Michael Rieß, Deutsche Börse AG: „Die Anleihe ist gewissermaßen das Instrument der Stunde“

Freitag, 24. Februar 2012

Die Börsen Stuttgart und Frankfurt richten neue Segmente für Unternehmensanleihen ein.  Die Anleihen Finder Redaktion sprach mit Michael Rieß von der Deutschen Börse AG über die Gründe.

Kurz nachdem die Deutsche Börse AG angekündigt hatte, an der Frankfurter Wertpapierbörse einen Prime Standard für Unternehmensanleihen einzurichten, zog die Stuttgarter Börse nach. Experten der Börse Stuttgart arbeiten gerade ebenfalls an einem neuen weiteren Marktsegment für Anleihen. Ziel sei es, die Lücke zwischen Mittelstandsanleihen und Benchmarkanleihen zu schließen, sagte Bernd Stockmann von der Börse Stuttgart im Gespräch mit der Anleihen Finder Redaktion.

In Frankfurt richtet sich das neue Segment laut der Deutschen Börse an größere börsen- und nicht-börsennotierte Unternehmen mit einem Emissionsziel von über 100 Millionen Euro. Emittenten müssen strengere Auflagen erfüllen als für den Entry Standard der Frankfurter Börse. Die Anleihen Finder Redaktion bat Michael Rieß von der Deutschen Börse AG zum Interview:

Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Rieß, ab wann genau können Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse Anleihen im Prime Standard für Anleihen begeben?

Michael Rieß: Wir werden das Regelwerk in Kürze finalisieren und starten das Segment mit dem ersten Emittenten, der beabsichtigt, seine Anleihe im Prime Standard für Unternehmensanleihen zu notieren. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht sagen.

Anleihen Finder: Können Sie die Hauptgründe nennen, warum sich die Deutsche Börse AG dazu entschlossen hat, den Prime Standard im Bereich Unternehmensanleihen zu aufzubauen?

Michael Rieß: Mit dem Erfolg des Entry Standard für Unternehmensanleihen haben uns größere Emittenten angesprochen, die das Konzept eines Anleihesegmentes mit der Zeichnungsmöglichkeit für Anleger über die Börse sehr attraktiv finden, sich jedoch nicht in einem Segment mit kleineren Unternehmen – definiert durch Marktkapitalisierung und Emissionsvolumen – sehen. Ein weiterer Grund war die Nachfrage von Investoren, die sich einen transparenten Handel über eine regulierte Börsenplattform wünschen.

Nachfrage der institutionellen Investoren steigt

Anleihen Finder: Welche Rolle haben bei den Plänen für den Prime Standard die Wünsche der institutionellen Anleger gespielt? Wächst hier die Nachfrage nach einer solchen Handelsplattform? Gibt es bei den institutionellen Investoren einen Trend in Richtung Unternehmensanleihen in der Prime Standard-Klasse?

Michael Rieß: Institutionelle Anleger wünschen sich eine transparente Preisbildung, daher haben wir von dieser Seite durchweg positives Feedback. Zudem stößt das Konzept des zweigleisigen Zugangs zum Segment auf positive Resonanz: Ein Emittent kann sowohl bei einem Zugang über den Open Market wie auch über den regulierten Markt in das Segment aufgenommen werden. Das spricht sowohl Emittenten, die keine internationale Rechnungslegung anwenden und deshalb über den Open Market in den Prime Standard gehen, an, wie auch Investoren, die aufgrund ihrer Governance ausschließlich in Instrumente investieren dürfen, die im regulierten Markt notiert sind.

Anleihen Finder: Der Markt für Unternehmensanleihen erscheint aktuell nicht in Bestform. Warum setzen Sie jetzt trotzdem auf diese Chance?

 Michael Rieß: Unabhängig von der Marktlage ist die Anleihe gewissermaßen das Instrument der Stunde. Sie ermöglicht die Kapitalaufnahme ohne Stimmrechte abzugeben und macht Unternehmer unabhängiger von Banken, die ihre Kreditvergabe auch zukünftig restriktiver handhaben werden. Das macht uns zuversichtlich, in diesem Jahr eine Reihe von Emissionen zu sehen.

 

Anleihen Finder: Wenn ein großer Player wie die Deutsche Börse ein solches Segment eröffnet, könnten kleinere Mitbewerber darunter leiden. Sehen Sie Ihr Segment als alternatives Angebot oder wollen Sie den Markt beherrschen?

Michael Rieß: Diese Sorge sehe ich als unbegründet. Wenn wir auf die Mittelstandssegmente schauen, sehen wir, dass sich drei Märkte herauskristallisiert haben, an denen die Mehrzahl der Anleihen notiert wird. Hier hat sich also eine Möglichkeit für Unternehmen gebildet zwischen mehreren Marktplätzen zu entscheiden. Ich denke, dies kann für Segmente, die sich an große Anleiheemittenten richten, genauso gelten. Grundsätzlich ist dazu natürlich zu beachten, dass hier hauptsächlich institutionelle Investoren handeln, die ein entsprechend großes Handelsnetzwerk nutzen möchten.

Anleihen Finder: Sie sprechen in der Pressemitteilung von „einem kostengünstigen Zugang zu privaten und institutionellen Investoren im Primärmarkt und Liquidität und Transparenz im Sekundärmarkt“. Können Sie „kostengünstig“ präzisieren?

Michael Rieß: Die Notierungsaufnahme im Prime Standard für Unternehmensanleihen ist kostenfrei. Natürlich müssen die entsprechenden Entgelte bezüglich der Einbeziehung bzw. Zulassung- und Einführungsgebühren entrichtet werden, diese liegen zwischen 500 Euro im Open Market und 3.500 Euro im regulierten Markt. Dazu kommt ein jährliches Notierungsentgelt von 5.000 Euro. Die Kosten fallen in Relation zu einer Emission von vielleicht 250 Mio. Euro oder mehr also kaum ins Gewicht. 

Anleihen Finder: Mit dem Entry Standard sprechen Sie vor allem mittelständische Unternehmen an. Welche Voraussetzungen müssen Mittelständler mitbringen, um im Prime Standard gelistet zu werden?

Zielgruppe sind größere Mittelständler mit einem Emissionsvolumen von mindestens 100 Millionen Euro 

Michael Rieß: Da wir hier vor allem größere Emittenten ansprechen, muss das prospektierte Emissionsvolumen bei mindestens 100 Millionen Euro liegen. Sollte auf Grund der Marktlage dieses Volumen nicht erreicht werden, kann der Emittent auch dann in den Prime Standard aufgenommen werden, wenn er einen jährlichen Konzernumsatz von 300 Mio. Euro hat. Handelsunternehmen müssen in diesem Fall eine Bilanzsumme von 300 Mio. Euro vorweisen.

Anleihen Finder: Welchen Unternehmen würden Sie empfehlen, in den Prime Standard zu gehen?

Michael Rieß: Die Zielgruppe für den Prime Standard für Unternehmensanleihen sind große mittelständische börsen- und nicht börsennotierte Unternehmen, die ein entsprechendes Emissionsvolumen anstreben. Wie im Entry Standard machen wir keine Vorgaben bezüglich der Branche, aber anders als in unserem Mittelstandssegment erlauben wir hier auch nachrangige Anleihen, darauf sollte aber vom Emittenten explizit hingewiesen werden. Gerade im Bereich der großvolumigen Anleihen wollen wir dem Markt weitest gehende Flexibilität vorgeben.

Anleihen Finder: Herr Rieß, vielen Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

Experten-Chat

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Bitte beachten Sie die .

Menü