Ulrich H. Leistner zur Leitzins-Senkung: „Wir erwarten keine Auswirkungen auf die Kuponhöhe von Mittelstandsanleihen“

Mittwoch, 15. Mai 2013

Die Europäische Zentralbank verleiht Kapital aktuell zum „Schnäppchenpreis“ an Banken. Kommen mittelständischen Unternehmen jetzt leichter und günstiger an Bankkredite, so dass die Begebung von Unternehmensanleihen weniger attraktiv wird? Die Anleihen Finder Redaktion fragte bei Ulrich H. Leistner, Geschäftsführender Gesellschafter von Progredius Finance Experts, nach:

Anleihen Finder: Durch die Senkung des Leitzinses auf ein Rekordtief von 0,5 Prozent können sich Geldinstitute bei der Notenbank Geld zu einem historisch niedrigen Zinssatz leihen. Geben die Banken die günstigeren Konditionen jetzt an ihre Kunden weiter?

Ulrich H. Leistner:  Grundsätzlich hat sich die Bereitschaft der Banken in Deutschland, dem Mittelstand Kredite mit relativ günstigen Zinsmargen zur Verfügung zu stellen, zuletzt merklich erhöht. Unternehmen mit guter bis mittlerer Bonität kommen über den Kreditmarkt deutlich billiger zu Finanzierungsmitteln als über den Anleihemarkt. Allerdings kämpfen viele Mittelständler mit heute fast in allen neuen Kreditverträgen enthaltenen Financial Covenants sowie mit engen Investitions- und Ausschüttungsbeschränkungen, die bei einer Finanzierung über Mittelstandsanleihen weitgehend vermeidbar wären.

Anleihen Finder: Welche Auswirkungen könnte dies auf die Kuponhöhe von Mittelstandsanleihen haben?

Ulrich H. Leistner: Wir erwarten keine Auswirkungen auf die Kuponhöhe.

Anleihen Finder: Zu den Auswirkungen auf die Gläubiger: Sparkonten und Festgeld lohnen sich aktuell – bei verschwindend niedrigen Zinsen – kaum noch. Berücksichtigt man die Inflation entstehen sogar Kaufkraftverluste. Worin investieren Anleger in dieser Situation? Sind Unternehmensanleihen für sie jetzt attraktiver?

Ulrich H. Leistner: Unternehmensanleihen, insbesondere Mittelstandsanleihen sind keineswegs risikofreie Anlageinstrumente. Jeder Investor sollte gründlich abwägen, ob er einen Kursverlust einer Anleihe wegen sich abschwächender Bonität des Emittenten, oder sogar den Totalverlust im Falle eine Restrukturierung oder Insolvenz, in Kauf nehmen will, um den Zinsnachteil im Vergleich zum Festgeld oder zu einer Bundesanleihe zu kompensieren. Das kann ins Auge gehen! Ich würde mir wünschen, dass mehr ehrlich und gut besicherte Anleihen an den Markt kämen. Dafür würde sich sicher auch ein eher risikoaverser Investor erwärmen können.

Anleihen Finder: Wie sollten Mittelständler, die jetzt über die Begebung einer Anleihe nachdenken, reagieren, um von der aktuellen Situation bestmöglich zu profitieren?

Ulrich H. Leistner: Jeder Mittelständler, der den Kapitalmarkt für sich erschließen will, sollte das aktuelle Niedrigzinsniveau nutzen. Der entscheidende Vorteil der Mittelstandsanleihe sind aber nicht die Zinsen und Kosten; Bankkredite sind derzeit günstiger zu haben. Aber von einer Bank wird kaum ein Mittelständler für 5 oder gar 7 Jahre überhaupt unbesichert und ohne sehr einengende Covenants endfälliges Geld bekommen. Und das wird sich auch in den kommenden Jahren angesichts Basel III nicht mehr ändern.

Anleihen Finder: Wie wird sich der Leitzins in der näheren Zukunft Ihrer Meinung nach entwickeln und was wird das für den Markt für Unternehmensanleihen bedeuten?

Ulrich H. Leistner: Die EZB hat, was den Leitzins betrifft, ihr Pulver weitgehend verschossen. Viel wichtiger ist die Frage, wann und wie schnell die Länder der südlichen EURO-Peripherie wieder auf die Beine kommen. Das würde dazu führen, dass der Zinsvorteil Deutschlands gegenüber den europäischen Nachbarn durch einen Anstieg der deutschen Zinsen geringer würde. Ich denke, dass das Zinsniveau für Unternehmensanleihen dann überproportional steigen würde.

Anleihen Finder: Woraus resultiert der von Ihnen genannte Anstieg deutscher Zinsen in diesem Szenario?

Ulrich H. Leistner: Nach meiner Einschätzung ist das Zinsniveau für deutsche Staatanleihen derzeit vor allem deshalb auf einem so extrem niedrigen Niveau, weil institutionelle Anleger hier einen sicheren Hafen für ihr Geld sehen. Sobald Anlagen in Anleihen der EURO-Peripherie-Länder aus Sicht dieser Anleger und auch aus Sicht der Rating Agenturen wieder weniger riskant eingeschätzt werden und sich damit im Risikogehalt wieder deutschen Bundesanleihen annähern, schwindet die relative Attraktivität von Bundesanleihen. Dies dürfte zu einer deutlichen Nivellierung des Zinsniveaus führen. Die Zinsen für deutsche Staatsanleihen steigen, während die Zinsen für Anleihe der EURO-Peripheriestaaten fallen. Die Renditen für Mittelstandsanleihen werden diesen Zinsanstieg mindestens mitgehen müssen, um weiterhin für Anleger attraktiv zu sein.
Es ist zusätzlich wahrscheinlich, dass mit einer Erholung der EURO-Peripheriestaaten die EZB den Zinszügel wieder sehr viel straffer anziehen wird. Das wird zu einem weiteren Renditeanstieg auf breiter Front führen, der auch Mittel-standsanleihen betreffen wird.

Anleihen Finder: Vielen Dank!

Foto: Uwe Schlick / pixelio.de

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