Besicherungskonzepte von Mittelstandsanleihen: Gibt es eine „Nummer sicher“?

Freitag, 19. Oktober 2012

Mittelständische Unternehmensanleihen werben mit ganz unterschiedlichen Besicherungskonzepten um die Gelder der Anleger. Doch wie viel sind diese – teilweise sehr komplizierte – Konstrukte im Ernstfall wert? Und welche Rolle spielen hier Branche und Marktsegment der Emittentin?

Die jüngsten Neuzugänge auf dem Markt für mittelständische Anleihen haben sich gut gemacht: Bereits am ersten Zeichnungstag konnte die Hahn-Immobilien-Beteiligungs AG Schuldverschreibungen in der vollen Höhe von EUR 20 Mio. an den Mann bringen. Die Anleihe mit einem Scope Credit Rating von A- ist am mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf gelistet und notiert derzeit bei mehr als 106 Prozentpunkten. Auch die Travel24.com AG, ein Betreiber von Internet-Reiseportalen, konnte eine Unternehmensanleihe in Höhe von EUR 25 Mio. zügig voll platzieren – auch ohne Rating. Zwei erfolgreiche Emissionen mit sehr unterschiedlichen Besicherungskonzepten: So sichert die Hahn-Immobilien-Beteiligungs AG ihre Inhaber-Teilschuldverschreibungen mit treuhänderisch verwalteten Spezialfondsanteilen sowie mit Anteilen an Objektgesellschaften in voller Höhe ab. Die Erträge hieraus sind an die Anleihegläubiger verpfändet.

Die Travel24.com AG  dagegen besichert die Anlegergelder durch ein vertragliches Pfandrecht an Aktien ihrer Tochtergesellschaft Travel24 Hotel AG. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass diese Aktien – sollte es zu einer Schieflage des ganzen Konzerns kommen – genauso viel Wert sind wie die Anleihe: Nämlich so gut wie nichts.

Für viele Anleger könnte sich zudem die Frage stellen, inwiefern Online-Handelshäuser wie die Travel24.com AG oder auch die getgoods.de AG – die immerhin EUR 20 Mio. ihrer bis zu EUR 30 Mio. ausgelegten Unternehmensanleihe platzieren konnte – im Falle einer Insolvenz überhaupt über eine relevante Insolvenzmasse verfügen. Anders als Immobilien- oder Industrieunternehmen gibt es bei diesen zum großen Teil „virtuellen“ Firmen  schließlich keine Maschinen oder Immobilien, die zur Bedienung der Anleger liquidiert werden könnten.

Im Verwertungsfall drohen fast immer Verluste

Besteht bei Internet-Unternehmen also ein erhöhtes Risiko eines Totalausfalls? Dr. Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG, winkt ab: „Geht ein Unternehmen in die Insolvenz, ist bei Anleihen, die nicht explizit werthaltig besichert sind, generell davon auszugehen, dass nur eine geringe Quote aus dem Insolvenzverfahren zur Bedienung der Ansprüche zur Verfügung steht. Dies ist aber naturgemäß bei nahezu allen Unternehmen so, da das Management, bevor ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, typischerweise mit allen Mitteln versucht, dieses abzuwenden und dazu auch auf freie Assets des Unternehmens zurückgreift.“

Noch deutlichere Worte findet Peter Thilo Hasler, Vorstand des Finanzberatungsunternehmens Blättchen und Partner AG: „Machen wir uns nichts vor: Im Verwertungsfall droht dem Anleger der Totalausfall, unabhängig davon, ob die Gesellschaft Immobilien oder Maschinen in der Bilanz stehen hat oder ein personalintensives Geschäftsmodell ohne entsprechende Vermögenswerte betreibt. In der Regel wurden die Sachanlagen bereits bei den finanzierenden Kreditinstituten als Sicherheit für Bankdarlehen verpfändet. Für den Anleger ist es daher irrelevant, ob er im Verwertungsfall auf Assets nicht zurückgreifen kann, weil diese bereits verpfändet wurden oder weil diese aufgrund des personalintensiven Geschäftsmodells gar nicht erst existiert haben.“

Wer sicher sein möchte, im Falle der Insolvenz des Emittenten zumindest einen Teil seines Kapitals wieder zu sehen, sollte vor der Wahl eines Investments genau in das Wertpapierprospekt schauen. „Assets von Unternehmen sind nur als tatsächliche Sicherheit anzusehen, wenn diese in den Anleihebedingungen, unter Beachtung von organisatorischen Sicherungserfordernissen wie z.B. Einschaltung von Treuhändern und Mittelverwendungskontrollen, als tatsächliche dingliche Sicherheit ausschließlich für die Bedienung der Anleihezeichner zur Verfügung stehen“, erläutert Ratingagenturchef Munsch.

Nur Verpfändungen von echten Assets bieten Schutz vor Totalverlust

Solche grundpfandrechtlich besicherten Schuldverschreibungen sind beispielsweise die Anleihen der Golden Gate AG oder der EYEMAXX Real Estate AG. Die Papiere der der Hahn Immobilien Beteiligungs AG sind jedoch nicht derartig abgesichert. „Betrachtet man die Sicherheiten der Hahn-Anleihe genauer, stellt man fest, dass es sich größtenteils um nicht börsennotierte Anteile an institutionellen Spezialfonds handelt, die man nur schwerlich zu den prospektierten Zeitwerten verkaufen oder an den Fondsinitiator zurückgeben kann“, gibt Hasler zu bedenken.  Derartige Fondsanteile würden erfahrungsgemäß mit enormen Abschlägen – Werte von 40-50 Prozent des gutachterlichen Wertes seien hier keine Seltenheit – zu den jeweiligen gutachterlichen Werten gehandelt. „Bei den ebenfalls zur Besicherung der Anleihe verpfändeten Minderheitsanteilen an deutschen geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich um Anteile an Personengesellschaften, die im Gegensatz zu Wertpapieren nur sehr eingeschränkt handelbar sind, so dass auch hier im Falle der Verwertung erhebliche Abschläge hingenommen werden müssen“, so Hasler weiter.

Auf die Emittentin kommt es an

Die Absicherung des Gläubiger-Kapitals ist also (nicht nur) bei den jüngsten Kapitalmarkt-Zugängen durchaus kritisch zu sehen. Dennoch erzielten sowohl die Hahn-Anleihe als auch die Papiere der getgoods.de AG und der Travel24.com AG gute Ergebnisse in Punkto Platzierung und/oder Rating.

„Bei der getgoods AG wurde ein Unternehmensrating durchgeführt, kein Anleiherating. Bei einem Unternehmensrating wird das Risiko des Gesamtunternehmens eingeschätzt. Ein Anleiherating hingegen stellt das Risiko, das die Anleihe – auch unter Berücksichtigung von Sicherheiten – verkörpert, dar. Die emittierte Anleihe ist unbesichert“, erläutert Dr. Michael Munsch von der Creditreform Rating AG, die die getgoods.de AG mit BBB- bewertet hat.

Tatsächlich werden Emittentenratings im Markt weit häufiger in Auftrag gegeben als Anleiheratings. Dies hat – mit Blick auf die beschriebene Problematik von Besicherungskonzepten – durchaus seine Berechtigung, denn: Der beste Schutz vor einem Kapitalverlust ist es, sich das emittierende Unternehmen genau anzusehen – und so den Verwertungsfall gar nicht erst zu erleben.

Anleihen Finder Redaktion

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