Berufsbild Wertpapier-Analyst – oder warum Analysten keine Anlageberater sind – Wie wird man Analyst? Was macht ein Analyst? Und woher kommt der angeknackste Ruf des Wertpapier-Analysten?

Montag, 24. November 2014

In den letzten Monaten hat die Anleihen Finder Redaktion viele Zuschriften von zumeist jüngeren Lesern erreicht, die Fragen zum Beruf des Wertpapier-(Analysten) hatten: Wie werde ich (Wertpapier-)Analyst? Was tut ein Analyst? Wieso haben Analysten einen schlechten Ruf? (Wie kann man den Ruf verbessern?) Und was unterscheidet einen Wertpapier- Analysten von einem Data-Analysten? Tun beide nicht im Prinzip das gleiche? Die Anleihen Finder Redaktion fragte bei einigen, ausgewählten Experten nach.

Wie wird man Wertpapier-Analyst?

„Generell ist zwischen Sales-Side und Buy-Side-Analysten zu unterscheiden. Die Sales-Side Analysten werden von Banken bezahlt, die dieses Research erstellen, um Aktien zu verkaufen, d.h. eine gewisse Färbung kann unterstellt werden“, sagt Dieter Kaiser, Geschäftsführer von Robus Capital Management. Der Weg führt sicherlich über ein Studium und anschließend ein entsprechendes Praktikum bzw. eine Einstiegsposition bei Ivestmentbanken/Fonds.“

Berufung Analyst

„Wertpapieranalyst ist eher eine Berufung, als ein Beruf. Hilfreich ist es, gewisse Grundkenntnisse über die Funktionsweise der Börse vorweisen zu können. Auch ein betriebswirtschaftliches Studium kann nicht schaden, ist aber keinesfalls die Grundvoraussetzung. Da eine der Hauptaufgaben des Analysten das Verfassen von Studien ist, sollte man auch der deutschen Grammatik mächtig sein, da man ansonsten seinen Lektor zur Weißglut treibt“, sagt Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst bei Sphene Capital GmbH und zeichnet ein konkretes Anforderungsprofil: „Worauf ein Analyst keinesfalls verzichten kann, ist die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zusammenzufassen und in kondensierter Form anderen zu vermitteln. Jedes Geschäftsmodell sollte man in einen, nicht unbedingt langen Satz zusammenfassen können, einen Elevator Pitch. Gleichzeitig sollte man in der Lage sein, dieses Geschäftsmodell bis ins Detail verstehen zu wollen, um bei Bedarf Kundenanfragen souverän beantworten zu können. Dies erfordert gesunden Menschenverstand und ein selbstbewusstes Auftreten. Dieses benötigt man auch, wenn man mit seiner Empfehlung „schief liegt“. In diesem Fall muss der Analyst eine Menge Gegenwind ertragen können und das Urvertrauen in seine Bewertungsmethodik haben.

Was macht ein Analyst?

Ein Analyst beobachtet Märkte, Branchen und einzelne Unternehmen und gibt Empfehlungen zu deren zukünftiger Entwicklung ab. Diese sollen auf systematischer Analyse sowie auf nachvollziehbaren und konsequent abgeleiteten Datenreihen beruhen, erklärt Daniel Bauer, Vorstand bei der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

Noch genauer, bezogen auf das Berufsbild Wertpapier-Analyst schreibt Michael Bulgrin, CEFA/CIIA bei biallas communication & consulting GmbH: Ein Analyst bewertet bestimmte Daten, Werte oder Faktoren. Ein Finanzanalyst bewertet Finanzprodukte oder Unternehmen. Auf Basis verfügbarer Daten mit Hilfe von Bewertungsmethoden Aktien, Derivate, Renten oder Unternehmen bewerten und dadurch Investitionsentscheidungen zu erleichtern, ist der Kernjob.

Und was muss man mitbringen, um den Job zu schaffen?

„Der Name sagt es schon. Für den Beruf des Analysten muss man sehr gute analytische Fähigkeiten mitbringen. Für die spezielle Berufsgruppe der Finanzanalysten sind das Kenntnisse der gängigen Bewertungsmethoden, der Bilanzanalyse und der Finanzmathematik. Diese drei Grundpfeiler ermöglichen es dem Analysten, Finanzprodukte oder die Bilanzen eines Unternehmens kritisch zu hinterfragen, z.B. um ein Kursziel für die Aktie zu nennen, oder den angemessen Unternehmenswert bei einer Übernahme. Darüber hinaus kann ein Analyst auch Investitions- oder Finanzierungsentscheidungen eines Unternehmens prüfen“, führt Michael Bulgrin aus.

„Ruf der Analysten war schon mal viel schlechter“

Spätestens seit „City Boy“ könnte der Ruf der Zunft der Wertpapier-Analysten besser sein. Klar, dass die befragten Experten, von denen einige ihr Geld mit Analysen verdienen, den Ruf aufpolieren möchten: „Den schlechten Ruf kann ich nicht bestätigen. Zumindest war dieser schon mal viel schlechter. Insofern hat sich gegenüber dem All Time Low schon viel getan. Fakt ist, dass der Kapitalmarkt an sich und eben auch die Banker in der 2008er Krise ihr Fett abbekommen haben und man diese Nachwirkungen heute noch spüren kann“, beschreibt Peter Thilo Hasler die Lage.

„Einen schlechten Ruf von Buy-Side-Analysten kann man so nicht in der Akademie finden, denn sind die Analysen des Buy-Side-Analysten schlecht, ist die Performance des Fonds schlecht und dieser wird daraufhin eingestellt/liquidiert“, sagt Dieter Kaiser über den Erfolgsdruck der Analysten.

Daniel Bauer und Michael Bulgrin sehen die drohenden Interessenkonflikte als einen der Gründe für den demolierten Ruf der Wertpapier-Analysten: „Es besteht immer ein Interessenkonflikt zwischen der Abteilung Finanzanalyse und der des Investmentbankings. So soll zum Beispiel ein Analyst das Unternehmen besser bewerten, damit die Investmentbanking-Abteilung erfolgreicher beim IPO ist“, meint der ausgebildete Finanzanalyst und Kommunikationsexperte Michael Bulgrin, der auch Kolumnen für die Anleihen Finder Redaktion schreibt.

„Vorhersage von zukünftigen Entwicklungen sind quasi unmöglich“

„Die Anleger erwarten meist, dass Analysten mit Ihren Prognosen immer richtig liegen. Dies ist aber nicht möglich, denn eine Prognose beinhaltet ja die Vorhersage von zukünftigen Entwicklungen, was quasi unmöglich ist. Konflikte wie der in der Ukraine können das Umfeld zum Beispiel radikal ändern, und damit sind auch die Annahmen von Analysten hinfällig, und es kommt ganz anders als vorhergesagt. Dadurch fühlen sich viele Anleger getäuscht, und schieben den Analysten die Schuld zu“, sagt Anlegerschützer Daniel Bauer.

„Ferner gab es in der Vergangenheit ab und an Fälle, bei denen Analysten die Spielregeln nicht eingehalten haben, und eine Empfehlung abgebeben haben, da diese Ihnen, dem Arbeitgeber oder dem Auftraggeber (dem analysierten Unternehmen) Vorteile gebracht haben. Hier wurde den Analysten zum Teil ein Interessenskonflikt nachgesagt. Ich denke, dass Analysten unter qualifizierten Teilnehmern keinen schlechten Ruf genießen, sondern eher bei Privatanlegern“, meint Bauer.

Wie kann sich der Ruf der Wertpapier-Analysten verbessern?

„Sogenannte Chinese Walls in Unternehmen würden Interessenkonflikte verhindern können. Wenn die Interessenkonflikte aber unvermeidbar sind, dann kann man in der Analyse darauf hinweisen, dass – wenn zum Beispiel ein Bank Research veröffentlicht wird – die Bank selbst in dieser Aktie investiert ist“, schlägt Bulgrin vor.

„Außerdem haben sich Analysten in Verbänden organisiert bspw. im Analystenverband DVFA/EFFAS. Ich als CIIA bin in diesen Verbänden organisiert. Die Mitglieder unterwerfen sich einem Verhaltenskodex, mit ethischen Standards zum Schutze der Investoren“, so Michael Bulgrin.

„Gegenüber Privatanlegern muss wahrscheinlich deutlicher auf mögliche Interessenskonflikte hingewiesen werden, und ferner muss der Analyst mehr als Partner des Investors gesehen werden, der einem hilft, Geschäftsmodelle zu verstehen und zu analysieren, und nicht als ein Anlageberater, der einem die eigene Anlageentscheidung und Meinung zu einem Unternehmen abnimmt. Die Kaufentscheidung sollte immer auf der eigenen Wahrnehmung und der eigenen Recherche erfolgen, nicht nur auf Grundlage eines Analystenvotums“, rät Daniel Bauer den Anlegern.

Was unterscheidet einen Analysten von einem Data Analysten? Tun beide nicht das gleiche?

„Beide unterscheidet das Analyse-Objekt und die zur Analyse notwendigen Methoden. Bsp: Ein Analyst des Bundesnachrichtendienstes wird sich anderer Bewertungsmethoden bedienen als ein Finanzanalyst. Zudem wertet er bspw. Daten zu Truppenbewegungen aus. Der Finanzanalyst bewertet die zur Verfügung stehenden Finanzdaten des Unternehmens“, weiß Michael Bulgrin.

Daniel Bauer von der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. weißt auf die Gemeinsamkeiten beider Berufe hin: „Die Grundlagen beider Analysten sind ähnlich. Beide müssen methodisch sauber arbeiten, Daten sammeln, bereinigen und Modelle bauen, um damit ein Ergebnis zu erhalten. Data Analysts sind jedoch wohl unserer Einschätzung nach noch quantitativer, also technisch orientierter. Ein Wertpapieranalysten müssen auch weiche Faktoren wie die Glaubwürdigkeit und die Kompetenz des Managements berücksichtigen. Dies ist meist eine subjektive Entscheidung, und weniger eine auf Grundlage von messbaren Daten.“

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Anleihen Finder Redaktion

Foto: Myfuture. com/flickr

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