Rating bei Mittelstandsbörse Deutschland nicht zwingend vorgeschrieben

Dienstag, 5. Juni 2012

Ulf Timke, Leiter der Handelsüberwachungsstelle an der Börse Hamburg, über die Kosten für einen Zugang zum Kapitalmarkt.

Anleihen Finder: Wie hoch sind die Kosten für die Einbeziehung einer typischen Mittelstandsanleihe in das Segment Mittelstandsbörse Deutschland der Börsen Hamburg/Hannover (einmalig, jährlich)?

Ulf Timke: Für die Einbeziehung von Anleihen in die Mittelstandsbörse Deutschland wird ein Entgelt erhoben, das sich an der Laufzeit der Anleihe orientiert (als Faustformel gilt je Jahr Laufzeit € 1.000 Einbeziehungsentgelt). Eine jährliche Notierungsgebühr wird nicht erhoben.

Mittelständische Unternehmen erhalten im Segment Mittelstandsbörse Deutschland einen kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt. Zwingend einzureichen ist ein von der BaFin gebilligter Prospekt, der bei jedem öffentlichen Angebot kraft Gesetzes ohnehin zu er-stellen ist. Hier fallen für den Emittenten einmalige Kosten für die Prospekterstellung an, die sich – basierend auf Erfahrungswerten – je nach Komplexität mit ungefähr € 30.000 bis € 50.000 beziffern lassen. Ein Rating ist vom Regelwerk für die Mittelstandsbörse Deutschland nicht zwingend vorgeschrieben. Es ist insofern zwar nur optional, in der Praxis aber in den meisten Fällen für eine erfolgreiche Platzierung unabdinglich. Hierfür fallen Kosten von mindestens € 30.000 an. Nutzt der Emittent zur Platzierung die Zeichnungsbox der Börse entstehen Vertriebskosten, deren Höhe in einer individuellen Vereinbarung zwischen Emittent und Kapitalmarktpartner festgelegt wird.

Anleihen Finder: Wie hoch wären die oben beschriebenen Kosten im Freiverkehr?

Ulf Timke: Die Kosten sind im Freiverkehr nur geringfügig anders. Neben einem Entgelt für die Einbeziehung fallen hier jährliche Notierungsgebühren an. Diese Entgelte sind abhängig vom jeweiligen Einzelfall und in der Höhe ähnlich wie in der Mittelstandsbörse Deutschland. Anders ausgedrückt: der Zugang für Emittenten zum Segment Mittelstandsbörse Deutsch-land wird durch die Börse nicht mit entsprechenden Aufschlägen gegenüber einer herkömmlichen Freiverkehrsnotiz erschwert. Hier wollen wir bewusst keine Hürden durch hohe Zugangskosten aufbauen.

Anleihen Finder: Wofür müssen Emittenten an der Mittelstandsbörse Deutschland weitere Gelder investieren (Rating, Berichtswesen)? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie hoch diese „Folgekosten“ sind?

Ulf Timke: Die „Folgekosten“ nach einer Einbeziehung in die Mittelstandsbörse Deutschland sind für den Emittenten überschaubar. Ebenso wie ein Rating nicht verpflichtend für den Zugang ist, wird auch der Verbleib in diesem Segment nicht von der Erstellung von Folgeratings abhängig gemacht. Natürlich fordern wir, dass der Emittent auch nach Einbeziehung weiterhin die Gewähr für Transparenz bietet. Dieses ist für die Investoren, die sich bereits engagiert haben oder noch engagieren wollen, sehr wichtig. Seinen Niederschlag findet diese fortwährende Transparenzverpflichtung in den vom Emittenten zu erfüllenden Folgepflichten, die im Regelwerk normiert sind. So ist der geprüfte Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten nach Ende des vergangenen Geschäftsjahres zu veröffentlichen, er muss sich einer „Quasi-Ad-hoc-Publizitätspflicht“ unterwerfen und hat sein Unternehmenskurzportrait mindestens jährlich zu aktualisieren.

Es besteht indes keine Verpflichtung zu einer Zwischenberichterstattung und auch keine Coaching-Verpflichtung. Entsprechend fallen hier auch keine unabwendbaren „Folgekosten“ an.

Wir haben darauf geachtet, einen guten Interessenausgleich umzusetzen: einerseits muss dem berechtigten Interesse der Anleger nach Transparenz auch während der Laufzeit der Anleihe Rechnung getragen werden und andererseits sollen die Kosten schon beim Zugang und dann für die Aufrechterhaltung der Notierung mit dem Kostenbewusstsein gerade mittelständischer Unternehmen in Einklang gebracht werden.

Anleihen Finder: Warum ist es für mittelständische Emittenten trotzdem sinnvoll, ihre Anleihe im Qualitätssegment listen zu lassen?

Ulf Timke: Die Mittelstandsbörse Deutschland bietet gegenüber dem herkömmlichen Freiverkehr den Vorteil für den Emittenten, sich aus der „Masse“ herauszuheben und bei Investoren ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu erzielen. Die Transparenzgebote sind Ausfluss dessen, was ein risikobewusster Investor während der Laufzeit an Informationen erwartet und erwarten darf. Das Listing und die Erfüllung der Folgepflichten sind kostenschonend möglich – die Kosten sind für Emittenten kein Hinderungsgrund, sich für die Mittelstandsbörse Deutschland zu entscheiden.

Anleihen Finder: Herr Timke, vielen Dank für das Gespräch!

Anleihen Finder Redaktion

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