Kapitalmarkt-Standpunkt: Die Kunst des Scheiterns

Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG:
Manche Kapitalmarkttransaktionen laufen sehr erfolgreich – andere Platzierungen entwickeln sich wiederum sehr zäh oder eben auch gar nicht und werden dann „verschoben“, abgesagt oder mit einer auf biblische Zeitabschnitte verlängerten Platzierungsphase versehen. Für einige Marktteilnehmer und Anleger ist es aber nicht immer gleich ersichtlich, warum „der Markt“ hier Emittenten unterschiedlich abschneiden lässt. Die nachstehenden Zeilen sollen somit eine komprimierte Übersicht geben, auf welche Kriterien Emittenten und Anleger grundsätzlich achten sollten. Diese teilen wir in 3 Cluster auf, nämlich:
- (1) Die fundamentale und perspektivischen Einschätzung des Emittenten und des Managements
- (2) Die Auswahl der nötigen und richtigen Partner für eine reibungslose Transaktion
- (3) Die Struktur der Transaktion
Diese Punkte verhalten sich dynamisch zueinander. Ganz wichtig ist die Unterscheidung von „neutralen Informationen“ und solchen die eher vom Emittenten betriebenes Marketing sind. Um Missverständnissen vorzubeugen, wir halten solches Marketing nicht nur für legitim, sondern auch für ein wichtiges Medium, um eine Transaktion und ihre Merkmale bekannt zu machen und möglichst breite Kreise dazu zu bewegen, sich mit einer Transaktion inhaltlich auseinanderzusetzen. Anzeigen allein fehlt es an Inhalten – schon aus rechtlichen Gründen.
Eine gute und seriöse Pressearbeit ist eher geeignet, den Anlegern eine gute Hilfestellung zu liefern. Aber es ist naheliegend, dass Emittenten ihre Transaktion anpreisen und hier ein fairer, aber kritischer Finanzjournalismus nötig ist. Diesbezüglich hat sich der Markt in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Es ist auf den ersten Blick für die meisten sicher nicht leicht, die fließenden Übergänge zwischen Marketingtexten und analytischen Finanzjournalismus zu erkennen – aber letztendlich lohnt es sich.
Im ersten Cluster verorten wir regelmäßig dieselben Fehler. Da kommen Emittenten ohne hinreichenden „Track-Record“ in ihrem Markt, der bei möglichen Investoren die Konfidenz der Belastbarkeit des Geschäftsmodelles erhöhen würde. Oder das Geschäftsmodell ist so komplex, dass es schwer zu vermitteln ist. Oft hilft uns „Sherlock-Google“ weiter und wir finden für die Emittentin oder die handelnden Protagonisten eine Historie im „Netz, das nie vergisst“. Manchmal löst dies aber weitere Fragezeichen aus.
Ein Fehler, der gerade in der Anfangsphase des Marktes für Anleihen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) immer wieder vorkam, war die nahezu kritiklose Platzierung von Emittenten mit bereits viel zu hoher Verschuldung. Hier ist der Kapitalmarkt aber in den Jahren seit 2016 bereits deutlich selektiver geworden und „nimmt“ Emittenten mit derartigen Merkmalen nicht mehr oder nur sehr zögerlich an. Solche Transaktionen scheitern zumeist und das ist auch gut so. Weiter Gründe für das ebenso wünschenswerte wie auch manchmal kolossale Scheitern sind mangelnde Ertragskraft zur Abdeckung der Kapitalmarktverbindlichkeiten. Von Tilgung ganz zu schweigen. Hier hilft oft schon ein handelsüblicher Taschenrechner.
Manche Manager sind nur in einer Disziplin erfolgreich und verfehlen konstant ihre Planungen und Ankündigungen. Trau-schau-wem! Wer etwas tiefer in die Bilanzanalyse einsteigt, der findet manchmal sehr hohe „Goodwill-Positionen“ oder „aktivierte Eigenleistungen“ die zum Nachdenken anregen sollten.
Auch wenn ein Emittent bei den vorstehenden Punkten zufriedenstellende Merkmale aufweist, kann eine Transaktion durch fundamentale Fehler in problematisches Fahrwasser geraten.
Hier ist die Auswahl des richtigen Bankpartners ein zentraler Faktor. Dieser hilft alle Fallstricke auf dem Weg zu einer erfolgreichen Transaktion zu identifizieren. Ein Lead-Manager sollte aber eine entsprechende Transaktionshistorie vorweisen können. Auch hier trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Eine gute Bank sitzt mit ihrem Auftraggeber im selben Boot und arbeitet am gemeinsamen Transaktionserfolg. Denn scheitert die Transaktion, ist nicht nur die Reputation des Emittenten belastet. Die der Bank ist es oft auch.
Es gibt Banken, die weder die Erfahrung, die Kapazität oder eine belastbare Kundenbasis und Vertriebskraft haben, um eine Transaktion erfolgreich über die Ziellinie zu bringen. Oder mit Ausfällen oder gescheiterten Transaktionen wurde bereits Vertrauen bei den Investoren eingebüßt. Neuerdings beobachten wir Tendenzen, in denen Platzeure parallel zwei Transaktionen sogar aus derselben Branche begleiten und dieser Interessenkonflikt dann beide Deals kannibalisiert.
Regelmäßig werden wir von Emittenten kontaktiert, deren Transaktion gescheitert ist und das geringere platzierte Volumen die relativen Kosten für die Emission in die Höhe katapultiert hat.
Aber sind erstmal (zu wenig) Wertpapiere ausgegeben, ist an der Struktur nichts mehr zu ändern. Das Kind liegt im Brunnen. Oft wurde der Zinssatz nicht hinreichend marktgerecht ausgelotet. Es mangelt an Transparenzverpflichtungen. Die Anlegerschutzklauseln (Covenants) sind ungeeignet oder Ausschüttungssperren, die absichern sollen, dass der Anleihegläubiger am wirtschaftlichen Erfolg durch planmäßige Bedienung der Verpflichtungen aus der Anleihe partizipiert werden, nicht vereinbart. Aus unterschiedlichen Gründen verzichten Emittenten auf wichtige Instrumente zur Unterstützung des Platzierungserfolges. Genannt seien hier Ratings, Research oder gar ein Prospekt für ein öffentliches Angebot.
Bei manchen Emissionen reichte in den letzten Jahren auch ein Blick in den Verwendungszweck des Anleiheerlöses, um das Heer der Anleger von einem Investment abzuhalten. Vor allem wenn das Geld über die Ablösung von Gesellschafterdarlehen in den Taschen derer landet, die eigentlich an ihr Unternehmen glauben sollten. Bei manchen Emissionen ist schlichtweg das Volumen so niedrig angesetzt, dass diese professionellen Investoren aus jedem Fokus fallen.
Zum Glück scheitern zahlreiche Emissionen, die zu viele der vorstehend beschriebenen Mängel aufweisen. Nur wenn alle Marktteilnehmer weiterhin ein scharfes Augenmerk haben, wird der Markt Freude bereiten und den Unternehmen eine zunehmend attraktive Alternative zu anderen klassischen Finanzierungsformen bieten. Dem Investor muss eine attraktive Rendite angeboten werden – gleichzeitig sollte die Zeichnung einer Anleihe nicht zu Schlafstörungen führen.
Denen der sogenannte „Smell“ einer erfolgreichen Transaktion und zügiger Vollplatzierung vorauseilt. Denn auch mit nicht ausplatzierten Anleihen haben Investoren zumindest eine Zeitlang ein Päckchen zu tragen. Es kommt immer wieder zu Nachplatzierungen, die eine positive Kursentwicklung selbst dann verhindern, wenn sich das Unternehmen positiv entwickelt.
Lassen Sie also ruhig auch mal eine Transaktion scheitern, wenn Sie befürchten das sie zu viele der vorstehend beschriebenen Punkte entdeckt haben. Dann scheitern Sie selbst nämlich nicht.
Kai Jordan, mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG
Foto: pixabay.com
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