.“  Nicht in diese Kategorie fallen würden Anleihen von Internet-Plattformen wie get-goods.de AG und Travel24. Hier gibt es kaum etwas zum Anfassen, da die Unternehmen zum großen Teil nur „virtuell existieren“. Werte, die man im Falle einer Insolvenz liquidieren könnte, gibt es nur wenige. Sind diese Anleihen daher nicht kritisch in Bezug auf entsprechende Sicherheiten zu sehen?

Michael Munsch: Unternehmen wie Getgoods existieren nicht nur virtuell. Es handelt sich hier z.B. um ein Handelsunternehmen, bei dem Mitarbeiter beschäftigt sind, die in Büroräumen sitzen und Geschäfte abwickeln. Lediglich der Vertriebskanal ist nicht durch Filialen geprägt, aber dies ist heutzutage ja nichts Ungewöhnliches mehr. Wie auch andere Handelsunternehmen verfügen e-commerce Unternehmen häufig über erhebliche Kundenbestände.

Geht ein Unternehmen in die Insolvenz, ist bei Anleihen, die nicht explizit werthaltig besichert sind, generell davon auszugehen, dass nur eine geringe Quote aus dem Insolvenzverfahren zur Bedienung der Ansprüche zur Verfügung steht. Dies ist aber naturgemäß bei nahezu allen Unternehmen so, da das Management, bevor ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, typischerweise mit allen Mitteln versucht, dieses abzuwenden und dazu ggf. auch auf freie Assets des Unternehmens zurückgreift.

Anleihen Finder Redaktion: In wie weit ist eine große Insolvenzmasse in Form von bsp. Fabriken, Windkraftanlagen oder auch Immobilien überhaupt eine wirksame Sicherheit für Anleger? Kommt in der Regel von den Verkaufserlösen (nach Bedienung der Banken) überhaupt noch etwas bei den Anleihe-Gläubigern an?

Michael Munsch: Assets von Unternehmen sind nur als tatsächliche Sicherheit anzusehen, wenn diese in den Anleihebedingungen, unter Beachtung von organisatorischen Sicherungserfordernissen, wie z.B. Einschaltung von Treuhändern und Mittelverwendungskontrollen, als tatsächliche dingliche Sicherheit ausschließlich für die Bedienung der Anleihezeichner im Falle der Insolvenz des Schuldners zur Verfügung stehen. Anleiheratings berücksichtigen solche Besicherungsstrukturen, wenn diese vorhanden sind.

Anleihen Finder Redaktion: Die Creditreform Rating Agentur hat die getgoods.de AG mit der Note BBB- bewertet. Wie beurteilen Sie die Sicherheiten-Struktur der Anleihe? Welche Ansprüche haben die Zeichner der Anleihe hier im Falle einer Insolvenz?

Michael Munsch: Bei der getgoods AG wurde ein Unternehmensrating durchgeführt, kein Anleiherating. Bei einem Unternehmensrating wird das Risiko des Gesamtunternehmens eingeschätzt. Ein Anleiherating hingegen stellt das Risiko, das eine bestimmte Verbindlichkeit (nämlich die Anleihe), ggf. auch unter Berücksichtigung von Sicherheiten, verkörpert, dar. Die emittierte Anleihe ist unbesichert. Im Falle einer Insolvenz wären die Anleger also gleichrangig mit allen anderen unbesicherten Gläubigern des Unternehmens.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Creditreform Rating AG

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü