IM FOKUS: Ausgemustert! Sind Genussrechte im Mittelstand ein Auslaufmodell?

Freitag, 30. November 2012


Der Markt für Unternehmensanleihen aus dem deutschen Mittelstand hat sich in den letzten zwei Jahren professionalisiert. Zur Auswahl steht heute eine stark gestiegene Anzahl von Emissionen in einer gereiften Infrastruktur, allen voran die speziellen Börsensegmente für Mittelstandsanleihen. Hinter dieser Entwicklung zurückgeblieben sind mittelständische Genussrechte. Trotz attraktiven Zinskupons werden die nachrangigen Papiere meist nicht vollständig platziert und bleiben vom Börsenhandel ausgeschlossen. Viele Emittenten steigen jetzt aus – andere halten jedoch aus ganz eigenen Gründen an dem Konzept Genussrecht fest.

Der allmonatlich erscheinende Marktüberblick des Anleihen Finders verdeutlicht die Entwicklung: Während im Januar 2012 noch mehr als ein Viertel der abgebildeten Emissionen Genussrechte waren, sank deren Anteil im November dieses Jahres auf weniger als ein Fünftel.  Und: Obwohl die Nominalvolumina bei Genussrechten deutlich unter denen von Anleihen liegen, wurde kaum eine Emission vollständig platziert.

Unternehmensberater Günter Jucho von Jucho & Coll. Deutsche Industrieanleihen weiß warum: „Für den Mittelständler sind Genussrechte natürlich ein interessantes Papier, da sie einen eigenkapitalähnlichen Charakter haben und somit die Bilanzstruktur verbessern können. Der Vertrieb erweist sich jedoch als sehr schwierig und es bedarf eines sehr hohen Zinssatzes oder eines zusätzlichen Kickers, um das Papier vertreiben zu können. Schließlich ist das Risiko für den Anleger deutlich höher, denn er ist nicht nur nachrangig, sondern auch verlustbeteiligt, außerdem ist die Laufzeit in der Regel länger als 5 Jahre.“

ABO Wind: Langfristig Umstieg auf die Aktie

Ein erstes, durchaus positives Resümee ihrer Genussrechtsemission kann die ABO WIND AG ziehen. Der Windkraft und Biogasanlagen-Projektierer hatte im März 2010 das „ABO Wind Biogas Genussrecht“ emittiert, das zum 31.12.2012 erstmals kündbar ist. ABO Wind konnte damals immerhin EUR 2,7 Mio. des angebotenen Volumens von EUR 3 Mio. platzieren. Den avisierten Zins von 6,5 Prozent hat das Unternehmen stets gezahlt.

„Wir haben die insgesamt 277 Zeichner im Frühjahr dieses Jahres schriftlich daran erinnert, dass sie zum Jahresende mit einer Frist von sechs Monaten erstmals die Möglichkeit der Kündigung haben. 39 Zeichner mit einer Gesamteinlage von EUR 544.500 haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht“, berichtet Alexander Koffka von der ABO WIND AG. „Die Kündigungsquote von rund 20 Prozent – bezogen auf das Kapital – ist etwas niedriger, als wir erwartet haben. Schließlich haben wir mit der Bürgerwindaktie ABO Invest zwischenzeitlich eine Möglichkeit für Anleger geschaffen, Miteigentümer eines großen Portfolios aus derzeit 36 Windkraftanlagen und einer Biogasanlage zu werden. Aktionäre der ABO Invest erzielen mit jährlich 8 Prozent  bislang eine deutlich bessere Rendite als die Zeichner der Biogasgenussrechte mit 6,5 Prozent.“

Einige Anleger hätten dies erkannt und würden ihr Kapital nun umschichten. Weitere Genussrechte plant das Unternehmen, trotz erfolgreichem Verlauf der Emission jedoch nicht: „ABO Wind kann sich bei Banken mittlerweile günstiger refinanzieren, da wir erfolgreiche Geschäftsjahre hinter uns haben“, erläutert Koffka. Mit der Bürgerwindaktie ABO Invest haben wir zudem eine Möglichkeit der finanziellen Partizipation an erneuerbaren Energien geschaffen, die gegenüber Genussrechten viele Vorteile bietet. Das sehen die meisten unserer Kunden auch so.“

Boreas: „Es geht uns gar nicht darum, das volle Kapital zu platzieren“

Währen ABO Wind sich umorientiert, will man bei der BOREAS Energie GmbH dem Konzept Genussrecht treu bleiben. Zwar konnte auch der Energiedienstleister aus Dresden nicht das gesamte Volumen seiner in 2011 begebenen Genussscheine platzieren, den prospektierten Jahreszins von 7 Prozent konnte das Unternehmen jedoch leisten. „Dies schafft Vertrauen und Akzeptanz, gerade bei Zeichnern aus der Region, die so an den Projekten partizipieren können“, so Daniel Hujer von der Boreas Energie GmbH. „Es geht uns gar nicht so sehr darum, das volle Genussrechtskapital in Höhe von EUR 10 Mio. zu platzieren“, erläutert Hujer „Wir sehen die Genussrechte auch als ein Marketinginstrument, das uns in der Region unserer Projekte verankert und Akzeptanz schafft. Derzeit überlegen wir, die Zeichnungsfrist der Papiere um ein weiteres Jahr zu verlängern oder sie neu aufzulegen.“

German Pellets: zwei unterschiedlichen Produkte für zwei unterschiedliche Investorenkreise

Bei der German Pellets GmbH dagegen, sieht es – zumindest auf den ersten Blick – nach einer Abkehr vom Modell Genussrecht aus. Der Holzpellet-Produzent aus Wismar hatte im Juni 2010 Genussscheine in Höhe von EUR 44,3 Mio. und einer Zielrendite von 8 Prozent begeben, jedoch bisher nur EUR 15,5 Mio. davon platziert. 2011 folgte eine zu 7,25 Prozent verzinste Anleihe in Höhe von EUR 80 Mio., die – anders als das Genussrecht –  innerhalb weniger Tage vollständig platziert wurde. Der unterschiedliche Vertriebserfolg überrascht Carsten Scholz, Investoren-Betreuer bei German Pellets, nicht: „Die Anleihe bietet natürlich die Möglichkeit, diese an der Börse täglich zu handeln. Dies erhöht die Flexibilität für den Anleger. Im Insolvenzfall würde die Anleihe auch vor dem Genussrecht bedient. Zudem erreichen wir mit der Anleihe auch den institutionellen Anleger, während das Genussrecht ein reines Privatanlegerprodukt ist.“

Das Genussrecht bleibt trotzdem unverändert als laufende Emission im Angebot. „Wir haben die vorteilhafte Situation, mit zwei unterschiedlichen Produkten unterschiedliche Investorenkreise anzusprechen“, begründet dies Scholz. „Unser Genussrechtsprogramm ist auf langfristigen Zuwachs ausgelegt. Die Anleiheemission hat es uns ermöglicht, in einem kurzen Zeitfenster einen hohen Kapitalbetrag für zu diesem Zeitpunkt wichtige strategische Investitionen zu akquirieren.“

Im Renditevergleich schneidet das Genussrecht –  vor dem Hintergrund des aktuellen Börsenkurses der Anleihe – besser ab. Scholz: „Dem Genussrechtscoupon von acht Prozent steht eine aktuelle Anleiherendite von rund 5,6 Prozent gegenüber. Dies führt mittlerweile dazu, dass Anleiheinhaber ein Zusatzinvestment in die Genussrechte vornehmen.“

Genussrechte haben ihre Nische

Auch wenn Neu-Emissionen von Genussrechten seltener werden und klassische Unternehmensanleihen im Fokus des Marktes für alternative Finanzierungskonzepte stehen: Es scheint weiterhin eine Nische für Genussrechte zu geben, und zwar dann, wenn Unternehmen nicht kurzfristig nach Mitteln für eine Investition suchen, sondern kontinuierlich Kapital aufnehmen wollen. Angesichts der hohen Kupons  von Genussscheinen aus dem Mittelstand bleiben diese für Anleger eine Option, zumal der Großteil der Emittenten die prospektierten Zinsen in der Vergangenheit liefern konnten.

Anleihen Finder Redaktion

Foto: Thomas Max Müller/pixelio.de

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