Blitzplatzierungen: Zu hoher Kupon für überzeichnete Emissionen?
Das Phänomen konnte man in den letzten Monaten öfter beobachten: Kaum war die Meldung zum Zeichenstart einer Unternehmensanleihe online, da konnte der Emittent schon die Vollplatzierung des Papiers vermelden. Viele Anleihen der letzten Monate waren binnen weniger Stunden ausverkauft.
Ein namhafter Textilproduzent brachte es sogar auf eine 7fache Überzeichnung seiner Emission, d. h.: Dem angebotenen Volumen von 30 Millionen Euro standen Zeichnungsanträge in Höhe von 210 Millionen Euro gegenüber. Der Ansturm zeichnungswilliger Anleger überlastet die automatische Zuteilungsfunktion des ‚mittelstandsmarkts‘ der Börse Düsseldorf und setzte sie kurzfristig außer Gefecht. So schön ein solcher Zuspruch für den Emittenten auch ist – dem kritischen Marktbeobachter drängen sich dann doch die Fragen auf: Liegt hier nicht ein Ungleichgewicht in der Außen- und Inneneinschätzung des Unternehmens vor? Hätte nicht auch ein deutlich niedrigerer Zinssatz zur Vollplatzierung gereicht?
Manuel Hölzle, Chefanalyst des Research Hauses GBC AG, sieht das so: „Wenn eine Emission deutlich überzeichnet ist, so ist dies ein Zeichen, dass der Zinskupon niedriger angesetzt hätte werden können. Gerade bei Anleihen von Markenunternehmen war die Nachfrage zuletzt häufig irrational hoch, so dass auch niedrigere Kupons gereicht hätten.“ Auch Andreas Wegerich, Chef der youmex AG, einem Listing Partner der Deutschen Börse, beantwortet die Frage eindeutig mit Ja. „Emittenten sollten sich frühzeitig mit ausgewiesenen Kapitalmarktprofis zusammensetzen, die Erfahrung damit haben, den richtigen Preis zum richtigen Zeitpunkt festzusetzen“, so der Anleihen-Experte.
„Der Markt bestimmt den Zinssatz, nicht das Unternehmen.“
Besonders das Timing sei dabei von großer Wichtigkeit. Erfahrene Strukturierer würden bereits vor dem Start der Emission Privatbanken, Vermögensverwalter und institutionelle Investoren kontaktieren und den Markt so ausloten. Der Emissionsprospekt werde dann, so erläutert youmex-Vorstand Wegerich, der BaFin zur Billigung vorgelegt, ohne dass die Größen von Emissionsvolumen und Kupon eingetragen sind. „Die endgültigen Zahlen werden erst in der Nacht vor dem Platzierungsstart festgelegt und dann kurzfristig per adhoc-News oder Pressemitteilung veröffentlicht. So kann die Emission ganz aktuell an die Marktgegebenheiten angepasst werden, denn der Markt bestimmt den Zinssatz, nicht das Unternehmen.“
Emittenten orientieren sich an Zinssätzen der Vormonate
Auch Sebastian Louis, Chef der RHL – Unternehmensberatung aus Berlin, unterstreicht die Wichtigkeit des Marktumfeldes bei der Festsetzung eines Anleihen-Kupons – nicht nur im Hinblick darauf, in welcher Branche der Emittent tätig ist, sondern auch mit Sicht auf den deutschen Markt der mittelständischen Unternehmensanleihen allgemein. „Da dieser Markt so klein ist, ist der Zinssatz nicht nur von den Unternehmenskennzahlen, sondern sehr viel mehr vom Marktumfeld geprägt“, so Louis. „Man kann davon ausgehen, dass im Moment zwei bis drei Unternehmensanleihen pro Monat am Markt platziert werden und sich diese an den Zinssätzen der Vormonate orientieren müssen, denn die Zeichner, die nicht zum Zuge gekommen sind, werden auf die nächsten Anleihen warten, allerdings nur, wenn sich auch eine entsprechende Rendite abzeichnet.“
Tradition wiegt oft schwerer als Unternehmenskennzahlen
Große Zugkraft bei der Anleiheplatzierung hat auch – gerade bei privaten Investoren – ein bekannter Markennamen. Dies hat, so RHL-Unternehmensberater Louis, durchaus seine Berechtigung: Markennamen sind üblicherweise durch eine lange Tradition entstanden. Unternehmen mit einem solchen Markennamen sind häufig inhabergeführt und haben in den vergangenen Jahrzehnten etliche Krisenjahre überstanden. Auch wenn die Unternehmenskennzahlen in solchen Krisenzeiten nicht immer die besten waren, so kann man davon ausgehen, dass gerade Inhaberfamilien mit ihrer persönlichen Haftung erhebliche Anstrengungen unternehmen, die Marke und das Unternehmen zu erhalten. Daher sollten nicht nur die temporären Kennzahlen, sondern auch die Historie bei der Beurteilung von Unternehmen berücksichtigt werden.“
GBC-Analyst Manuel Hölzle hält hier jedoch dagegen: „Die Marke wird derzeit oft wichtiger wahrgenommen als die Bonität. Dies kann gefährlich sein, gemäß dem Motto „Mehr Schein als sein“. Investoren sollten immer in die Bilanzen schauen und sich nicht von großen Namen blenden lassen. Denn auch viele starke Marken der Vergangenheit gibt es heute nicht mehr.“ Ob berechtigt oder nicht: Die Wirkung von bekannten Namen auf die Platzierungsgeschwindigkeit und den „tolerierten“ Kupon ist nicht von der Hand zu weisen. Dies ist eine Beobachtung, die auch Andreas Wegerich gemacht hat. Der Kapitalmarktexperte ergänzt: „Interessant ist, zu beobachten, dass Unternehmen nicht unbedingt überregional – also in ganz Deutschland – bekannt sein müssen (wie zum Beispiel Valensina oder Underberg). Es reicht auch – eine topprofessionelle Investor-Relations- Betreuung vorausgesetzt – ein regionaler Bekanntheitsgrad des Unternehmens zur Vollplatzierung oder gar Überzeichnung.“
Anleihen mit Bookbuilding- Verfahren?
Branchen- und Marktumfeld, Bekanntheitsgrad – sowie natürlich auch die Unternehmenskennzahlen nehmen also Einfluss auf die Höhe des Kupons, den die Anleihegläubiger bereit sind anzunehmen. Mehrfache Überzeichnungen von Emissionen belegen jedoch, dass die Festlegung des optimalen Zinssatzes ein schwieriger Balanceakt ist. youmex-Vorstand Andreas Wegerich spielt deshalb mit der Idee eines Bookbuildings. Bei diesem Verfahren gibt der Emittent eine gewisse Preisspanne vor und interessierte Investoren können dann quasi auf die Papiere bieten. Am Ende der Zeichnungsfrist entscheidet das Unternehmen dann – meist gemeinsam mit der Konsortialbank -, welcher Bieter zu welchem Preis bzw. Kupon den Zuschlag erhält. Wegerich: „Ich finde es überlegenswert, nternehmen des Mittelstandes mit einer quasi Bookbuilding- Spanne des Zinssatzes an den öffentlichen Kapitalmärkten zu platzieren.“ Ein Ansatz, der den jungen und bewegten Markt der mittelständischen Unternehmensanleihen sicher weiter beleben und vielleicht sogar revolutionieren wird.
Anleihen Finder Redaktion