Bei Pauly droht ein Zinsausfall: So können Anleger die Pauly Biskuit AG-Anleihe kündigen

Donnerstag, 16. Februar 2012

Für die Pauly Biskuit AG läuft die Frist zur Zinszahlung schon am 18.02.2012 ab.

Die Anleihen Finder Redaktion sprach mit Dr. Oliver Zander, Kapitalmarktrecht-Experte und Partner der Wirtschaftskanzlei Görg, über das Sonderkündigungsrecht der Anleger im Falle eines Zinsausfalls bei der Pauly-Anleihe (>> Die Anleihen Finder Redaktion berichtete), den Fall einer Insolvenz und über mögliche Irreführungen seitens des Vorstandes der Pauly Biskuit AG.

Anleihen Finder: Wie berechnen sich die im Verkaufsprospekt der Pauly-Anleihe angegebenen 30 Tage, in denen die Emittentin Zeit hat, die Zinsen zu zahlen. Zählen hier nur die Arbeitstage oder auch Samstage und Sonntage?

Dr. Oliver Zander: Die Zinsen sind jeweils am 18.01. fällig und müssen somit auch am 18.01. geleistet werden. Die 30-Tage-Frist, die Sie ansprechen, betrifft lediglich die Folge der Nichtzahlung trotz Fälligkeit. Hierdurch wird der Pauly Biskuit AG jedoch keine Zahlungsfrist eingeräumt.

Die Fristberechnung erfolgt gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB. Der Tag der Fälligkeit wird nicht mitgerechnet (5.9.a. Spiegelstrich 1 des Prospekts: innerhalb von 30 Tagen nach dem betreffenden Fälligkeitstag). Sonn-, Feiertage und Sonnabende werden hingegen mitgerechnet. Damit endet die Frist am 17.02. um 24 Uhr.

Anleihen Finder: Wenn der letzte Zinszahlungstermin am 18.01.2012 war und die Anleger laut Prospekt nach 30 Tagen Zahlungsverzug ein Sonderkündigungsrecht haben, können Anleger dann ab dem 17. Februar 2012 von diesem Recht Gebrauch machen?

Dr. Oliver Zander: Die Frist endet, wie oben ausgeführt am 17.02. um 24 Uhr. Damit steht den Anlegern mit Ablauf der Frist ein Sonderkündigungsrecht zu.

Anleihen Finder: Wie können Anleger Ihr Sonderkündigungsrecht im Fall der Fälle praktisch geltend machen?

Dr. Oliver Zander: Gemäß 5.9.c des Prospekts können die Anleger ihr Sonderkündigungsrecht durch eine Kündigung per eingeschriebenem Brief, dem ein Eigentumsnachweis (z.B. eine Depotbestätigung) beigefügt ist, gegenüber der Pauly Biskuit AG geltend machen. Die Kündigung wird mit Zugang bei der Pauly Biskuit AG wirksam. Mit der Kündigung werden sämtliche Forderungen aus den Inhaber-Teilschuldverschreibungen, inklusive aufgelaufener Zinsen, sofort fällig.

Anleihen Finder: Welche Konsequenzen hätte es für die Pauly-Anleger, wenn die Emittentin in den nächsten Tagen darüber informieren würde, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei. Bislang hat die Firma abgestritten, sich in einem Insolvenzverfahren zu befinden.

Dr. Oliver Zander: Würde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pauly Biskuit AG eröffnet, so wären Zahlungen der Emittentin im Vorfeld der Insolvenz möglicherweise anfechtbar. Zudem haben Gläubiger in der Insolvenz nur noch einen Anspruch auf quotale Befriedigung aus der Masse.

Den Anlegern steht gemäß 5.9.a. Spiegelstrich 2 des Prospekts im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das nicht innerhalb von 60 Tagen aufgehoben oder ausgesetzt wird, ein Sonderkündigungsrecht zu. Wird von diesem Gebrauch gemacht, werden zwar sämtliche Forderungen des Anlegers fällig. Allerdings besteht nur ein Anspruch auf anteilige Befriedigung, s.o.

Anleihen Finder: Die Thomas Bienz Treuhand AG hat mitgeteilt, dass die Sofica Holding AG, die unter der gleichen Adresse wie die Thomas Bienz Treuhand AG firmiert, nun doch nicht die Aktienmehrheit bei Pauly übernehme. Zuvor hatte der Pauly-Vorstand aber verkündet, dass der schweizerische Investor den größten Teil des Unternehmens übernehmen würde. Kann man hier von einer Irreführung sprechen?

Dr. Oliver Zander: Das kommt auf den genauen Wortlaut an. Wenn der Vorstand der Pauly Biskuit AG berichtet hat, dass die Sofica Holding AB / Bienz Treuhand AG beabsichtige, den größten Teil des Unternehmens zu übernehmen, hat er lediglich eine Absicht dargestellt, die dann doch nicht verfolgt wurde. Von Irreführung kann dann nicht gesprochen werden. Anders könnte das zu beurteilen sein, wenn die Pauly Biskuit AG die Transaktion als bereits erfolgt dargestellt hat.

Anleihen Finder: Uns liegen Informationen vor, dass bis zum 7. Februar 2012 Vertreter des schweizerischen Investors Sofica (Thomas Bienz Treuhand AG) in der Firma Pauly anwesend waren. Aber am 2. Februar 2012 haben wir von Sofica die Nachricht bekommen, dass sich der Investor gegen ein Engagement bei Pauly Biskuit AG entschieden hätte. Könnte diese Ungereimtheit ein Indiz dafür sein, dass die Preisverhandlungen zwischen dem Investor und der Emittentin doch noch nicht abgeschlossen sind?

Dr. Oliver Zander: Möglich.

Anleihen Finder: Trotz mehrmaligen Versuchen bekommen wir kein Statement von Pauly. Welche Rechte haben Anleger einer Unternehmensanleihe, um von wichtigen geschäftlichen Entwicklungen bei einer Emittentin informiert zu werden?

Dr. Oliver Zander: Nur in der Gläubigerversammlung bestehen Auskunftsrechte.

„§ 16 Auskunftspflicht, Abstimmung, Niederschrift   (1) Der Schuldner hat jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist.“

Anleihen Finder: Herr Dr. Zander, vielen Dank für das Gespräch.

Anleihen Finder Redaktion

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