Interview mit Michael Diegelmann, Vorstand der cometis AG: Mittelständler haben Nachholbedarf in Sachen Kommunikation

Donnerstag, 29. März 2012

Mittelständische Unternehmen, die über eine Anleihe erstmals an den Kapitalmarkt gehen, müssen plötzlich einer Vielzahl von Marktplayern Rede und Antwort stehen. Vielen Emittenten fehlt hiefür jedoch die Routine und die Infrastruktur im Unternehmen.

Anleihen Finder sprach mit Michael Diegelmann, Vorstand der Kommunikationsagentur cometis AG.

Anleihen Finder: Herr Diegelmann, wie schätzen Sie die Unternehmenskommunikation von Mittelständlern, die erstmals über eine Unternehmensanleihe an den Kapitalmarkt gehen, ein? Gibt es hier Nachholbedarf?

Michael Diegelmann: Hier gibt es insofern Nachholbedarf, als dass sich solch ein Unternehmen dem Kapitalmarkt öffnen und transparent über die Unternehmenszahlen Bericht erstatten muss. Die Transparenzanforderungen, die im Rahmen der Wertpapierprospekterstellung und der Folgepflichten einhergehen, haben schon dazu geführt, dass potenzielle Emittenten wieder von einer Anleiheplatzierung Abstand genommen haben. Sofern sich das Unternehmen für diesen Schritt entscheidet, gilt es, das Geschäftsmodell und die Kapitalmarktdienstfähigkeit zu erläutern, d.h. wie das Unternehmen in der Lage sein wird, die Zinsen zu zahlen und am Ende der Laufzeit auch die Anleihe zu tilgen. Damit dies klar ist, müssen Anleger den relevanten Markt und auch die Strategie verstehen. Und schließlich muss das Zahlenwerk überzeugend präsentiert werden. Hier ist für den Anleger insbesondere interessant, welcher Anteil der Umsätze wiederkehrend ist. Es geht in der sog. Bond Story also mehr darum, die Stabilität und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells aufzuzeigen als die Wachstumsphantasie zu entfachen. 

Anleihen Finder: Wenn bei einem Ihrer Klienten (mittelständischer Anleihen-Emittent) ein negatives Event – wie ein Downgrade der Ratingnote oder gar die Insolvenz –  eintritt, welche Vorgehensweise empfehlen Sie? Welche Maßnahmen leiten Sie standardmäßig ein?

Michael Diegelmann: Es gibt für solch einen Fall keinen „Masterplan“, dies ist von der jeweiligen Situation abhängig. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, klare und möglichst komprimierte Fakten zu kommunizieren. Die allseits bekannte „Salami-Taktik“ führt häufig dazu, dass Spekulationen entstehen und damit Vertrauen verloren geht. Daher besser die Probleme offen ansprechen und nach Möglichkeit direkt eine Lösung präsentieren, wie sich das Unternehmen aus der Situation befreien will. Entscheidend ist, damit transparent umzugehen, denn die Anleger haben darauf ein Recht!

Anleihen Finder: Welche Gefahren sehen Sie, wenn die Unternehmen nicht offen mit dem Ereignis umgehen, sondern es „totschweigen“?

Michael Diegelmann: Das verbietet sich schon alleine aus den gesetzlichen Anforderungen, denn kursrelevante Informationen müssen von den Unternehmen kommuniziert werden. Sofern jedoch nebulös kommuniziert wird, lässt sich der Vertrauensverlust kaum vermeiden – und eine negative Berichterstattung ist die logische Konsequenz. Die Folgen davon sind viel weitreichender, als man zunächst meint. Solch ein Kommunikationsverhalten kann sogar dazu führen, dass Kunden verunsichert werden und abspringen und die finanzierenden Banken ihre Kreditlinien streichen. Damit kann das „Totschweigen“ schnell im finanziellen Fiasko enden.

Anleihen Finder: Können Sie aus dem Markt Beispiele gelungener Unternehmenskommunikation nennen oder auch Fälle, in denen die Kommunikation in Krisenzeiten schlecht gemanagt  wurde?

Michael Diegelmann: Die Solarindustrie bietet derzeit dafür interessante Beispiele. Es ist ganz offensichtlich, dass alle Unternehmen von den Marktentwicklungen gerade in Deutschland hart getroffen werden. Hier gilt es, offen zu kommunizieren und eine klare Roadmap zu präsentieren, wie das Überleben sichergestellt werden kann. Ohne einzelne Unternehmensnamen nennen zu wollen, lässt sich tendenziell feststellen, dass die großen Player auch eine professionellere Kommunikation an den Tag legen als die kleinen Firmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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