Ausfallrisiken im Geschäftsbericht erkennen – „Der ‚grüne Bereich‘ bei der Eigenkapitalquote ist branchenabhängig“ – Gastbeitrag von Thomas Morgenstern, Scope Ratings GmbH
Aufschluss über die Krisenfestigkeit eines Unternehmens gibt das umfangreiche Zahlenwerk im Geschäftsbericht – zumindest wenn der Anleger weiß, wo er suchen muss. Stets birgt die Investition in ein mittelständisches Unternehmen gewisse Risiken. Wie sich ein Markt oder eine Branche entwickelt, lässt sich oft nicht voraussagen. Thomas Morgenstern, Geschäftsführer der Ratingagentur Scope Ratings GmbH erläutert für Anleihen Finder, welche Zahlen er besonders genau unter die Lupe nimmt und warum:
Kreditnehmer mit hoher von Kreditnehmern mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit unterscheiden
Für Ratingagenturen wie Scope Ratings sind die Kennzahlen relevant, die eine hohe Trennschärfe aufweisen. Vereinfacht ausgedrückt ist dies die Fähigkeit, Kreditnehmer mit hoher von Kreditnehmern mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit zu unterscheiden. Welche Kennzahlen eine hohe Aussagekraft in Bezug auf künftige Kreditausfälle haben und welche nicht, ermitteln Ratingagenturen mit Hilfe statistischer Verfahren auf Grundlage historischer Marktdaten. Die Trennschärfe wird dabei regelmäßig überprüft und die Gewichtung der einzelnen Kennzahlen in der Ratingmethodik entsprechend angepasst. Scope Ratings validiert seine quantitative Analyse auf der Datengrundlage von Jahresabschlüssen von über 450.000 europäischen Unternehmen.
Scope Ratings benutzt für die quantitative Analyse einen branchenspezifischen Ansatz. Das bedeutet, dass die einzelnen Kennzahlen zum Beispiel im Dienstleistungssektor anders bewertet und gewichtet werden als bei Industrieunternehmen.
Trotz dieses branchenspezifischen Ansatzes lassen sich vier Kennzahlen benennen, die einen besonders hohen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit künftiger Ausfälle haben:
Eigenkapitalquote
Für die Einschätzung des Risikos künftiger Unternehmensinsolvenzen hat die Eigenkapitalquote eine sehr hohe Relevanz. Dabei kommt es nicht nur auf die Höhe des Eigenkapitals an, sondern auch auf die Zusammensetzung. So ist beispielsweise der Umfang von Gewinnrücklagen ein Beleg für die Profitabilität in der Vergangenheit. Der „grüne Bereich“ bei der Eigenkapitalquote ist abhängig von der jeweiligen Branche. Grundsätzlich bewertet Scope Ratings Werte von über 45 Prozent als positiv. Für Industrieunternehmen liegt die Schwelle sogar bei über 50 Prozent. Deutlich negativ bewertet Scope Ratings Eigenkapitalquoten von unter zwölf Prozent.
Insgesamt bleibt die Eigenkapitalquote bei zahlreichen Unternehmen eine kritische Größe. Grund hierfür ist vor allem die in Deutschland historisch große Bedeutung der Fremdfinanzierung.
Gesamtkapitalrendite
Diese Kennziffer trifft eine Aussage darüber, wie rentabel das Gesamtka-pital im Unternehmen eingesetzt wurde. Positiv bewertet Scope eine Gesamtkapitalrendite von mehr als sieben Prozent. Werte von unter zwei Prozent signalisieren größere Ausfallrisiken.
Insgesamt beobachten wir vor allem im Bereich der Industrieunternehmen seit 2009 einen starken Druck auf die Gesamtkapitalrenditen. Im Jahr 2012 zeigten sich Verbesserungstendenzen.
Liquiditätsgrad 1
Diese Kennziffer stellt die liquiden Mittel den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber. Der Liquiditätsgrad 1 stellt dar, ob das Unternehmen seinen kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen aktuell und künftig nachkommen kann. Der Liquiditätsgrad zeigt einen engen Bezug zu Insolvenztatbeständen. Der „grüne Bereich“ beginnt nach Einschätzung von Scope Ratings bei 35 Prozent. Deutlich negativ wird ein Liquiditätsgrad von unter sieben Prozent bewertet.
Dynamischer Verschuldungsgrad
Die Kennzahl drückt aus, wie viele Perioden einen Unternehmen benötigt, um mit dem Cash Flow die bestehenden Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Je kleiner das Ergebnis, desto besser für das Ratingergebnis. Positiv stuft Scope Ratings Werte von unter 4,2 ein. Das bedeutet, dass mit dem im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten Cash-Flow sämtliche Verbindlichkeiten in 4,2 Jahren zurückgeführt werden könnten. Deutlich negativ wird ein dynamischer Verschuldungsgrad von über 18,0 bewertet. Ausgenommen davon sind insbesondere produzierende Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen, da durch die bestehenden Größen im Anlage- und Umlaufvermögen gleichzeitig Vermögensgegenstände das Unternehmen stützen. Bei diesen Unternehmen wirkt auch ein vergleichsweise hoher dynamischer Verschuldungsgrad nicht unmittelbar Risiko-erhöhend.
Unternehmensübergreifend verschlechterte sich der dynamischer Verschuldungsgrad in 2008 und 2009. Seitdem beobachtet Scope Ratings generelle Verbesserung mit Durchschnittswerten von 8 bis 11,5.
Thomas Morgenstern
Foto: Alexandra Bucurescu_pixelio.de
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